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Thesen zum Staat-Kir­che-­Ver­hältnis

01. Juni 1995

aus: Trennung von Staat und Kirche. Thesen der Humanistischen Union. HU-Schriften 21, München 1995, S. 11/12

These 1: Verträge
Konkordate und Kirchenverträge dienen der dauerhaften Sicherung kirchlicher Privilegien. Sie sind nicht nur überflüssig, sondern schädlich, weil ihr Inhalt dem parlamentarischen Entscheidungsprozeß weitgehend entzogen ist.
Diese Verträge können, wie andere Verträge, gekündigt werden, auch wenn sie keine Kündigungsklausel enthalten.

These 2: Kirchensteuer
Die Verfassung gesteht den Kirchen, soweit sie öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, das Recht zu, eigene Steuern zu erheben. (Art. 140 GG in Verb. mit 137 WRV) Die Verfassung enthält keine Regelung des Einzugs kirchlicher Steuern durch den Staat. Der Steuereinzug durch den Staat verletzt in eklatanter Weise das Gebot der Trennung von Staat und Kirche.

These 3: Staatsleistungen
Nach der Verfassung sind die Staatsleistungen abzulösen (Art. 140 GG in Verb. mit 138 WRV). Dieser Verfassungsauftrag ist endlich auszuführen.
Aus dem ausdrücklichen Verfassungsauftrag ergibt sich, daß die Begründung neuer Staatsleistungen verfassungswidrig ist.

These 4: Subventionen
Kulturelle und soziale Aktivitäten der Kirchen und der sonstigen weltanschaulichen Gemeinschaften sind nach den gleichen Grundsätzen zu fördern wie die aller anderen Gruppierungen. Insbesondere sind die religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften – unabhängig von ihrer Rechtsform – formal gleich zu fördern, so daß eine Privilegierung der Großkirchen ausscheidet.
Veranstaltungen missionarischen Charakters sind nicht förderungsfähig. Örtliche religiös-weltanschaulich geprägte Monopole sind unzulässig und nach und nach abzubauen.

These 5: Theologische Fakultäten
Den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften steht es frei, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eigenen Bildungseinrichtungen aus- und fortzubilden.
Die traditionellen theologischen Fakultäten haben wegen ihrer Kirchen- und Glaubensbindung, die der Freiheit der Wissenschaft entgegensteht, an den Universitäten keinen legitimen Platz. Sie sind deshalb in religionswissenschaftliche Fakultäten umzugestalten. Das kirchliche Mitspracherecht bei der Besetzung der Hochschullehrerstellen stellt einen Eingriff die Autonomie der Wissenschaft dar.
Konkordatslehrstühle sind verfassungswidrig und deshalb aufzuheben.

These 6: Religionsunterricht
Es ist nicht Aufgabe des religionsneutralen Staates, in einem von ihm verantworteten Unterricht religiöse oder weltanschauliche Unterweisung zu betreiben.
Ein Religionsunterricht nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften ist am religiösen Bekenntnis ausgerichtet. Da zu ihm niemand gezwungen werden kann, ist auch der Zwang zu einem Ersatz unzulässig.
Wenn der Staat angesichts der kulturellen Vielfalt der modernen Gesellschaft Unterricht über die vielfältigen religiösen Überzeugungen anbietet, muß dieser Unterricht allen Schülern und Schülerinnen offen stehen.

These 7: Arbeitsrecht
Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen hat das allgemeine Arbeits- und Sozialrecht zu gelten mit seinem ohnehin wirksamen Toleranzschutz.

These 8: Militärseelsorge
Eine besondere Militärseelsorge in staatlicher Trägerschaft ist von der Verfassung her unzulässig.

These 9: Medien
Kirchen dürfen in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen bevorzugt werden.

These 10: Sakrale Symbole
Auf sakrale Symbole ist im Bereich aller öffentlichen Institutionen zu verzichten.

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