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Prozess gegen Konkor­dats­lehr­stuhl in Erlangen eröffnet

30. Oktober 2008

Aus Mitteilungen Nr. 202 S. 16

Das Berufungsverfahren für einen Konkordatslehrstuhl an der Universität Erlangen ist vorerst gestoppt. Eine Professorin und sechs weitere Bewerber hatten gegen die Ausschreibung eines Lehrstuhls für Praktische Philosophie Klage eingereicht, weil sie sich durch die so genannte Konkordatsbindung in ihren Bewerbungschancen benachteiligt sehen. Konkordatslehrstühle dürfen von den Universitäten nur in Abstimmung mit dem zuständigen katholische Bischof besetzt werden. Die Kirchenvertreter können Bewerber/innen ablehnen, an deren „katholisch-kirchlichen Standpunkt“ sie Zweifel haben. Nach dem bayerischen Konkordat vom 4. September 1974 kann die katholische Kirche bei der Besetzung von insgesamt 21 Lehrstühlen mitbestimmen.
Bei den Klägern handelt es sich um die Professorin Ulla Wessels, die Professoren und Privatdozenten Christoph Fehige, Thomas Mohrs, Alexander von Pechmann, Franz Josef Wetz und die promovierten Philosophen Edgar Dahl und Michael Schmidt-Salomon, die von der Münchner Rechtsanwältin Bettina Weber vertreten werden.

Mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach monieren die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres freien Zugangs zu öffentlichen Ämtern und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: Da sie nicht (mehr) der katholischen Kirche angehören, seien ihre Bewerbungschancen von vornherein gemindert. Dies widerspreche dem in der Verfassung verankerten Benachteiligungsverbot: „Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern (…) sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“ (Artikel 33 Abs. 3 Grundgesetz)

Die Kläger beantragten eine vorläufige Aussetzung des Berufungsverfahrens an der Universität Erlangen. Diesem Antrag hat das Gericht bisher noch nicht förmlich stattgegeben, allerdings setzte die Universität das Berufungsverfahren zunächst aus. Nachdem das Gericht die Klagen angenommen hat, erwarten Beobachter die mündliche Verhandlung für Oktober/November diesen Jahres. Eine Zusammenlegung der sieben Beschwerden lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach jedoch ab. Für das weitere Verfahren hat das Gericht einen Vertreter des Bischofs von Bamberg beigeladen. Dieser verfügt damit praktisch über dieselben Rechte wie eine Prozesspartei, er kann Berufung gegen das Urteil einlegen und eigene Sachanträge stellen. Bisher hat sich der Bamberger Bischof lediglich summarisch den Stellungnahmen der Universität Erlangen angeschlossen.

Die Kläger haben angekündigt, dass sie ihre Beschwerde notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen werden. Da das Gericht die Klagen jedoch in sieben getrennten Verfahren behandelt, gehen sie von erheblichen Kosten aus. Die Humanistische Union hat zur Unterstützung der Klage einen Spendenfond eingerichtet: Unter dem Stichwort „Klage Konkordatslehrstuhl“
(Konto 30 74 200, BLZ 100 205 00 – Bank für Sozialwirtschaft Berlin) ruft sie zu zweckgebundenen Spenden für die Finanzierung des Musterverfahrens auf. Das Verfahren wird neben der Humanistischen Union von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Giordano-Bruno-Stiftung und dem Bund für Geistesfreiheit unterstützt.

Informationen:
Iris Hilberth: Vatikan redet Unis rein. Frankfurter Rundschau vom 5.6.2008, http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=1345575&
Christine Burtscheidt & Martin Thurau: Professor von Bischofs Gnaden. Interview mit Alexander von Pechmann. Süddeutsche Zeitung vom 11.6.2008, http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/76/179525/
Nico Hartmann: Professoren von Bischofs Gnaden. In Bayern redet die katholische Kirche bei der Besetzung von nicht-theologischen Lehrstühlen mit. Neues Deutschland vom 22.8.2008, http://www.neues-deutschland.de/artikel/134202.professoren-von-bischofs-gnaden.html
Übersicht der Laizisten zu Konkordatslehrstühle an dt. Universitäten: www.laizisten.de/index.php?option=com_content& task=view&id= 99
Konrad Lotter, Konkordatslehrstühle in Bayern. Widerspruch, Heft 45, 2007, S. 55

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