75 Jahre Hiroshima und Nagasaki
Humanistische Union fordert Ausstieg Deutschlands aus nuklearer Teilhabe. Rüstungskontrolle und Abrüstung statt Modernisierung von Atomwaffen
Am 6. August 1945 explodierte um 8:16 Uhr in 600 Metern Höhe über der Innenstadt von Hiroshima die Uranbombe „Little Boy“, abgeworfen vom amerikanischen B-29-Bomber Enola Gay. Ihre Sprengkraft: 13.000 Tonnen TNT. Die Bombe tötete etwa 70.000 Menschen sofort, weitere 70.000 Menschen starben bis Jahresende 1945 an Verbrennungen und Verstrahlungen. Drei Tage später zerstörte eine zweite Bombe Nagasaki. Die Anhäufung Tausender Atomwaffen seitdem reicht in ihrer Zerstörungskraft aus, um alles menschliche Leben auf dem Planeten zu vernichten. Auch wenn das „Gleichgewicht des Schreckens“ zu einer wenn auch sehr fragilen Stabilität im Kalten Krieg und danach geführt hat – es ist nicht gelungen, die atomaren Großmächte zur atomaren Abrüstung zu bringen.
Nukleare Teilhabe Deutschlands nicht länger zu verantworten
Die vor allem von Militärs in den USA geführte Diskussion über die Miniaturisierung von Atomwaffen und deren Einsatz lässt die Führung von begrenzten atomaren Kriegen als Option realistisch erscheinen. US-Präsident Trump hat bei Amtsantritt eine entsprechende sicherheitspolitische Doktrin unterzeichnet. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere nukleare Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland an der atomaren Abschreckungsstrategie der NATO aus völkerrechtlichen und ethischen Gründen nicht zu verantworten. „Deutsche Pilotinnen und Piloten sollten nicht länger verpflichtet sein, im Krisenfall mit den rund 45 deutschen Tornado-Jets diese Massenvernichtungswaffen in ihre Ziele in Europa zu tragen“, erklärte der Vorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin. „Wenn Atomwaffen nicht mehr als Waffen im Rahmen von Abschreckung verstanden werden, was ohnehin höchst problematisch ist, sondern als Mittel zur Kriegführung, dann ist das grundgesetzwidrig.“
Die Humanistische Union als älteste deutsche Bürgerrechtsorganisation setzt sich seit fast 60 Jahren für den Schutz der Grundrechte und das Grundgesetz ein. Dazu gehört u.a. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 GG ebenso wie die Völkerrechtsbindung Deutschlands aus Art. 25 GG und die Friedenssicherung in Art. 26 GG mit dem Verbot des Angriffskriegs.
Mitsprache Deutschlands bei US-Nuklear-Entscheidungen realistisch?
Der Ausstieg Deutschlands aus der nuklearen Teilhabe hätte den Abzug der rund 20 in Deutschland (Büchel, Rheinland-Pfalz) stationierten US-Atombomben zur Folge, ohne dass deswegen zwangsläufig die NATO in Frage gestellt würde. Die Befürworter der nuklearen Teilhabe führen bis heute ins Feld, dass nur so eine echte Mitsprache der Bundesregierung in der atomaren Sicherheitspolitik der USA möglich sei. Deren Vorhandensein darf allerdings bezweifelt werden angesichts der US-Diskussion um die Führbarkeit atomarer Kriege durch miniaturisierte Atomwaffen als Teil der US-Nuklear-Doktrin.
Im Atomwaffensperrvertrag aus dem Jahr 1970 verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind, auf den Erwerb dieser Waffen. Die fünf offiziellen Atommächte haben sich im Gegenzug „zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ verpflichtet. Seit der im August 2019 erfolgten Aufkündigung des INF-Vertrages von 1987 über die Vernichtung von landgestützten Mittelstreckenraketen in Europa mit Reichweiten von 500 bis 5500 km und der drohenden Nichtverlängerung des im Februar 2021 auslaufenden New-START-Vertrages über die Reduzierung strategischer Atomraketen steht es schlecht um die Rüstungskontrolle und den Abbau von Atomwaffen.
Im Gegenteil: Derzeit wird die Modernisierung der atomaren Arsenale und der Trägersysteme vor allem von Russland, den USA und China vorangetrieben. Auch plant die Bundesregierung als Ersatz für die veralteten Tornado-Jets die Anschaffung von 45 F-18-Kampfjets des US-Herstellers Boeing sowie 93 Eurofighter von Airbus.
Die Humanistische Union unterstützt die Protestaktionen am Standort Büchel gegen den Verbleib der US-Atomwaffen und fordert:
- den Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe Deutschlands im Rahmen der Nuklear-Strategie der NATO, entsprechend den Verzicht auf die Anschaffung moderner Trägersysteme, für die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer derzeit mit den USA verhandelt;
- die Bundesregierung auf, sich intensiv für die Verlängerung des New-START-Vertrages über Februar 2021 hinaus einzusetzen;
- den Deutschen Bundestag auf, weitere Initiativen zur multilateralen Rüstungskontrolle zu ergreifen;
- die Bundesregierung auf, den Atomwaffenverbotsvertrag von 2017, der nach Ratifizierung von 50 Staaten (bisher 40 Staaten) in Kraft treten würde, mitzuunterzeichnen. Über 80 Staaten haben ihre Unterschrift bereits geleistet. Er verbietet u.a. die Herstellung und Übernahme von Atomwaffen.
„Das Verbot von biologischen und chemischen Waffen sowie die Ächtung von Kleinwaffen sind nach schwierigsten Verhandlungen doch auch gelungen“, erklärte Stefan Hügel vom Bundesvorstand der Humanistischen Union. „Gleiches bedarf des politischen Willens der Staatengemeinschaft bei der gefährlichsten aller Waffen: der Atombombe“, so Hügel weiter.