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Stellung­nahmen zum Antrag auf Satzungs­än­de­rung

Mitteilungen19810/2008Seite 12

Aus: Mitteilungen Nr. 202 S. 24/25

Basisdemokratie passt zur HU
Für die Einführung einer Mitgliederversammlung (MV) anstelle der Delegiertenkonferenz (DK) spricht der basisdemokratische Charakter der MV. Die Humanistische Union sollte sich auch hier klar von den politischen Parteien unterscheiden, denn bei denen ist das politische Instrument der DK zur Abkopplung der Basis von den (gesteuerten) Entscheidungen der Parteispitzen bewusst gewollt. Die HU ist (leider) noch klein genug, dieses basisdemokratische Instrument ohne größere Reibungsverluste zu leben. Daher stimme ich klar für die notwendige Satzungsänderung, die einer Einführung vorausgehen muss.

Ulrich Seiferheld

Alternativen der überregionalen Zusammenarbeit
Ein Argument gegen die Mitgliederversammlung anstelle einer Delegiertenversammlung möchte ich entkräften und einen neuen Vorschlag in die Diskussion einbringen: Es wird von Kritikern gesagt, die Mitgliederversammlung würde geographische Unterschiede bei Abstimmungen hervorrufen, da nur die Mitglieder in räumlicher Nähe über die Möglichkeit verfügen, daran teilzunehmen. Das Problem ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn es mich nicht davon überzeugt, an die Stelle der unmittelbaren Wahl eine mittelbare Wahl per Delegierten einzuführen.
Es gibt jedoch eine Alternative dazu: Man könnte in jedem Regionalverband über alle Anträge abstimmen. Die Mitgliederversammlung wird also (zeitgleich) an mehreren Orten durchgeführt, z.B. Berlin, Hamburg, München, … , so dass im Endeffekt alle Mitglieder unmittelbar an der Wahl teilnehmen können. Die Ergebnisse der einzelnen Wahlen werden dann an die Zentrale übermittelt und dort das Endergebnis festgestellt.
Was dabei jedoch entfällt, ist die Möglichkeit der mündlichen Aussprache über die einzelnen Anträge. Man könnte jedoch alle Anträge vorab im Internet veröffentlichen und dann Stellungnahmen dazu abgeben, die dann während der (Orts-)Versammlungen vorgelesen werden. An die Stelle der mündlichen Aussprache tritt folglich die schriftliche Stellungnahme. Somit wären die unterschiedlichen Standpunkte allen teilnehmenden Mitgliedern bekannt.

Alexander Bergmann

Verbandsorgane müssen dienstbar sein, nicht hinderlich
Der Verband befindet sich ja doch wohl in einem Umbruch, wenn nicht nur die Delegiertenkonferenz, sondern sogar der Name des Verbandes  zur  Diskussion steht. Wohl jeder Verband wird hin und wieder seine Satzung veränderten Anforderungen anpassen müssen. Wahrscheinlich hat sich der Verband ursprünglich eine größere Breitenwirkung erhofft und hatte sie zunächst wohl auch. Zumindest hatte er mal mehr Mitglieder als heute, obwohl die Anzahl wieder zunimmt. Die seinerzeitigen Erwartungen mögen auch der Einrichtung von Delegiertenkonferenzen einen vernünftigen Sinn gegeben haben. Zwar ist die Verbandsmitgliederzahl zurückgegangen. Es sind aber zwischenzeitlich zahlreiche andere Bürgerrechtsvereinigungen entstanden. Es ist letztlich unerheblich, durch welche Organe ein Verband handelt, dessen Zweck die Festigung einer freiheitlich-demokratischen Ordnung ist.  Der Verwirklichung dieses Zwecks müssen seine Organe dienstbar sein, nicht hinderlich. Wenn die Delegiertenkonferenzen der Humanistischen Union seit Jahren keine satzungsändernden Mehrheiten mehr erreichen, dann sollten sie zweckmäßigerweise durch Mitgliederversammlungen ersetzt werden.

Wolfgang Zipper

Mitgliederversammlungen als „Rückschritt in die HU-Steinzeit“
Ich plädiere für die Beibehaltung des Delegiertensystems in der HU und damit gegen die Beschlussfassung durch Bundesmitgliederversammlungen. Die Rückkehr zur Beschlussfassung durch Mitgliederversammlungen wäre ein Rückschritt in die HU-Steinzeit!
Wir begannen ja in den 60er und 70er Jahren ähnlich den Schweizern im Kanton Appenzell und mussten durch die damals üblichen Mitgliederversammlungen erleben, dass diejenigen Mitglieder, die nahe dem jeweiligen HU-Tagungsort wohnten, privilegiert waren: Sie konnten leicht, ohne Reiseaufwand, Mitglieder aus der Nähe des Tagungsortes für bestimmte Themen und Wahlen mobilisieren.
Aus Unzufriedenheit mit dem System der  Beschlussfassung und der Wahlen via Mitgliederversammlungen haben wir in mühevoller Überzeugungsarbeit das Delegiertensystem eingeführt, das einige jetzt unüberlegt abschaffen wollen. „Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln!“ Satzungsdiskussionen sind in allen Organisationen qualvoll. Wir sollten diese Debatte schleunigst beenden.
Das Delegiertensystem hat sich bewährt, auch als Instrument zur Wahl von Vorständen. Bitte glauben Sie einem alten Mitglied aus der HU-Gründungszeit! Die Willensbildung und die Wahl von Vorständen vollziehen sich mit einem Delegiertensystem demokratischer und föderalistischer, wenn nämlich Delegierte  analog zur Mitgliederzahl in den 16 Bundesländern gewählt werden.
Fazit: Nicht zurück zu chaotischen, von geografischen Zufällen bestimmten Mitgliederversammlungen, sondern weiter voran mit ausgewogenen Delegiertenkonferenzen!

Klaus Scheunemann,
Gründungsmitglied und Mitglied des Beirats der HU

Verlust repräsentativer Entscheidungen und Möglichkeiten der Manipulation
Der Plan, die Bundesdelegiertenkonferenz durch eine Mitgliederversammlung zu ersetzen, scheint auf den ersten Blick einiges für sich zu haben. Man erspart der HU die komplizierte Prozedur einer Aufstellung von Delegierten in den einzelnen regionalen Verbänden, die Geschäftsstelle, der die Organisation dieser Wahlen zufällt, wird in ihrer Arbeit entlastet, und obendrein hat nun jedes Mitglied die Möglichkeit, stimmberechtigt auf die Entscheidungen unserer Vereinigung Einfluss zu nehmen.
Auf den zweiten Blick scheinen mir allerdings die Nachteile einer solchen Regelung eindeutig zu überwiegen. Die Umwandlung der Delegiertenkonferenz in eine bloße Mitgliederversammlung würde dazu führen, dass Entscheidungen dieses Gremiums nun durchaus von zufälligen Mehrheiten, die eben nicht mehr als für den ganzen Verband als repräsentativ gelten können, beschlossen werden. Das würde Entscheidungen, die dort getroffen werden, auch in den Augen der Öffentlichkeit entwerten. Wir sollten das Prestige, das die HU als Bürgerrechtsorganisation genießt, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Obendrein liegt dann immer auch der Verdacht der Manipulation von Mehrheiten nahe. Das mag so in vielen Fällen ein unbegründeter Verdacht sein, aber er läßt sich wie immer nie ganz ausräumen und damit wird zugleich das Verhältnis zwischen Vorstand, der über Ort und Termin dieser Versammlung entschieden hat, und Mitgliedschaft belastet. Ein Vorstand, der einen bestimmten Beschluss herbeiführen will, und der über Strömungen und Meinungen in der Mitgliedschaft unterrichtet ist, könnte durchaus in Versuchung sein, seine Kenntnis dieser Tendenzen in der Mitgliedschaft bei der Wahl des Ortes auszunutzen. Mit einer Wahl von Delegierten durch die Mitgliedschaft ist der Vorstand vor einem derartigen Verdacht geschützt.
Des Weiteren liegt es auch nahe, dass eine Gruppe in der Mitgliedschaft, die einen bestimmten, ihr wichtig erscheinenden Beschluss durchsetzen möchten, zu einer Mitgliederversammlung gezielt „mobilisiert“. Das mag für das Anliegen dieser Gruppe kurzfristig als Vorteil erscheinen, auf längere Sicht dürfte es auch ihrem Anliegen eher schaden, weil ihm die Legitimität einer tatsächlich repräsentativen Entscheidung abgeht.
Die Wahl von Delegierten bringt im Übrigen für die in dieses Amt Gewählten eine gewisse Verpflichtung mit sich, dann auch zur Bundesdelegiertenkonferenz zu fahren. Außerdem wissen die Mitglieder, wen sie gewählt haben, und können von ihren Delegierten dann Auskunft über ihr Abstimmungsverhalten verlangen oder ihnen bestimmte Empfehlungen mitgeben. Durch das Institut der Delegiertenkonferenz ist im Übrigen ein direkter Einfluss des einfachen Mitgliedes auf die Delegiertenkonferenz nicht ausgeschlossen, da es dort in jedem Fall ein Rederecht hat.
Die Ersetzung der Bundesdelegiertenkonferenz durch eine bundesweite Mitgliederversammlung führt zu mehr Anonymität und zu größerer Beliebigkeit, nicht zu mehr Demokratie in unserer Vereinigung. Wir sollten an dem bewährten Modell der Bundesdelegiertenkonferenz, auf der jedes Mitglied sich zu Wort melden kann, auch für die Zukunft festhalten.

Theodor Ebert

Mitgliederversammlungen als Demokratieabbau
Die Humanistische Union ist eine demokratische Vereinigung. Mehr noch: Die Humanistische Union verteidigt die Einhaltung der Bürgerrechte und der Demokratie in unserem Land. Und nun will sie Abschied nehmen von einem Stück Demokratie in ihrer eigenen inneren Struktur!
Im Folgenden beziehe ich mich auf die Begründung zum Antrag 2 (s. Mitteilungen Nr. 198, S. 12 ff). Der zeitliche Aufwand alle zwei Jahre Wahlunterlagen zu verschicken und die eingegangenen Stimmen auszuzählen, kann so groß nicht sein im Verhältnis zu den anderen Leistungen der Geschäftsstelle. Wir sollten bei einer „angemessenen regionalen Repräsentation der Mitgliedschaft“ bleiben, auch wenn der jetzige Bundesvorstand eine gezielte massenhafte Einflussnahme auf eine umstrittene Entscheidung, wie in den 1960er Jahren geschehen, „heute nicht sehen kann“. Schon morgen könnte es aber wieder anders sein!
Wenn eine satzungsändernde Mehrheit bei weniger als 34 anwesenden Delegierten nicht erreichbar ist (und dies oft vorkommt), dann könnte man ja dahingehend die Satzung ändern, statt der seitenlangen angegebenen Änderungen (S. 12 ff). Das ist wohl allemal besser, als wenn – wie es der Antrag vorsieht – eine Versammlung von zufällig zusammengekommenen Mitgliedern, „unabhängig von der Anzahl“ beschlussfähig sein wird.
Gerne würde ich die auf der Delegiertenkonferenz schon vorgebrachten Argumente, nämlich: demokratische Aktivierung der Mitgliedschaft durch die Wahlen, Gefahr der lokalen Majorisierung durch Zufallsmehrheiten und die Gefahr der Ausgrenzung ärmerer Mitglieder, (s. Mitteilungen Nr. 199, S. 24) noch erläutern, aber das würde wohl zu lang. Wenn wir auf allen Gebieten von Anderen Demokratie einfordern, sollten wir selbst diese Demokratie beispielhaft vorleben!

Helgrid Hinze

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