Rede der Preisträgerin Christiane Ernst-Zettl*

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12.06.2008

Rede der Preis­trä­gerin Christiane Ernst-­Zettl*

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Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich mit Worten des Dankes beginnen:

Ihnen sehr geehrter Herr Professor Dr. Hering danke ich für die freundliche, warme und persönliche Begrüßung.

Der Humanistischen Union danke ich für die Entscheidung, mich mit dem Preis „Aufrechter Gang“ auszuzeichnen.

Dir lieber Florian Pfaff, danke ich für die Worte, die in gewohnter Weise an Deutlichkeit sicher nicht zu übertreffen und gelegentlich auch zu überwinden sind.

Ihnen sehr geehrter Herr Wolfgang Killinger danke ich für Ihre unendlichen Mühen in Vorbereitung und Gestaltung dieses Anlasses.

Ich möchte mich auch bei den Menschen, Organisationen und Vereinigungen bedanken, die mir bei meinem Anliegen, zur Seite stehen, mich unterstützen und begleiten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Auszeichnung mit dem Preis „Aufrechter Gang“ erfüllt mich mit großer Freude und zugleich empfinde ich sie auch als eine persönliche Verpflichtung. Denn einen Preis entgegenzunehmen bedeutet für mich auch Verantwortung zu tragen.

Als ich erfuhr, dass die Humanistische Union mich für den Preis „Aufrechter Gang“ ausgewählt hat, war ich doch sehr überrascht. Auch bin ich nachdenklich geworden. Die Humanistische Union hat wiederholt als Preisträger einen Staatsdiener ausgewählt. Staatsdiener – ob mit oder ohne Uniform – sind nun einmal nicht unabhängig sondern weisungsgebunden. In meiner Berufung – als Soldatin der Bundeswehr – gilt das Prinzip: Befehl mit dem Anspruch auf Gehorsam (gem. § 2 Nr. 2 Wehrstrafgesetz). Allerdings ist ein Befehl nur dann rechtmäßig, wenn er zu einem dienstlichen Zweck unter Beachtung der Gesetze, der Dienstvorschriften und der Regeln des Völkerrechts erteilt wird. So schreibt es das Soldatengesetz gem. § 10 Abs. 4 vor. Als Soldatin der Bundeswehr bin ich also verpflichtet, den Befehlen meiner Vorgesetzten Gehorsam zu leisten und in meinem Tun und Handeln an das Recht und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gebunden.

Für mich ist diese Verpflichtung, die ich im Oktober 1991 eingegangen bin, kein leeres Lippenbekenntnis, sondern es bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Zu meinem Selbstverständnis gehört auch, dass ich keinen „blinden Gehorsam“ leiste und das ich für die Einhaltung der Gesetze, des Völkerrechts, der Menschenrechte und der Dienstvorschriften auch und besonders in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr Sorge trage. Ja, es ist genau diese Verantwortung, zu der wir uns verpflichtet haben, nämlich aus dem Erbe unserer deutschen Geschichte – des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges – in dem Deutschland den Menschen unendliches Leid zugefügt und über die Welt gebracht hat.

Es ist also nichts ungewöhnliches was ich tue. Ich tue es gern und wenn es sein muss, fordere ich diese Verpflichtung ein. Und dazu bedarf es nur zweier Dinge: sein Gewissen wahrzunehmen und Mut.

Die Sorge und das Bemühen um die Einhaltung des Völkerrechts wurde für mich als deutsche Staatsbürgerin und Sanitätsfeldwebel der Bundeswehr in Afghanistan beschämende Realität.
Die Auffassung des Bundesverteidigungsministeriums, dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr wegen ihres Charakters als „Friedens- und Stabilisierungseinsätze“ von Regeln der Genfer Konventionen befreit seinen, kann nicht akzeptabel sein. Sie widerspricht zutiefst den Grundideen des Völkerrechts. Nämlich, dass humanitäre Grundsätze universal und in jedem Konfliktfall gelten müssen. Gerade bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in asymmetrischen Konflikten und in Situationen, wo es ohnehin schwierig ist, völkerrechtliche Prinzipien zur Geltung zu bringen, sollte der Nichtkombattantenstatus von Sanitäts- und Seelsorgepersonal uneingeschränkt deutlich gemacht werden.

Zitat: „Soldaten der Bundeswehr beachten die Regeln des humanitären Völkerrechts bei militärischen Operationen in allen Arten bewaffneter Konflikte.“ Dazu war auch ich verpflichtet worden. Es geht also um ein unverrückbares Gebot. Nun mag mach einer unter uns meinen, dass dies doch selbstverständlich sei. Immerhin genießt Deutschland nicht nur einen langjährigen Ruf als völkerrechtsfreundliches Land sondern ist auch humanitär-völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen, wie eben beispielsweise in allen vier Genfer Konventionen von 1949 und deren Zusatzprotokolle. Auch sind die Soldaten der Bundeswehr auf den Grundlagen des Soldatengesetz und bekannter Dienstvorschrift (ZDv 15/2) zur Einhaltung humanitär-völkerrechtlicher Grundsätze verpflichtet. Wenn solche Verpflichtungen allerdings nur auf dem Papier gelten und nun vom Bundesverteidigungsministerium – quasi mit einem Federstrich – aufgehoben werden, kann dies fatale Folgen besonders für die Opfer bewaffneter Konflikte und die Zivilisten nach sich ziehen. Und es ist in der Tat eine ungeheuerliche und erschreckende Vorstellung, dass Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr – nach den Vorkommnissen in Afghanistan – jetzt nur noch; Zitat: „Soweit praktisch möglich…“ die Regeln des humanitären Völkerrechts bei militärischen Operationen in allen Arten bewaffneter Konflikte beachten**. 

Sie sehen also, es gibt noch viel zu tun. Ich werde mein Bestes tun.

Mit einem Zitat aus dem Werk vom „Mann in Weiß“ wie er einst auf dem Schlachtfeld von Solferino 1859 genannte wurde, möchte ich abschließend auch an die Wurzeln meines Auftrages im Sanitätsdienst der Bundeswehr erinnern. Ihm [Henry Dunant], der überzeugt von der Idee vom Roten Kreuz und Wegbereiter des humanitären Gedanken war, verdanke auch ich als Sanitätsfeldwebel der Bundeswehr, unseren humanitären Auftrag und den dafür nötigen besonderen Schutz des humanitären Völkerrechts. Auch heute – im Jahr 2008 – sind die von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Genfer Abkommen von 1949 gültig.

Zitat: “ … denn alle können auf die eine oder andere Weise, jeder in seinem Kreise und seiner Kraft gemäß, irgend etwas zu diesem guten Werke beitragen.“

Vielen Dank.

Christiane Ernst-Zettl

* Christiane Ernst-Zettl ist Hauptfeldwebel der Bundeswehr. Sie ist Vorstandsmitglied des Arbeitskreises DARMSTÄDTER  SIGNAL. Christiane Ernst-Zettl vertritt in diesem Beitrag ihre persönliche Auffassung.

** Gerd Hankel, Die Politik der Taschenkarte – Mittelweg 36 2/ 2008 / Bundesministerium der Verteidigung, R II 3, Druckschrift, Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten – Grundsätze -, DSK SF 009320187

 

Weitere Informationen:

Begrüßung

Festakt

Laudatio für Christiane Ernst-Zettl

Ankündigung und Begründung

 

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