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Humanis­ti­sche Union fordert: Keine Straf­frei­heit für V-Leute und Verdeckte Ermittler im neuen Verfas­sungs­schutz­ge­setz / Geheim­diens­tre­form muss ausgesetzt werden

03. Juli 2015

Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, die umstrittene Geheimdienstreform zu stoppen, zumindest aber die Straffreiheit für V-Leute und Verdeckte Ermittler aus dem Entwurf des neuen Verfassungsschutzgesetzes zu streichen.

Wenn die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Verbrechen absehen kann und Behördenleiter des Geheimdienstes straffällig gewordene V-Leute weiter beschäftigen dürfen, dann stärkt dies die unkontrollierbare Macht der Geheimdienste und ist mit dem Prinzip des Rechtsstaats unvereinbar“, erklärte der Vorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin.

Das neue Verfassungsschutzgesetz wird von Regierungsseite als Konsequenz aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden in der mutmaßlichen NSU-Mordserie verkauft. Tatsächlich aber werden mit dem Gesetz die Befugnisse der Behörde erweitert, der Geheimdienst mit noch mehr Personal ausgestattet und die Kontrolldefizite am Ende noch vergrößert – und das bei einer Behörde, deren offenkundiges Versagen und deren Verwicklung in die NSU-Mordserie von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen wiederholt bestätigt wurde.

Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz wird der Einsatz krimineller V-Leute durch den Geheimdienst legalisiert. Solange die V-Leute nicht Mord und Totschlag begehen, können Sie mit Duldung der Behördenleitung weiter für den Verfassungsschutz eingesetzt und vor einer Strafverfolgung geschützt werden. „Was bisher illegale Praxis des Geheimdienstes war, wird nunmehr legalisiert“, so Koep-Kerstin. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz auch in Zukunft nicht verpflichtet, ihm bekannt werdende Straftaten der Polizei zu melden. Der Geheimdienst darf weiterhin selbst schwerste Straftaten – wie die NSU-Mordserie – vertuschen, nur um seine „Quellen“ zu schützen. Das ist ein offener Schlag ins Gesicht aller NSU-Opfer und ihrer Familien.

Die Parlamentarische Kontrollkommission des Deutschen Bundestages hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die bisherige Einsatzpraxis der V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern untersucht. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung werden für das Jahresende erwartet.  Ohne die Ergebnisse dieser parlamentarischen Untersuchung abzuwarten wird dieses Gesetz ohne Not noch vor der Sommerpause durchgepeitscht. „Dies ist Ausdruck mangelnden Respekts der Exekutive gegenüber dem Gesetzgeber. Eine Entgrenzung der V-Leute-Praxis zu verabschieden, ohne auf die Ergebnisse der parlamentarischen Kontrolleure zu warten, ist ein Affront gegen die Geheimdienstkontrolle“, erklärte Prof. Martin Kutscha, HU-Vorstandsmitglied und Verfassungsrechtler. Die Humanistische Union fordert dementsprechend eine Aussetzung der Verfassungsschutzreform zum jetzigen Zeitpunkt.

Nicht nur die kritischen Stellungnahmen der Humanistischen Union und zahlreicher Sachverständiger, auch die schweren Bedenken der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff wurden in den Beratungen des Innenausschusses kaum beachtet, sie wurde nicht einmal zur Anhörung des Ausschusses eingeladen. In einer 11-seitigen Stellungnahme hatte sie davor gewarnt, „den Verfassungsschutz zu einer ‚Big Data’-Behörde mit grenzenlosen Befugnissen zu machen“. Mit dem Entwurf des neuen Gesetzes seien „die Barrieren für einen umfassenden fast voraussetzungslosen und verfassungswidrigen Datenfluss gefallen“, schrieb Voßhoff.

Mit dem neuen Gesetz werden auch die Befugnisse zur geheimdienstlichen Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst erweitert. Das ist nach Ansicht der Humanistischen Union das falsche Signal, nachdem der NSA-Untersuchungsausschuss zahlreiche Rechtslücken und offene Rechtsbrüche bei der geheimdienstlichen Kommunikationsüberwachung zutage gefördert hat. „Statt vorschneller Befugnis-Erweiterung für den BND wäre jetzt erst einmal der Gesetzgeber gefordert, Versäumnisse zu korrigieren, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und den staatlichen Schutzauftrag für sichere Kommunikationsbedingungen in Deutschland ernst zu nehmen“, so der Vorsitzende der HU, Werner Koep-Kerstin. Auch dies spreche für eine Aussetzung der Geheimdienstreform zum jetzigen Zeitpunkt.

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