5 x Contra? 5 x Pro!
Für die Wiedereinführung der HU-Mitgliederversammlung. Aus: Mitteilungen Nr. 202 S. 23/24
1. Zufallsmehrheiten/lokale Majorisierung?
Besonders von älteren Mitgliedern mit 60er-Jahre-Kampferfahrung wird die Gefahr einer plötzlichen Mobilisierung verzerrender Mehrheiten erinnert und beschworen. Das ist in der Tat nie vollkommen auszuschließen; hat aber doch in der HU-Gegenwart und jüngeren Vergangenheit keinen Realitätsgehalt: Welche Regionalgliederung wäre denn in der Lage, mehr als 10-12 Mitglieder in Gang zu setzen (und dann noch gleichlautend argumentieren zu lassen)?
2. Ausgrenzung ärmerer Mitglieder?
Vielen Mitgliedern ist die Teilnahme durch Reise- und Übernachtungskosten erschwert so ein Wochenende in einer Großstadt kann auch bei bescheidenen Ansprüchen leicht 200 kosten. Dieses Problem haben wir in bürgerlicher Borniertheit vielleicht etwas zu naiv-nonchalant behandelt, indem Zuschüsse zwar angeboten wurden, aber die Hemmung übersehen wurde, so etwas anzunehmen. Dagegen sollte man etwas tun, z.B. indem wir einen unbürokratischen und pauschalierten Zuschuss für die ersten 25 Mitglieder, die sich anmelden und ihn wollen, festschreiben.
3. Verzicht auf Aktivierung und Beteiligung?
Die Aufforderung zur Kandidatur kann eine erinnernd-aktivierende Wirkung haben. Sie kann aber auch abschreckend wirken, weil man damit quasi schon eine Verpflichtung übernimmt, für sein Bundesland teilzunehmen. Die minimale Beteiligung durch den Wahlakt ist in der Tat für viele Mitglieder eine der seltenen Chancen, in das HU-Geschehen einzugreifen und sich beteiligt zu fühlen. Leider war das aber in den letzten 20 Jahren eine lediglich symbolische Beteiligung, weil es in den meisten Fällen misslang und misslingt, mehr Kandidat/innen als Delegiertenplätze zu finden.
4. Zu viel Unverbindlichkeit der Teilnahme?
Steht der Bundesvorstand dann plötzlich ganz allein auf der Mitgliederversammlung herum? Das ist wenig wahrscheinlich, weil der harte Kern der DK- (und Verbandtags-!) Teilnehmer/innen seine Motivation nicht primär aus der Delegiertenwahl bezieht, sondern aus seinem Interesse an der Entwicklung der HU.
5. Organisatorische Probleme vor Ort?
Die Größe der Mitgliederversammlung ist langfristig etwas schlechter zu kalkulieren als bei den Delegiertenkonferenzen. Bei entsprechender Wahl des Orts ist aber eine Flexibilität zwischen den bislang gewohnten Größenordnungen (ca. 50 Personen) und einer etwas höheren Beteiligung, die wir ja erhoffen, planbar. Mit Anmeldefristen (die nie von allen eingehalten werden, ich weiß) lässt sich die Ungewissheit weiter reduzieren. Bei den Verbandstagen mit offener Teilnahme klappt das ja auch schon lange.
6. Motivierung von Mitgliedern, die nicht für andere sprechen wollen/können!
Bei der Ansprache von potentiellen Delegierten erlebe ich immer wieder, dass mir Mitglieder erklären: Für wen soll ich denn dort sprechen? Die Individualisierung hat auch in der HU zugeschlagen, und die wenigen lokal-regionalen Strukturen, die wir noch haben, reichen schon lange nicht mehr für die Herausbildung von stabilen Strömungen, Fraktionen, Meinungskernen. Einzelnen Mitglieder (und die Mehrzahl der in den letzten Jahren neu gewonnenen sind zunächst einmal nirgendwo vernetzt!), die sich zunächst nur in die Diskussion begeben und vielleicht dabei etwas bewegen wollen, würde daher eine Teilnahme an einer Mitgliederversammlung leichter fallen als die Delegiertenkandidatur.
7. Motivierung von Mitgliedern, die eine öffentliche Bewerbung (und die Selbstnominierung) scheuen!
Auch das vor einigen Jahren eingeführte vereinfachte Verfahren der Nominierung (Benennung auch durch Einzelmitglieder, Selbstnominierung erlaubt) lässt weiterhin Hürden bestehen und wenn es nur geschmacklich-psychologische sind: Wer möchte sich schon als wichtig“ für den Landesverband, als potenzielle/r Sprecher/in für irgendetwas benennen? Müsste man aus diesem Anlass nicht den anderen Mitgliedern, die eine(n) meistens gar nicht kennen (können), ein Programm und zwei, drei zentrale HU-Anliegen verkünden oder wenigstens ein politisch-biografisches Outing vollziehen? Nee, dann doch lieber nicht …
8. Wegfall monatelanger Terminfestlegung! (d.h. Offenheit für kurzfristiges Interesse)!
Wer beruflich (oder auch privat) viel unterwegs ist, Wochenendarbeit und Fortbildungen nicht scheut oder nicht vermeiden kann, wer familiäre Verpflichtungen oder Kinder hat, die auch mal krank werden, hat in der Regel Probleme, sich über Monate festzulegen auf den jeweiligen Termin der Delegiertenkonferenzen. Solche Lebenssituationen haben deutlich zugenommen. Die Chance der Teilnahme lässt sich meistens 3-4 Wochen vorher kommod klären dann ist es aber für die Delegiertenwahl zu spät! Auch deshalb winkt manche und mancher ab bei der Frage der Delegiertenkandidatur.
9. Einsparung von finanziellen und personellen Ressourcen!
Wenn die Bundesgeschäftsstelle, wie 2007 noch einmal betont, im Jahr einer Delegiertenkonferenz einen Monat ihrer Arbeitskraft in die Durchführung der Delegiertenwahlen stecken muss, ist das angesichts der geringen verbleibenden Vorteile dieses Verfahrens ein unerträglicher Luxus! Die Geldeinsparungen halten sich wohl in Grenzen besonders wenn man (siehe oben unter 2.) mit den Kostenzuschüssen etwas großzügiger wird. Aber wollen wir es uns angesichts der bescheidenen professionalisierten Kräfte wirklich leisten, ein Zwölftel davon in diesen bedeutungslosen Ritus zu investieren? Das finde ich bei der Vielzahl unserer politischen und organisatorischen Herausforderungen fahrlässig.
10. Mehr Mitsprache wagen!
Die Humanistische Union das ist ja das Schöne an ihr war immer ein bisschen skeptischer, weniger großsprecherisch als andere Bürgerrechtsvereinigungen, hat auch manchmal die repräsentative Parteiendemokratie verteidigt gegen utopistische Anwandlungen. Trotzdem: so „hyperrepräsentativ“, wie die HU sich mit dem jetzigen Wahlverfahren gibt, mutet es ein bisschen unglaubwürdig an, dass wir für mehr Demokratie in den staatlichen Wahlverfahren und die Dringlichkeit plebiszitärer Ergänzungen eintreten.