Pressemeldungen / Rechtspolitik

Gen-Ana­lyse: Rechts­s­taat­li­ches Verfahren nicht gewähr­leistet

05. April 2000

HU fordert Abschaffung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes

Am 24. Juni 1998 hat der Deutsche Bundestag das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz (DNA-IFG) beschlossen. In ihm ist – unter anderem – bestimmt, dass Personen, die in der Vergangenheit wegen einer Straftat verurteilt worden sind, einer DNA-Identitätsfeststellung unterworfen werden können. Dazu gehören die Entnahme von Körperzellen, eine Laboruntersuchung zwecks Herstellung eines DNA-Identifizierungsmusters und die Speicherung dieses Musters beim Bundeskriminalamt, so dass es jederzeit mit anderen Mustern verglichen werden kann.

Nunmehr hat sich die Humanistische Union (HU) mit einem Schreiben an Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und Bundesinnenminister Otto Schily gewandt, um sowohl Mängel in der Gesetzesformulierung als auch in ihrer praktischen Anwendung aufzuzeigen. In diesem Brief kritisiert die HU, dass das Gesetz trotz einschneidender Eingriffe in Grundrechte mit großer Eile beraten und verabschiedet wurde: Zwischen der 1. Lesung des Fraktionsentwurfs von CDU/CSU und FDP (28.5.1998) und dem Gesetzesbeschluss (24.6.1998) lagen nicht einmal vier Wochen.

Nach dem Gesetz kann jeder zur DNA-Identitätsfeststellung aufgefordert werden, der wegen einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ verurteilt worden ist und noch im Bundeszentralregister eingetragen steht, sofern zukünftige Straftaten zu erwarten sind. Für problematisch hält die HU, dass mit entsprechender Begründung fast jede Straftat als „erheblich“ bewertet werden kann. In der praktischen Anwendung hat sich zudem herausgestellt, dass die vom Gesetz geforderte Gefahrprognose oft dadurch umgangen wird, dass schon die vorherige Verurteilung als Hinweis auf eine Wiederholungsgefahr gewertet wird. Aber selbst eine sorgfältig erarbeitete Prognose wäre wegen der angewandten Kriterien immer anzweifelbar. Im Ergebnis läuft das Verfahren der DNA-Identitätsfeststellung darauf hinaus, dass jeder im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilte damit rechnen muss, zur Untersuchung gezwungen zu werden. Damit werden diese Menschen zu „notorischen Verbrechern“ abgestempelt; ihre Veränderungsfähigkeit wird in Zweifel gezogen, was die Betroffenen seelisch zerstören kann.

Zudem ist die Herstellung eines DNA-Identifizierungsmusters ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Menschen, insbesondere in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch ist zu befürchten, dass im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts aus den gewonnenen Gen-Daten weitere Persönlichkeitsmerkmale über die bloße Feststellung der Identität hinaus entschlüsselt werden können. Aus bürgerrechtlicher Sicht sind Gen-Analysen daher mit großer Skepsis zu betrachten. Die Humanistische Union fordert deshalb, den eingeschlagenen Weg zu verlassen und die bisher gewonnenen DNA-Muster zu vernichten.

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