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Begründung zu These 5: Theolo­gi­sche Fakultäten

01. Juni 1995

aus: Trennung von Staat und Kirche. Thesen der Humanistischen Union. HU-Schriften 21, München 1995, S. 31 – 34

These 5: Theologische Fakultäten
Den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften steht es frei, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eigenen Bildungseinrichtungen aus- und fortzubilden.
Die traditionellen theologischen Fakultäten haben wegen ihrer Kirchen- und Glaubensbindung, die der Freiheit der Wissenschaft entgegensteht, an den Universitäten keinen legitimen Platz. Sie sind deshalb in religionswissenschaftliche Fakultäten umzugestalten.
Das kirchliche Mitspracherecht bei der Besetzung der Hochschullehrerstellen stellt einen Eingriff die Autonomie der Wissenschaft dar.
Konkordatslehrstühle sind verfassungswidrig und deshalb aufzuheben.

Begründung:


1. In einer freien Gesellschaft kann jede Gruppierung den für sie geeigneten Nachwuchs auf eigenen Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen nach ihren Vorstellungen ausbilden. Mit Ausnahme des deutschsprachigen Raumes bildet die katholische Kirche weltweit nach eigenen Vorschriften ihre Geistlichen und sonstigen Mitarbeiter tatsächlich auf eigenen, dem Bischof – oder einem Ordensoberen – unterstellten Seminarien aus. Auch in
Deutschland sollten die Kirchen ermuntert werden, den Nachwuchs für ihre Mitarbeiter in eigenen Einrichtungen auszubilden. Dort kann dies ohne Einflussnahme Außen-stehender geschehen.

2. Keine Institution oder Organisation in unserer Gesellschaft verfügt über eigene, ihrer Kontrolle unterworfene aber gänzlich vom Staat getragene Fakultäten. Selbst der Staat hat die Fakultäten, die seine Beamten ausbilden, nicht seiner direkten Kontrolle unterworfen: allein bei den Prüfungen ist er durch seine Repräsentanten dabei. Auf die Zusammensetzung des Lehrkörpers und die Akzentsetzungen in Forschung und Lehre nimmt er keinen – direkten – Einfluss. Er achtet – zumindest formal – die grundgesetzlich (Art. 5 III GG) verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre auch dort, wo seine Interessen unmittelbar tangiert sind.
Alleiniger Maßstab für die Berufung in akademische Positionen sind in allen – außer den theologischen – Fächern einzig die wissenschaftliche und fachdidaktische Qualifikation sowie die Treue zur Verfassung.
Allein in der Theologie gelten „Glaubens-gehorsam“ und die Bereitschaft zur Unterwerfung unter das Lehramt oder die Schrift als entscheidende Kriterien. Nicht Wissenschaftlichkeit sondern Kirchlichkeit gilt als Maßstab. Damit erfüllt die Theologie nicht die allgemein anerkannten Prinzipien wissenschaftl. Arbeitens.
Nun soll wahrlich niemand auf die Grundsätze rationaler Wissenschaftlichkeit verpflichtet werden. Jede und jeder kann anderen Maximen folgen. Aber das nicht im Rahmen der – staatlich finanzierten – Wissenschaft und nicht auf Kosten vieler an diesen Fragen gänzlich uninteressierter Steuerzahler.
Außerdem kommt in den Theologischen Fakultäten bei der Berufung von Lehrkräften außerwissenschaftlichen Faktoren eine wesentliche Rolle zu, nämlich formale Rechtgläubigkeit, Art der Lebensführung (Zölibat/Scheidung) und – zumal in der katholischen Kirche – auch das Geschlecht und der kirchliche Status (Ordination. Die Römische Kongregation für die Glaubenslehre hat im Mai 1990 ein bemerkenswertes Dokument veröffentlich „über die kirchliche Berufung des Theologen“. Danach sind sämtliche Theologen zum „Glaubensgehorsam“ gegenüber allen – und keineswegs nur gegenüber den sog, unfehlbaren – Setzungen des Lehramtes verpflichtet.
Eine Berufung auf Religions- oder Gewissensfreiheit oder gar auf die Freiheit von Forschung und Lehre steht dem Theologen nicht zu (n. 37).
Diese Instructio ist für die katholischen Theologen im Gewissen verbindlich! Darum erfüllt die (katholische) Theologie nicht die theoretischen Mindestvoraussetzungen der Wissenschaftlichkeit: sie ist lediglich Sprachrohr einer ldeologie.
Für die evangelisch-theologischen Fakultäten gilt im Prinzip das Gleiche: Sie scheinen zwar „liberaler“, „aufgeschlossener“ und wissenschaftlichen Maximen gegenüber „offener“, doch zutiefst sind auch sie von den nämlichen Grundsätzen bestimmt: Schrift und Bekenntnisschriften sind zusammen mit der theologischen Tradition die leitenden Prinzipien – und keineswegs kritische Infragestellung, Wenn Promotionen von Andersgläubigen oder Berufungen von eigenwilligen Wissenschaftlern nicht möglich sind, zeugt das gegen den wissenschaftlichen Charakter auch evangelischer theologischer Fakultäten.

3. Dank der Existenz theologischer Fakultäten spielt die deutsche Religionswissenschaft im internationalen Vergleich – trotz einzelner herausragender Forscherpersönlichkeiten – eine eher marginale Rolle. An den theologischen Fakultäten wird bis heute eine kirchlich-apologetisch ausgerichtete „Religionswissenschaft“ betrieben und unabhängige Forschung behindert. Würden die theologischen Fakultäten in wirklich wissenschaftlich arbeitende religionswissenschaftliche Fakultäten umgewandelt, könnte die deutsche Religionswissenschaft den Anschluss an den internationalen wissenschaftlichen Standard des Fachs gewinnen. Dies vor allem auch dann, wenn ihr die für die Theologien zu Verfügung stehenden Ressourcen – mehr als 500 Mill. DM p.a. – zur Verfügung stehen würden.
Bevor solches jedoch möglich ist, sind die einschlägigen Bestimmungen der Konkor
date und Kirchenverträge zu kündigen. Sie behindern die diesbezügliche freie Forschung in Deutschland.

4. Die durch das Grundgesetz nicht garantierten Theologischen Fakultäten sind Einrichtungen, die eindeutig dem Gebot der staatlichen Nichteinmischung in religiöse Belange widersprechen.
Sie sind in zwei Bundesländern durch die Landesverfassungen und in anderen durch Konkordate bzw. Kirchenverträge als Institutionen für die wissenschaftliche Ausbildung der Geistlichen vorgesehen (BadK IX; Bayk 4; PreußK 12); Analog dazu können sie allenfalls eine gewisse Berechtigung im Hinblick auf den – ebenfalls dem Trennungsgebot widersprechenden – staatlichen veranstalteten konfessionellen Religionsunterricht eine gewisse Berechtigung für sich geltend machen.

5. Das Argument, der Kulturauftrag des Staates verpflichte diesen, für die Ausbildung der Religionsdiener und Religionslehrer zu sorgen (M. Heckel), entbehrt jeder sachlichen Grundlage: Angesichts der Tatsache, dass Protestanten und Katholiken jeweils nur noch knapp ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, müssten vergleichbare wissenschaftliche Ausbildungsstätten auch für andere christliche und nichtchristliche Weltanschauungsgruppen, deren Anhängerzahlen immer stärker zunehmen, eingerichtet werden. Es kann jedoch nicht Aufgabe des Staates sein Ausbildungsstätten für die Funktionäre religiös-weltanschaulicher Gruppen zu unterhalten. Dies vor allem dann nicht, wenn er
dort die Wahrung grundgesetzlich verbürgter Grundrechte nicht sicherstellen kann.

6. Die sog. Konkordatslehrstühle, also jene Professuren für Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und Pädagogik außerhalb der Theologischen Fakultäten, deren Inhaber nur mit kirchlichem Placet berufen werden können, sind ein Attentat auf die Wissenschaftsfreiheit! Sie stellen nicht nur einen schweren und durch nichts zu rechtfertigen den Eingriff in die Autonomie der Wissenschaften dar, sondern privilegieren die Kirchen vor allen anderen gesellschaftlichen und politischen Gruppen in unerträglicher Weise.

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