Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 237/238: Diskriminierende Realitäten

Das Benen­nungs­di­lemma als Heraus­for­de­rung feminis­ti­scher Rechts­dog­matik und -politik Poststruk­tu­ra­lismus trifft Anwen­dungs­be­zug: Zum Spannungs­feld von Kategorien, Diskri­mi­nie­rung und Inter­ven­tion

Maßnahmen gegen Diskriminierung sind vor allem dann effektiv, wenn sie explizit adressieren, welche Diskriminierungen verboten sind oder welche Nachteile aufgrund welcher Diskriminierungsfaktoren bzw. -kategorien durch eine ungleiche Behandlung ausgeglichen werden sollen. Der folgende Beitrag analysiert die Ambivalenz, die sich in der Anwendung von rechtlichen Diskriminierungsinstrumenten stellen kann, wenn poststrukturalistische Erkenntnisse zu Auswirkungen von Kategorisierungsprozessen ernst genommen werden.

Diskriminierungen betreffen Menschen nicht (nur) als Individuen, sondern vor allem in ihrer Zuordnung zu bestimmten zuvor gesellschaftlich festgelegten Kategorien. Kategoriale Unterscheidungslinien wie etwa „Geschlecht“, „Rasse“, „Behinderung“, „Glaube“ oder „sexuelle Orientierung“ fungieren als Grundlage, um Ungleichbehandlungen von Menschen herzustellen, zu begründen und zu rechtfertigen (Scherr 2016). Mit der Zuweisung in eine oder mehrere der Kategorien werden die Betroffenen als „anders“ (als die vermeintlich gesellschaftliche Norm) markiert und das zugeschriebene Anderssein kann dann als Grundlage zur Rechtfertigung einer benachteiligenden Ungleichbehandlung, somit einer Diskriminierung, dienen.

Antidiskriminierungsmaßnahmen, und so auch das Antidiskriminierungs- und Gleich­stellungsrecht, knüpfen – je nach Maßnahme in unterschiedlicher Weise – an jene Kategorien an, mit dem Ziel, Diskriminierung zu reduzieren, zu verhindern oder zu beseitigen. Antidiskriminierungsmaßnahmen sind somit in vielen Fällen eng verwoben mit Kategorisierungsprozessen und ihrem Ergebnis – den Kategorien. Sie können vor allem dann starke Instrumente darstellen, wenn sie nicht alle Menschen gleich adressieren, sondern den Bezug zur Kategorisierung deutlich machen und damit auf die einem diskriminierenden Einzelfall zugrundeliegenden gesellschaftlich gewachsenen, benachteiligenden Strukturen verweisen.

Sarah Elsuni Jahrgang 1975, Dr. jur., Professorin für das Recht der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Recht der Frau/legal gender studies an der Frankfurt University of Applied Sciences. Aktuelle Forschungsfelder: Grund- und Menschenrechte im Mehrebenensystem; Legal Gender Studies & Theory. Aktuelle Veröffentlichungen: Gemeinwohl-Topoi im Öffentlichen Recht, in: Hiebaum, Christian (Hrsg.), Handbuch Gemeinwohl, Berlin 2021 (Springer Open); Feministische Rechtstheorien, in: Hilgendorfer, Eric/Joerden, Jan (Hrsg.), Handbuch zur Rechtsphilosophie, Stuttgart 2021, S. 270–277 (mit Susanne Baer); Feministische Rechtstheorie, in: Buckel, Sonja/Christensen, Ralph/Fischer-Lescano, Andreas (Hrsg.), Neue Theorien des Rechts (3. überarb. Aufl.), Tübingen 2020 (Mohr Siebeck Verlag), S. 225–241.

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