Präventive Telekommunikationsüberwachung: Watsch'n des Bundesverfassungsgerichts für die bayerische Staatsregierung
Verfassungsklage von Dr. Hahnzog und zehn MitstreiterInnen in der Sache erfolgreich
Die CSU führte 2006 mit ihrer damaligen absoluten Mehrheit die präventive Telekommunikations-überwachung in das Bayerische Polizeiaufgabengesetz (Art. 34 a PAG) ein. Damit wurde das Abhören von Telefongesprächen schon weit im Vorfeld eines konkreten Verdachts, wie ihn die Strafverfolgung vorsieht, ermöglicht.
Schon frühzeitig hatte der LV Bayern der Humanistischen Union wegen schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken an die CSU-Fraktion appelliert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen
Im gleichen Jahr hatte Dr. Klaus Hahnzog als damaliger Vorsitzender des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen des Bayerischen Landtags eine Anhörung im Landtag initiiert, bei der von vielen Sachverständigen – etwa auch von Richtern und Staatsanwälten – erhebliche, insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht wurden.
Als das Gesetz dann in 2005 von der CSU im Landtag beschlossen wurde, erhob Dr. Klaus Hahnzog zusammen mit zehn MitstreiterInnen (SPD-Landtagsabgeordneten, JournalistInnen, JuristInnen, VertreterInnen von NGOs wie der Humanistischen Union Bayern) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (- 1 BvR 661/06 – ).
Im Jahr 2009 wurde die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Vorschrift im PAG durch eine Gesetzesänderung, die die neue Koalition von CSU und FDP eingebracht hatte, aufgehoben.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem jetzt zugestellten Beschluss vom 4. November 2010 zwar die Verfassungsbeschwerde aus formellen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen, den Freistaat Bayern aber verurteilt, den Beschwerdeführern ihre notwendigen Ausgaben zu erstatten. Dies sei in gleicher Weise billig, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre.
Bemerkenswert ist die Begründung: Wörtlich heißt es in dem Beschluss:
„Nach diesen Grundsätzen entspricht es der Billigkeit, die Erstattung der Auslagen der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren anzuordnen. Denn wie sich aus der Begründung des § 1 Nr. 6 Buchstabe a des Gesetzes zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes, des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes vom 27. Juli 2009 (GVBl S. 380) ergibt, mit dem Art. 34a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PAG aufgehoben worden ist, bestanden im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Diese hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, die Vorschrift vorsorglich zu streichen (vgl. LTDrucks 16/1271, S. 7). Damit hat er das Begehren der Beschwerdeführer als wahrscheinlich berechtigt erachtet. Dies rechtfertigt es, die Auslagenerstattung in gleicher Weise anzuordnen, wie wenn den Verfassungsbeschwerden stattgegeben worden wäre.“
Die Humanistische Union Bayern freut sich über diese Argumentation des Bundesverfassungsgerichts und sieht sich in ihrer Ablehnung der präventiven Telekommunikationsüberwachung bestätigt.