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Begründung zu These 4: Subven­ti­onen

01. Juni 1995

aus: Trennung von Staat und Kirche. Thesen der Humanistischen Union. HU-Schriften 21, München 1995, S. 26 – 30

These 4: SubventionenKulturelle und soziale Aktivitäten der Kirchen und der sonstigen weltanschaulichen Gemeinschaften sind nach den gleichen Grundsätzen zu fördern wie die aller anderen Gruppierungen. Insbesondere sind die religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften – unabhängig von ihrer Rechtsform formal gleich zu fördern, so dass eine Privilegierung der Großkirchen ausscheidet.Veranstaltungen missionarischen Charakters sind nicht förderungsfähig. Örtliche religiös-weltanschaulich geprägte Monopole sind unzulässig und nach und nach abzubauen.

Begründung:
Grundeinteilung und Grundprobleme Unmittelbare und mittelbare Subventionen werden aus staatlichen Steuergeldern oder durch Einnahmeverzichte finanziert. Sie sollen gemeinnützigen und kulturellen Zwecken zugute kommen. Es geht um die Förderung mittelbar staatlicher Aufgaben. Es gibt gesetzliche Pflichtleistungen und freiwillige Leistungen. Sie werden bislang erbracht für Einrichtungen und Veranstaltungen, die auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, aber auch für rein innerreligiöse Zwecke. Soweit eine Förderung überhaupt zulässig ist, besteht das Grundproblem in der Beachtung des Gleichheitssatzes. Er wird bisher in großem Umfang missachtet. Mindestens in gleicher Weise bedeutsam ist die Schaffung von Monopolen. Ein Problem ist ferner die Erzeugung von Abhängigkeiten.

2. Unzulässigkeit der Subventionierung rein innerkirchlicher Aktivitäten
a) Das anerkannte Verfassungsprinzip der Nicht-Identifikation, ein wesentlicher Teilaspekt des Neutralitätsgrundsatzes, untersagt dem Staat jede auch nur teilweise Identifdcation mit einer der konkurrierenden Ideologien. Gesetzgeber und Verwaltung dürfen sich in einem pluralistischen Staat nicht einseitig partikulare Interessen und Wertvorstellungen zu eigen machen. Das ist heute auch in der Rechtsprechung anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht [15] spricht z.b. von „Offenheit gegenüber dem Pluralismus weltanschaulich-religiöser Anschauungen“ und von einem Menschenbild des Grundgesetzes, das von der „freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmt“ ist; darin bestehe die religiös-weltanschauliche Neutralität. Das Bundesverfassungsgericht [16] untersagt in der öffentlichen Schule die „gezielte Beeinflussung… im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung“. Schon im Jahr 1960 hat das Bundesverfassungsgericht [17] den Grundsatz aufgestellt: „Der weltanschaulich neutrale Staat… darf… den Glauben oder Unglauben seiner Bürger nicht bewerten“.

b) Das bedeutet für die sozialen und kulturellen Einrichtungen: Die öffentliche Hand darf keinesfalls rein innerkirchliche Einrichtungen und Aktivitäten unterstützen, mit denen unmittelbar religiöse Zwecke gefördert werden, wie das bisher freilich zum Teil sehr massiv geschieht. Konkret: Keine Zuschüsse, direkte (für Priesterseminare, Kirchentage, Papstbesuche usw.) oder indirekte (z.b. kostenlose Überlassung von Gebäuden usw.. Unzulässig ist daher auch die Anschaffung und Anbringung von Kreuzen in Schulen, Gerichten und Selbst Verwaltungsbehörden. Auch die Finanzierung staatlicher theologischer Fakultäten in ihrer bisherigen Form ist unzulässig. Entsprechendes gilt für die ohnehin verfassungswidrige staatliche Militärseelsorge.[18]

c) Sehr problematisch ist daher auch die Subventionierung des Baus von Pfarrheimen, zumindest die spezifisch religiöse Ausstattung von Räumen für die Religionsausübung durch die öffentliche Hand (Kapellen in Krankenhäusern), von kirchlichen Denkmälern und dergleichen. Das macht schon das Erfordernis u.u. diffiziler Unterscheidungen deutlich. Fraglich erscheint auch, ob es Sache des Staates ist, kirchliche Entwicklungshilfe massiv zu fördern, da diese immer auch missionarische Aspekte enthält.

3. Subven­tio­nie­rung „offener“ Einrich­tungen, die gleich­zeitig kirchlichen und staats­bür­ger­lich-­kul­tu­rellen Zwecken dienen.

a) Soweit diese Einrichtungen der Allgemeinheit zugänglich sind, ist auch ihre Subventionierung zumindest nicht unproblematisch. Wenn auch Religionsförderung im engeren Sinn keine Staatsaufgabe und somit unzulässig ist, so ist es dem Staat nicht generell verwehrt, religiös-weltanschauliche Tatsachen zur Kenntnis und zum Anlass für eine Förderung zu nehmen. Das betrifft aber nur allgemein zugängliche kirchliche usw. Einrichtungen im Hinblick auf ihre weltliche Bedeutung. Sie sind ggf. neutral, d.h. ohne sie dabei (positiv oder negativ) zu bewerten, zu fördern: nicht weil, sondern obwohl sie eine religiös-weltanschauliche Orientierung aufweisen. Der Staat darf nur bei Einhaltung formal gleicher Kriterien fördern (s. unter 4.); er muss es aber keineswegs. Der religiös-weltanschaulich neutrale Kulturstaat („die öffentliche Hand“) kann, ja soll Einrichtungen wie Akademien, Bürgerhäuser, Kongresse zu allgemeinen und auch zu religiös-weltanschaulichen Fragen selbst organisieren (z.b. in Form von Volkshochschulen, Tagungsstätten von Bezirken usw.) und den verschiedenen Richtungen zur Verfügung stellen. Er kann aber auch zusätzlich religiös-weltanschauliche Träger – formal gleich – bei ihrer Eigeninitiative unterstützen. Konkret: Kirchliche Akademien darf der weltanschaulich neutrale Staat nur dann fördern, wenn er auch für Tagungen und Tagungsstätten von Humanisten, Zeugen Jehovas, Islamische Vereinigungen eine Förderung nach gleichen Kriterien garantiert. Das ist bisher keineswegs der Fall. Aber selbst bei öffentlich geförderten Akademien mit breitem Spektrum ist es rechtspolitisch bedenklich, wenn vielfach doch zumindest mittelbar religiöse Belange der meist kirchlichen Träger stark im Vordergrund stehen. Wer sorgt dafür, dass der öffentlichen Förderung ein angemessener Einfluss auf die Struktur und das Spektrum der Veranstaltungen insgesamt entspricht? Bei einem „Atheistenkongress“ mit weltanschaulich und politisch allgemein interessierenden Themen in Fulda 1991 hat sich niemand darum gesorgt, ob er in vergleichbarer Weise wie ein Kirchentag gefördert wird; vielmehr wurde geprüft, ob es zulässig war, dass die Veranstaltung zu den allgemein geltenden Bedingungen in den Räumen einer Hochschule überhaupt stattfinden durfte. Damit ist schon angedeutet, welche Fülle an Problemen der Versuch einer formalen Gleichbehandlung aufwirft, zumal bei den unterschiedlichen religiös-weltanschaulichen Bedingungen in den einzelnen Bundesländern und in den Gemeinden, der schwierigen Vergleichbarkeit der Veranstaltungen und Einrichtungen, der unter-schiedlichen sozialen Bedeutung und Qualität.
b) Es ist zu erwarten, dass wie schon bisher weitgehend Willkür herrschen wird und kirchliche Träger und Veranstalter auch künftig krass bevorzugt werden. Es bedürfte daher wohl landesrechtlicher Vorschriften, um vergleichbare Fallgruppen und allgemeine Förderungskriterien festzulegen, deren Vorliegen konkret überprüft werden könnte (vgl. hierzu eindrucksvoll Alberts [19] speziell zum Problem der Subventionierung von Vereinen, die vor für sozial-schädlich gehaltenen religiösen Bewegungen warnen sollen.)

4. Die Forderung nach formal gleicher Behandlung.

Wenn der Staat nicht werten will, so muss er der Förderung formal gleiche Prinzipien zugrunde legen. Das ergibt sich klar aus der Nonnenkette, die das Prinzip der religiös-weltanschaulichen Neutralität konstituiert[20]. Insbesondere gilt: Der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG untersagt ausdrücklich rechtliche Unterscheidungen, indem er einen gegenständlich unbeschränkten Anwendungsbereich mit einem abschließenden Katalog ausgeschlossener Merkmale verbindet. U.a. darf niemand „wegen… seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. Gleichwohl gibt es zahlreiche Versuche, die Stringenz dieses Unterscheidungsverbots auszuhöhlen. Art. 3 Abs. 3 GG untersage nur die direkt bezweckte Ungleichbehandlung in religiös-weltanschaulichen Fragen, nicht aber Differenzierungen, die nur Folgeerscheinung einer anders intendierten Regelung seien. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht 1987 sogar eine deutliche prozentuale Besserstellung kirchlicher Träger bei der Subventionierung von Privatschulen mit erkennbar fadenscheiniger Detailbegründung gerechtfertigt21. Es hat die Fehlinterpretation aber jetzt berichtigt: In seinem Urteil zum Nachtarbeitsverbot für Frauen=‘ hat es speziell mit Bezug auf die soeben zitierte Entscheidung bezüglich Art. 3 Abs. 3 GG formuliert: „Das Geschlecht darf grundsätzlich – ebenso wie die anderen in Absatz 3 genannten Merkmale – nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (Klarstellung von BVerfG 75, 40 [70])“. Damit ist der Subventionswillkür im weltanschaulichen Bereich verfassungsrechtlich im Grundsatz der Boden entzogen. Ob damit auch endgültig entschieden ist, dass die Rechtsform religiös-weltanschaulicher Vereinigungen (privatrechtlich oder im speziellen Sinn des Art. 137 Abs. 5 WRV als Körperschaft des öffentlichen Rechts) für die Förderung belanglos ist, mag dahinstehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich 1990 die Auffassung vertreten, der Staat dürfe bei der „positiven Religionspflege“ die Religionsgesellschaften aus sachlichen Gründen unterschiedlich behandeln. Es hat dabei abgestellt auf die äußere Größe und Verbreitung einer Religionsgesellschaft, den Grad ihrer öffentlichen Wirksamkeit, ihre kultur- und sozial-politische Stellung in der Gesellschaft und den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das verstößt aber nach der jetzigen Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes, wie gesagt, gegen den Sinn des Art. 3 Abs. 3 GG[23]. Die freie Wahl der Rechtsform (s. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV) kann den Religionsgemeinschaften doch schon wegen des Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 Abs. 3 WRV) nicht indirekt über die Subventionierungspraxis wieder genommen werden. Auch geht es nicht an, gerade die kleineren Gemeinschaften gegenüber den Großkirchen zu benachteiligen. Ansonsten ist man auch auf Minderheitenschutz bedacht. Eine streng formale Gleichbehandlung ist daher zwingend. Das bedeutet freilich, dass die tatsächliche Größe und damit Finanz-Kraft der Religionsgesellschaften und ihr Wille zur Initiative in der Praxis zu entsprechend erheblich unterschiedlichen Auswirkungen führen muss; dazu ausführlich M. Heckel[24], der den Gesichtspunkt der Verschiedenheit gerade infolge formaler Rechtsgleichheit herausarbeitet. Dadurch sind insbesondere die Großkirchen ohnehin stark im Vorteil. Umso mehr muss darauf gedrängt werden, dass wenigstens formale Rechtsgleichheit auch in der Praxis beachtet wird.

5. Verfas­sungs­wid­rig­keit der staatlichen Förderung religi­ös-welt­an­schau­li­cher Monopole.

Ein Einbruch in der Geschichte der sozialen Einrichtungen war die 1961 zugunsten der freien Träger – und damit im wesentlichen der Großkirchen – ohne sachlichen Grund erfolgte Einführung des sog. Subsidiaritätsprinzips als allgemeinem Prinzip (bei freilich richtigem Grundgedanken) eine Leerformel, wie Roman Herzog[25] eindrucksvoll nachgewiesen hat. Die gesetzliche Prinzipumkehr wurde von vielen Städten und Gemeinden bekämpft. Es begann, was J. Neuman[26] gut belegt und nur wenig übertrieben so benennt: „Die Kirchen haben das öffentliche Wohlfahrtswesen buchstäblich mit öffentlichen Mitteln aufgekauft.“ Denn in fast allen sozialpolitisch bedeutsamen Bereichen stellen die freien Träger, d.h. hauptsächlich die Kirchen, über die Hälfte der Kapazitäten und des Personals (samt Gebäuden!) mit den bekannten und zum Teil verheerenden arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Unbemerkt blieb, dass das Bundesverfassungsgericht 1967 in seinem bekannten Sozialhilfeurteil gerade das ausdrücklich untersagte, da nur so das gesetzliche „Subsidiaritätsprinzip” verfassungsrechtlich zuhalten war. Das Bundesverfassungsgericht[27] lässt, auf den Punkt gebracht, freie Träger nur dann bevorzugt zu, wenn wegen Art. 4 GG eine ausreichende Grundversorgung mit weltanschaulich neutralen Einrichtungen gegeben ist. „Souverän“ hat sich die Praxis darüber hinweggesetzt, was bei Kindergärten und Altenheimen besonders bedenklich ist. Die verfassungswidrige Monopolbildung in vielen örtlichen Bereichen muss endlich abgebaut werden. Aber trotz wachsender innerkirchlicher Kritik am stark ausgeuferten kirchlichen Sozialwesen mit seinem wachsenden Widerspruch zwischen Schein und Sein (z.b. H. Weber[28]; Müller-Volbehr[29]; J. Isensee[30] spricht angesichts des „Dinosaurierhaften“ Wachstums der Caritas von „Legitimationsschrumpfungen“) hat man selbst in den östlichen Bundesländern vielfach kirchliche Einrichtungen auch gegen Konkurrenz durchgedrückt. „Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein“, heißt es bei Jes. 32, 17. Unsere politische und faktische Rechtsordnung aber ist in religiös-weltanschaulicher Hinsicht eine große Ungerechtigkeit. Die Konflikte beginnen sich wieder zu mehren. Deshalb ist Abhilfe aus Rechtsgründen und Gründen sozialpolitischer Gerechtigkeit dringend geboten[31].

  • [19]ZRP 1993, 432.
  • [20]Ar. 4 Abs. 1 Satz 3 Abs. 3, 33 Abs. 3 GG sowie Art. 136 Abs. 1,4 und 1371 WRV i.V.m Axt. 140 GG. : So BVerfG: BVer-GE 19,206/ 216 = NJW 1966,147
  • [21]BVerfiiE 75,40177 =NIW 1987,2359.
  • [22]BVerfGE 85,191/206 =NJW 1992,964
  • [23]So auch M. Sachs ZRP 1994, 133/135 ff; ders. ausführlich in: Handbuch des Staatsrechts V (1992) § 126.
  • [24]Gleichheit und Privilegien, Tübingen 1993.
  • [25]Der Staat, 1963 S. 399-423.
  • [26]Sammelband Tabu Staat Kirche, Berlin/Aschaffenburg 1992 S. 55/69.
  • [27]BVerfiiE 22/,100/201 = NJW 1967,1795.
  • [28]ZevKR 1991,253/273.
  • [29]ZRP 1991,345/348.
  • [30]in: Essener Gespräche 25 (1991), 104/127.
  • [31]Zur Religionsförderung allgemein siehe: G. Curmak, Staat und Weltanschauung (1993), 309-335.
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