Pressemeldungen

Humanis­ti­sche Union gegen baden-würt­tem­ber­gi­schen Sonderweg zur Einschrän­kung des Post- und Fernmel­de­ge­heim­nisses

11. Januar 2002

Stellungnahme zur geplanten Änderung des baden-württembergischen Polizeigesetzes

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Schäuble hat Ende Dezember die Öffentlichkeit darüber informiert, dass er das baden-württembergische Polizeigesetz ändern und der Polizei die Möglichkeit geben will, außerhalb von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Telefone abzuhören und Post zu öffnen. Hiermit soll eine vorbeugende Bürgerüberwachung ermöglicht werden. Die älteste deutsche Bürgerrechtsorganisation HUMANISTISCHE UNION, wendet sich mit ausführlich dokumentierten Bedenken an den Minister mit der Aufforderung, von diesem Vorhaben abzusehen.

Einschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 Grundgesetz im Strafverfahren sind in der Strafprozessordnung bundeseinheitlich geregelt; hiervon kann kein Land abweichen. Darüber hinaus regelt das G 10-Gesetz die Befugnisse des Verfassungsschutzes zu Eingriffen in das Post- und Fernmeldegeheimnis. Ergeben sich dabei Erkenntnisse über bevor-stehende Straftaten, dürfen diese auch nach heutiger Rechtslage bereits zur Verhinderung von Straftaten an die Polizeiinstanzen weitergegeben werden. Es gibt somit kein Bedürfnis für weitere Eingriffe der Polizeibehörden nach Polizeirecht in das Grundrecht des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Dass Innenminister Schäuble die Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis einer richterlichen Kontrolle unterwerfen will, ist Augenwischerei: Während in einem Strafverfahren der Richter nach der Strafprozessordnung überprüfen muss und kann, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, ist dies bei einer präventiven Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden – wo es eben gerade keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat gibt – nicht möglich. Das Vorhaben von Innenminister Schäuble hebelt die im Bund und allen Ländern geltende Aufteilung aus, wonach die Polizei zuständig ist für Prävention und Strafverfolgung, der Verfassungsschutz darüber hinaus für den Bereich der Vorfeldaufklärung, Statt zwei konkurrierende Apparate, die dem Innenminister unterstellt sind, zur Zusammenarbeit zu zwingen, schafft er Doppelkompetenzen und Doppelarbeit und stellt mit diesem Sonderweg die bisherigen Arbeitsteilung in der Bundesrepublik in Frage.

Der Terrorismus muss bekämpft werden – aber nicht durch eine totale unkontrollierte Bürgerkontrolle mit weitgehender Abschaffung von Grundrechten.

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