Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 197: Die rechte Gefahr

Globa­li­sierte Anti-Glo­ba­listen

Wie vernetzen sich Rechtsextremisten international und warum?

Aus: Vorgänge: (Heft 1/2012), S.60-67

I.

Die Kontextbedingungen in Zeiten der Globalisierung sind für Rechtsextremismus günstig. Dass die Globalisierung der Entstehung beziehungsweise Verbreitung von Rechtsextremismus Vorschub leistet, kann als gesichert gelten (vgl. Stöss 2004; Grumke 2006). Globalisierungsprozesse machen vielen Menschen schlicht Angst. „So wird die Angst vor scheinbar Unbewältigbarem transportiert in Angst vor etwas, das abzuwehren nicht völlig aussichtslos ist, in Angst vor Kriminalität, vor Asozialen, vor Minderheiten und dergleichen, oder es wird – was oft auf das Gleiche hinauskommt – der Bedrohung eine Struktur unterstellt” (Welzk 1998: 38). Die Prozesse und Zumutungen der Globalisierung wirken hierbei als Humus für den Rechtsextremismus national als auch international.

Als Beleg hierfür mag der Wahlerfolg der rechtsextremistischen Partei Jobbik in Ungarn als auch die Reaktion darauf gelten. In einer Grußbotschaft vom 11. April 2010 aus diesem Anlass schrieb der damalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt:

„Inhaltlich gibt es viel Übereinstimmung zwischen unseren Ländern und unseren beiden Parteien. […] Das ungarische Volk beginnt sich mit dem heutigen Tag gegen den Ausverkauf, gegen die Ausbeutung durch Globalisierung, gegen Imperialismus und den „American-Way-of- Life” mit der geplanten multikulturellen Verschmelzung mit Fremden wirksam zu wehren. […] Wir stehen an Eurer Seite! Für ein freies Ungarn, Deutschland und Europa!”

Hiermit sind die zentralen Themen der zeitgenössischen extremistischen Rechten und auch die zentrale ideologische Grundlage für deren internationale Kooperation genannt. Rechtsextremisten haben eine eigene Begriffs- und Gedankenwelt aufgebaut, die im Folgenden kurz dargestellt werden soll, um die Grundlage für das Verständnis der internationalen Vernetzung der Szene zu erhöhen.

II.

Globalisierung ist gleichermaßen über alle nationalen Grenzen hinweg ein zentrales Kampf- und Agitationsthema für Rechtsextremisten. Darüber hinaus werden mit der rechtsextremistischen Globalisierungskritik soziale und kulturelle Themen verquickt und wiederum ethnisiert. Der Gegenentwurf ist eine re-nationalisierte, völkische Ordnung – also nicht weniger als die Rekonstruktion einer ethnisch definierten Volksgemeinschaft.

An dieser Stelle sollen Begriffsdefinitionen aus dem „Kleinen Lexikon der politischen Grundbegriffe“[2] beispielhaft herangezogen werden. Unter dem Eintrag „Globalisierung” ist zu lesen: „Globalisierung ist das Bestreben des internationalen Kapitalismus, möglichst einheitliche, den Gewinn steigernde Rahmenbedingungen zur Heranschaffung von Arbeitskräften, Ausbeutung der Rohstoffe sowie zum monopolistischen Warenabsatz zu schaffen”. Diese Entwicklung habe „die Zerstörung eigenständiger regionaler und nationaler Lebens- und Wirtschaftsformen” bewirkt.[3] Der „Internationalismus” wird wiederum als „Gegenstück des Nationalismus” bezeichnet. Er sei der Versuch, „weltweit die Völker, ihre Wirtschaft und ihre überlieferten Lebensweisen zu beherrschen, umzuformen, und um des Gewinns willen auszubeuten” .[4] Globalisierung ist im rechtsextremistischen Verständnis also ein Herrschaftsinstrument derjenigen, die Nationen und deren Eigenständigkeit und Eigenarten im Namen des Profits einebnen und zerstören wollen. Eine erhebliche Gefahr geht hierbei vor allem von den USA aus, die als eine Art Globalisierungszentrale gesehen werden, denn: „Internationalismus und Globalisierung sowie der Imperialismus der ,westlichen Wertegemeinschaft‘ im Schlepptau der USA gefährden die Souveränität der Völker in hohem Maße“,[5]

Insofern ist von dem Prozess der Globalisierung aus rechtsextremistischer Sicht nicht allein die nationale Ökonomie, sondern – noch wichtiger – die nationale Kultur, Identität und Tradition auf das Ärgste bedroht. Gilt es doch für jede Generation, „sich auf das Neue mit der kulturellen Überlieferung ihres Volkes schöpferisch auseinander zu setzen” .[6] MTV, McDonalds und sonstiger von Jugendlichen konsumierter „US-amerikanischer Einheitsbrei fungieren in der rechtsextremistischen Gedankenwelt als Kultur zersetzende internationalistische Instrumente eines planvoll gesteuerten „Globalismus”. Dieser wiederum bildet das Gegenteil zu dem erwünschten Streben nach Autarkie. Im zeitgenössischen Rechtsextremismus spielt der Begriff „Globalismus” eine zentrale Rolle und steht vielfach im rechtsextremistischen Kontext für die Macht eines geschichts- und gesichtslosen Großkapitals, für „amerikanischen Kulturimperialismus” und für einen „multirassischen Genozid”, der „von Washington, Wall Street und Hollywood” angeblich angestrebt wird. Eine Art Monopolstellung liegt hiernach bei den USA, insbesondere bei deren Ostküste (als Synonym für eine jüdische Vorherrschaft).Mit der von dort initiierten „Überfremdungspolitik” solle Deutschland entscheidend geschwächt und mit dem ständigen Hinweis auf die Verbrechen der Vergangenheit de-moralisiert und entwürdigt werden. Begrifflich und inhaltlich ist hier zu unterscheiden zwischen dem Prozess der Globalisierung und dem „Globalismus”. In den vom Nationaldemokratischen Hochschulbund, dem Studentenverband der NPD, erstellten und in der rechtsextremistischen Bewegung weitläufig kursierenden „12 Thesen zum Globalismus“ wird der Unterschied herausgearbeitet: „Globalisierung ist der Prozeß, dessen sich die Globalisten zur Durchsetzung ihrer Ziele bedienen.” Im Einzelnen wird hier weiter ausgeführt: „Die von den Globalisten hervorgerufenen Migrationsströme führen ebenso wie die Uniformität der Märkte, ihrer Produkte und ihrer Kommunikation, zur Zerstörung gewachsener Sprachen und Kulturen.“[8]

Rechtsextremisten sehen also den Prozess der Globalisierung als willentlich gesteuerte Vernichtung von Kulturen, Traditionen und Werten (und letztlich von Nationen und Völkern) durch die oben beschriebenen mächtigen „Globalisten”. Im von Rechtsextremisten international verstandenen Code sind „Globalisten” auch „Ostküste”, ist der „Globalismus” auch „New World Order” (NWO), und sind die in diesen „Globalisierungsplan” verwickelten Regierungen und Eliten auch „Zionist Occupied Government” (ZOG). Hinter den Buchstaben ZOG verbirgt sich der Glaube an eine jüdische Weltverschwörung, bei der alle demokratischen Regierungen sowie Banken, Medien und vieles mehr insgeheim von Juden kontrolliert werden und die unter allen Umständen bekämpft werden muss. Und: gegen einen so mächtigen Feind kann nur gemeinsam gekämpft werden!

Ein weiteres Schreckensbild ist die „Eine Welt” (oder „New World Order“), die im „Kleinen Lexikon der politischen Grundbegriffe“[9] als „Wahnvorstellung” bezeichnet wird, „gespeist durch den Glauben an eine homogene ,Menschheit‘ ohne Bindungen und Überlieferungen”. In diesem Zusammenhang werden gleich zwei weitere Feindbestimmungen vorgenommen, die Vereinten Nationen und die Menschenrechte: „Werk-zeug des Imperialismus zur Schaffung der ,Einen Welt‘ sind die ,Vereinten Nationen‘. Die ideologische Leimrute zur weltweiten Durchsetzung der ,westlichen Werte‘ sind die ,Menschenrechte“.[10]

Der rechtsextremistischen Logik zufolge wird „im Namen der Menschenrechte das Individuum über ein bestimmtes Kollektiv gestellt, womit dessen als egoistisch geltende Interessen die angeblichen Interessen der ethnischen Gemeinschaft” überlagern (Pfahl-Traughber 2006: 41ff.). „Das Gebot der Stunde”, stellt Karl Richter, seit 2009 stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender und Mitglied im Rat der Stadt München, fest, „bleibt nachhaltiges und entschiedenes Opponieren gegen alles, was uns derzeit von den großen Brüdern angepriesen wird: Globalisierung, Menschenrechte, Multikulti, die Liberalisierung und Atomisierung aller Lebensbereiche” (Richter 2002: 1). Wer diese „Großen Brüder” sind, bleibt freilich offen. Wesentlich aufschlussreicher sind hier die Einlassungen in der NPD-Broschüre „Argumente für Kandidaten & Funktionsträger. Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung”, in der die Frage „Warum lehnt die NPD so entschieden die Globalisierung ab?” folgendermaßen beantwortet wird: „Es handelt sich bei der Globalisierung um das planetarische Ausgreifen der kapitalistischen Wirtschaftsweise unter der Führung des Großen Geldes. Dieses hat, obwohl seinem Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärisch beschirmten Standort vor allem an der Ostküste der USA.” (NPD 2006: 19). Und weiter in Horst-Mahler-Manier: „Die durch die modernen Kommunikationstechnologien und Massenmedien geförderte kulturelle Veramerikanisierung greift die organisch gewachsenen Identitäten der Völker an und arbeitet an einem konsumistisch abgerichteten Welteinheitsmenschen.” (Ebd.).

Globalisierung steht zusammenfassend im rechtsextremistischen Kontext wahrhai global für die Macht eines heimatlosen Großkapitals, für amerikanischen Kulturimpe rialismus und für einen „multirassischen Genozid” beziehungsweise ein „rassezerstö rendes Trümmerfeld”, das „von Washington, Wall Street und Hollywood angestrelwird”, wie es der Vorsitzende der „British National Party” (BNP), der Europaabgeord nete Nick Griffin, in einem Interview mit der Deutschen Stimme im Jahre 2002 formu lierte.[11]

III.

Im 21. Jahrhundert formiert sich ein transnationales Netzwerk von Rechtsextremister das von einer kollektiven Identität und einer international kompatiblen Ideologie getragen wird. Die kollektive Identität ist a) die eines Weißen im Sinne einer ethnischer Zu gehörigkeit und b) die eines dezidiert abendländischen Kulturkreises im Sinne eine Kulturzugehörigkeit. Die kompatiblen ideologischen Elemente sind die Re-Nationalisierung und Re-Ethnisiserung der Politik und die völkisch verfasste Gegnerschaft zur parlamentarisch demokratischen System (vgl. oben und ausführlicher: Grumke 2006).

Wenn der Rechtsextremismus mehr sein will als die Summe nationaler Sammelbe cken des Protests gegen sozialen Wandel, progressive Diskurse und Multikulturalitä wenn er seine fundamentalen Ziele auch wirklich politisch realisieren will, dann muss e auch global denken und handeln, dann muss er auch als transnationaler Akteur auftrf ten. Richard Stöss (2001: 2) stellt zutreffend fest: „Das Ausmaß der Vernetzung der nationalen Rechtsextremismen, die Frage insbesondere, ob es ihnen gelingt, die nationale und internationalen Gegensätze zu überwinden, kann als ein wichtiger Indikator für die Politikfähigkeit und damit für das Bedrohungspotenzial, das vom Rechtsextremismu ausgeht, angesehen werden.” Obwohl in den eigenen Ländern oft notorisch zerstritter kristallisiert sich zumindest auf ideologischer Ebene so etwas wie eine transnational extremistische Rechte, zugespitzt: eine Internationale der Nationalisten, heraus. Auf die  Folie gemeinsamer Feindidentifikation entwickelt sich eine engmaschiger werdend Infrastruktur mit regelmäßigen Veranstaltungen, festen Kommunikationsplattforme und einem regen Austausch von Waren und Ideen.

Der ideelle Grundstein für eine transnationale Kooperation von Rechtsextremiste ist gelegt. Unabhängig von den jeweils unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontex strukturen, Mobilisierungs- und Agitationsstärken der nationalen rechtsextremistische Szenen reicht die grenzüberschreitende Vernetzung der extremistischen Rechten scho seit vielen Jahren bis in das Europaparlament. Am 17. November 2004 besuchte der damalige NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt auf Einladung der Abgeordneten Alessanc ra Mussolini däs Europaparlament in Straßburg. Hier kam es dann auch zu weitere Treffen und informellen Gesprächen mit den Vorsitzenden des Front National, Jean Marie Le Pen, der Forza Nuova und der Lega Nord.12 In einer Presseerklärung zu diese Treffen traten zu den üblichen Leitmotiven auch die strikte Ablehnung eines Et Beitritts der Türkei und die Beschwörung einer internationalen Solidarität der Nationalisten:

„Im politischen Kampf gegen die Überfremdung, Globalisierung und der Eindämmung des amerikanischen Wirtschaftsimperialismus herrschte Übereinstimmung, wie in der Ablehnung eines Beitrittes der Türkei zur EU. Nach intensiven Gesprächen kam man zu der Übereinkunft, künftig in Europa besser und vor allem intensiver zusammen zuarbeiten. Die Abgeordnete Alessandra Mussolini sicherte dem Parteivorsitzenden der NPD ihre Unterstützung für nationale deutsche Anliegen im Europaparlament zu.[13]

Was damals noch die Ausnahme schien, ist heute die Regel. Es gehört seit Jahren zur Normalität, dass rechtsextremistische Stammtermine wie das „Rudolf-Hess-Gedenken”, der 1. Mai oder das Gedenken der Bombardierung Dresdens mit massiver internationaler Beteiligung stattfanden bzw. -finden. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit nehmen deutsche Rechtsextremisten an Veranstaltungen, Demonstrationen oder Konzerten von Gesinnungsgenossen im Ausland teil, wie z. B. am Franco-Gedenken in Madrid.

Heute sind alle Rechtsextremisten in westlichen Industrieländern mit nahezu identischen Herausforderungen konfrontiert. Der Feind ist nicht national sondern global organisiert. Dementsprechend orientieren sich mehr und mehr Rechtsextremisten hin zu einer transnationalen Vernetzung, um gegen die schier übermächtige (jüdische) Verschwörung anzukämpfen. Im Zuge dieser Entwicklung ist die Vernetzung engmaschiger geworden, haben sich Auslandskontakte intensiviert, haben sich die Kommunikationswege verbessert, herrschen ein permanenter Informationsaustausch und ein reger Veranstaltungstourismus.

Die Zahl international besuchter rechtsextremistischer Treffen, Veranstaltungen und Demonstrationen nimmt ständig zu. Auf diese Weise ergibt sich ein komplexes Geflecht aus Kooperationen, das an den in diesem Beitrag dargestellten Beispielen deutlich geworden ist. Die diesem Netzwerk zu Grunde liegende pan-arische Ideologie ist quasi ei-ne moderne anti-moderne Ideologie. Geleitet von den international bekannten „14 Words” des amerikanischen Rechtsterroristen David Lane („We must secure the existence of our people and a future for white children”) und der fundamentalen Gegnerschaft zu ZOG verfügen Rechtsextremisten über einen gemeinsamen, die Vergangenheit glorifizierenden und gleichsam zukunftsweisenden Feind- und Gegenmythos, der alle sonstigen ideologischen Differenzen überlagert. Transnational kooperierende Rechtsextremisten sind nicht schlicht Fahnen schwenkende Patrioten, sondern ausgesprochen systemkritische bzw. -feindliche fundamentale Gegner von Pluralismus, parlamentarischer Demokratie und allen ihren Vertretern. Dieser identitätsorientierte Widerstand ist eine Globalisierung des Hasses und in West- wie Osteuropa gleichermaßen ein Kampf um die Parlamente und die Zivilgesellschaft.

IV.

Die von Rechtsextremisten propagierte völkische Re-Nationalisierung und Re-Ethnisierung der Politik ist eine fundamentale Alternative sowohl zur dominanten neoliberalen Globalisierung als auch zur sozialökologisch abgefederten Version („Global Governance“) und muss entsprechend ernst genommen werden. Die zunehmende reflexive Moderne, d. h. der sich beschleunigende soziale und politische Wandel, leistet der Mobilisierung der extremistischen Rechten Vorschub.
Im 21. Jahrhundert ist eine Internationalisierung oder besser Transnationalisierung des Rechtsextremismus vor allem in einem ideologischen, aber auch in einem strukturellen Sinne, verstärkt zu beobachten. Es mag paradox erscheinen, doch der „Nationale Widerstand” muss nicht zwangsläufig vom eigenen Land aus geführt werden. Die rechtsextremistischen Anti-Globalisten „globalisieren” sich – und, um es noch komplexer zu machen: ein einigendes ideologisches Element ist dabei der Kampf gegen den „Globalismus”.
Die extremistische Rechte reagiert auf die Zumutungen des von ihr diagnostizierten „Globalismus”. Dabei wird „dem Trend zur Verflüssigung […] mit einer Rehomogenisierung des Identitären und einer Reaffirmation vermeintlicher Gewissheiten begegnet” (Scharenberg 2003: 663). „Globalismus” und die soziale Frage sind für Rechtsextremisten neue Kampagnen-, Kampf- und Propagandathemen geworden. Als Vollstrecker des Volkswillens, dem der Globalisierungsprozess zu schnell voranschreitet, sehen sich Rechtsextremisten allemal.

Festzuhalten ist abschließend:

  • Heute kann Rechtsextremismus als internationales, modernes und vielschichtiges Phänomen beschrieben werden (vgl. Minkenberg 1998; vgl. Greven/Grumke 2006);
  • Rechtsextremisten operieren heute von einer grundlegend anderen, sie begünstigenden gesellschaftlichen (multikulturelle Erlebnisgesellschaft, Globalisierung) und technologischen Basis (Internet, soziale Medien) als alle Rechtsextremisten vorher. Der transnationale Rechtsextremismus wäre ferner nicht denkbar ohne das Ende des Kalten Krieges und das Angleichen der politischen und der sozioökonomischen Lebenswelten weltweit.
  • Gegnerschaft zur Globalisierung und der Einsatz für – wie auch immer verstandene – soziale Gerechtigkeit ist per se weder links noch rechts beheimatet;
  •  Rechtsextremisten reagieren „auf die durch Globalisierung und Denationalisie-
    rung beschleunigte Enttraditionalisierung und ,Entgrenzung` des Identitären”(Scharenberg 2003: 662);
  • Rechtsextremisten sind keine Globalisierungskritiker, sondern Anti-Globalisten, ihr Ansatz ist nicht progressiv-demokratisch, sondern völkisch-extremistisch;
  • Das ideologische Arsenal von Volk und Nation wird von Rechtsextremisten um Kampfbegriffe wie Globalisierung, Kapitalismus, Imperialismus und Identität erweitert und so auch international kompatibel gemacht (vgl. Grumke 2006);
  •  Sowohl aufgrund ihrer internen strukturellen Voraussetzungen als auch einzelner externer Rahmenbedingungen – insbesondere einer „kulturellen Resonanz” bei Teilen der Bevölkerung (vgl. Grumke 2008: 488ff ) – ist zu erwarten, dass die rechtsextremistische Bewegung sich nicht einfach erschöpft oder durch äußere Repression völlig marginalisiert werden kann. Anders als vereinzelt 66 vorgänge Heft 1/2012, S. 60—67 Thomas Grumke: Globalisierte Anti-Globalisten 67
    mutet, handelt sich bei der rechtsextremistischen Bewegung in Deutschland nicht um eine „schmerzhafte Episode” (Ohlemacher 1994), sondern, wie schon in der weiter zurückliegenden Vergangenheit, um eine „normale Pathologie westlicher Industriegesellschaften” (Scheuch/Klingemann 1967: 12ff.)
  • Rechtsextremisten leben, wie übrigens alle Fundamentalisten, in einer hermetischen ideologischen Gegenwelt. Gesellschaftlich ist also die Frage: Wie kann die liberale Gesellschaft eine absolute Feinderklärung annehmen, ohne ihre eigenen freiheitlichen demokratischen Ideale zu verraten?

[1] „NPD freut sich über den Wahlerfolg der Jobbik-Partei”, Pressemitteilung der NPD vom 11.4.2010 auf: http://www.npd.de/html/714/artikel/detail/1228 (5.3.2012).
[2] Hier und im Folgenden: „Taschenkalender des Nationalen Widerstandes 2006”, hrg. vom Deutsche Stimme-Verlag, Riesa, ohne Seiten (siehe: http://www.ds-versand.de).
[3] Ebd., Eintrag „Globalisierung”.
[4] Ebd., Eintrag „Internationalismus”.
[5] Ebd., Eintrag „Souveränität”.
[6] Ebd., Eintrag „Kultur”.
[7] Ebd., Eintrag „Autarkie”.
[8] httpa/www.npd goettingen.de/Weltanschauung/12_Thesen_zum_Globalismus.html (5,3.2012).
[9] Hier und im Folgenden: „Taschenkalender des Nationalen Widerstandes 2006”, hrg. vom Deutsche Stimme-Verlag, Riesa, ohne Seiten (siehe: http://www.ds-versand.de).
[10] Ebd., Eintrag „Eine Welt”.
[11] „Freiheitsrechte der Völker zurückfordern. Interview mit Nick Griffin”, in: Deutsche Stimme, März 2002: 3.
[12] „NPD-Parteivorsitzender zu Gast bei Alessandra Mussolini in Straßburg”, Pressemeldung vom 21.11.2004 auf www.npd.de.
[13] Ebd.

Literatur

Deutsche Stimme-Verlag (Hg.) (2006): Taschenkalender des Nationalen Widerstandes 2006. Riesa. (siehe: http://www.ds-versand.de).
Greven, Thomas/Grumke, Thomas (Hg.) (2006): Globalisierter Rechtsextremismus? Die extremistische Rechte in der Ära der Globalisierung. Wiesbaden.
Grumke, Thomas (2006): Die transnationale Infrastruktur der extremistischen Rechten. In: Greven, Thomas/Grumke, Thomas (Hg.), Globalisierter Rechtsextremismus? Die extremistische Rechte in der Ära der Globalisierung. Wiesbaden. S.130–159.
Grumke, Thomas (2008): Die rechtsextremistische Bewegung. In: Roth, Roland/Rucht, Dieter (Hg.):
Die Sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch. Frankfurt/M.: S. 475—492.
Minkenberg, Michael (1998): Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland, Opladen.
NPD (2006): Argumente für Kandidaten & Funktionsträger. Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung. Berlin.
Ohlemacher, Thomas (1994): Schmerzhafte Episoden. Wider die Rede von einer rechten Bewegung im wiedervereinigten Deutschland. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen H. 4, Jg.7: 5.16—25.
Pfahl-Traughber, Armin (2006): Globalisierung als Agitationsthema des organisierten Rechtsextremismus in Deutschland. In; Greven, Thomas/Grumke, Thomas (Hg.): Globalisierter Rechtsextremismus? Die extremistische Rechte in der Ära der Globalisierung. Wiesbaden. S. 30—51.
Richter, Karl (2002): Der Chaoskanzler“. In: Opposition, H.1, Jg. 5: 1.
Scharenberg, Albert (2003): Plädoyer für eine Mehrebenenanalyse des Rechtsextremismus. In: Deutschland Archiv, Nr. 4: S. 659—672.
Scheuch, Erwin K./Klingemann, Hans-Dieter (1967): Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften, In: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 12. Tübingen. S. 11—29.
Stöss, Richard (2001): Zur Vernetzung der extremen Rechten in Europa, Arbeitshefte aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nr.5, Berlin.
Stöss, Richard (2004): Globalisierung und rechtsextreme Einstellungen. In: Bundesministerium des Innern (H~.): Extremismus in Deutschland. Berlin. S. 82–97.
Welzk, Stefan (1998): Globalisierung und Neofaschismus. In; Kursbuch, H. 134, Dezember: S. 37—47.

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