Viel Lärm um nichts? Der BAKJ und der Grundrechte-Report
Mitteilungen Nr. 175, S. 74-75
Jahr für Jahr werden Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik
von den Verfassungsschutzämtern auf Landesund
Bundesebene als Verfassungsfeindinnen und -feinde
diffamiert. Seit 1997 setzen der Bundesarbeitskreis
kritischer Juragruppen (BAKJ), die Gustav Heinemann-
Initiative, die HUMANISTISCHE UNION und das Komitee für
Grundrechte und Demokratie den Verfassungsschutzberichten
ein bei Rowohlt erscheinendes Buchprojekt entgegen,
in dem die von den staatlichen Organen begangenen
Grundgesetzverstöße angeprangert werden. Dieses
Jahr handelt es sich dabei unter anderem um den am
Rande der EXPO Hannover verhängten Polizeigewahrsam
in Käfigen, um die tödlichen Routinen im Abschiebungsalltag,
um die rassistischen Elemente der Schleierfahndung,
um die Verfassungswidrigkeit der Interventionsarmee
Bundeswehr und um die Abwege des Verfassungsschutzes.
Heiße Diskussionen um den GRR
Sowohl letztes, als auch dieses Jahr sorgte der Grundrechte-
Report (GRR) innerhalb des BAKJ für heiße Diskussionen,
die letztlich dazu führten, daß der Arbeitskreis kritischer
Juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu
Berlin (AKJ Berlin) aus dem BAKJ austrat nicht ohne krasse
Vorwürfe zu erheben. Unter anderem hieß es, die Redaktion
der vom BAKJ herausgegebenen Zeitschrift Forum
Recht habe linke Beiträge zensiert. Hinsichtlich der Arbeit
am GRR hätten die vom BAKJ entsandten Mitglieder der
GRR-Redaktion außerdem Lügen und Halbwahrheiten verbreitet.
In diesem Beitrag soll zum einen der Streit um den
GRR dargestellt, zum anderen aber auch die vom AKJ Berlin
erhobenen Vorwürfe entkräftet werden.
Der BAKJ
Der BAKJ ist ein Zusammenschluß von etwa zwei Dutzend
Arbeitskreisen, Basisgruppen und Fachschaftsinitiativen. Er
setzt sich für eine Ausbildung ein, die Theorie und Praxis
vernetzt, die sozialen Bezüge des Rechts herausstellt und die
eine kritische Reflexion der Rechtswissenschaft fördert. Das
Meinungsspektrum innerhalb des BAKJ reicht von der Überzeugung,
daß die Menschenrechte, wie dies schon Karl Marx
kritisiert hat, lediglich dem Eigentumsschutz dienen, daß
dem sich auf sie stützenden bürgerlichen Staat mithin jegliche
Legitimationsgrundlage fehle, bis hin zu der an eben
diesen Staat gerichteten Forderung nach der konsequenten
Umsetzung der Menschenrechte.
Der Streit um den GRR 2000
Die Reibungsflächen innerhalb dieses Meinungsspektrums
sind natürlich groß,was sich an der Debatte gezeigt hat, die
um das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom
11. Januar 2000 zum generellen Ausschluß von Frauen aus
der Bundeswehr entflammte.Nach der alten Fassung des Art.
12 Abs. 4 S. 2 GG durften Frauen auf keinen Fall Dienst mit
der Waffe leisten. Dies verstoße jedoch, so der EuGH, gegen
die europäische Gleichstellungsrichtlinie (76/201/EWG).
Die Forum-Recht-Redakteurin Katharina Ahrendts hat dieses
Urteil in ihrem Recht-Kurz-Beitrag für Forum Recht 02/00
(siehe Seite 66) und in ihrem Artikel für den Grundrechte-
Report 2000 (siehe Seite 68) ausdrücklich begrüßt. Der
EuGH habe eine der letzten frauendiskriminierenden Berufszugangsbeschränkungen
in Deutschland beseitigt. Eines
sei allerdings sicher: Durch die Aufnahme von Frauen werde
die Bundeswehr kein Stückchen besser, sie werde ihren
Charakter als hierarchische,zum Zweck des Tötens von Menschen
eingerichtete Zwangsinstitution nicht verlieren.Wolle
man Frauen aber nicht instrumentalisieren, so Katharina
Ahrendts weiter, schränke diese Tatsache ihren Anspruch auf
Gleichbehandlung nicht ein: Geschlechtergleichheit ist
nicht rechtfertigungsbedürftig und gilt auch dort, wo sie
Frauen die Möglichkeit einräumt, sich in einer Institution
von fragwürdiger Existenzberechtigung zu engagieren.
Dies nahmen mehrere Mitglieder unter anderem des AKJ
Berlin zum Anlaß, um auf der Präsentationsveranstaltung für
den Grundrechte-Report 2000 eine Protestschrift zu verlesen,
die darauf hinwies, daß der Artikel von Katharina
Ahrendts dem Ziel, Grundrechte zu schützen, entgegenstehe,
indem er die Existenz von Armeen akzeptiere und die
Einbindung von Menschen in militärische Strukturen zum
Grundrecht erkläre. Die Unterdrückung von Frauen werde
dazu mißbraucht, Soldat oder Soldatin zu sein als normalen
Beruf darzustellen, welcher einer Gleichstellung nicht
verschlossen sein dürfe. Damit bediene sich die Autorin
militaristischer Argumentationsmuster.
Diese Protestschrift reichte Greco Koukoulas bei der Forum-
Recht-Redaktion ein, mit der Bitte, sie in Heft 02/00 zu veröffentlichen.
Der Redaktionsschluß für Heft 02/00 war
jedoch zu diesem Zeitpunkt längst verstrichen. Auch die
Redaktionssitzung für Heft 02/00 war bereits gelaufen.Zwar
gibt es bei Forum Recht einige Rubriken, deren Inhalt erst
kurz vor Layoutschluß feststeht und in denen der Text wahrscheinlich
noch hätte unterkommen können. Der von der
Redaktion gewählte und zwischen den Redaktionssitzungen
entscheidungsbefugte Forum-Recht-Vereinsvorstand lehnte
den Beitrag jedoch auch inhaltlich ab, weil er Katharina
Ahrendts als Militaristin diffamiere. Dies brachte der Forum-
Recht-Redaktion den Vorwurf der Zensur ein.
Der Streit um den GRR 2001
Auch dieses Jahr verlief die Arbeit am GRR nicht gerade harmonisch.
Gegen die Stimmen der BAKJ-Mitglieder hatte sich
die GRR-Redaktion auf ihrer Sitzung vom 27. September
2000 mehrheitlich dazu entschlossen, Rita Süssmuth um die
Präsentation der diesjährigen Ausgabe des alternativen
Verfassungsschutzberichts zu bitten. Im Falle einer Absage
sollte Claudia Roth, damals noch Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses,
angefragt werden.
Das führte innerhalb des BAKJ zu heftigen Auseinandersetzungen.
Die Situation spitzte sich zu, als das Komitee für
Grundrechte und Demokratie erklärte, es sei von Anfang an
gegen eine Präsentation des GRR durch Rita Süssmuth gewesen.
Daraufhin behaupteten Mitglieder des AKJ Berlin,
daß die vom BAKJ entsandten Mitglieder der GRR-Redaktion
entgegen deren Angaben für Rita Süssmuth gestimmt hätten,
denn ansonsten hätte Süssmuth ja gemeinsam mit dem
Komitee verhindert werden können. Das Komitee für
Grundrechte und Demokratie war auf der entscheidenden
GRR-Redaktionssitzung jedoch nicht vertreten. Die Vorwürfe
des AKJ Berlin erwiesen sich damit als haltlos.
Auf der dann folgenden GRR-Redaktionssitzung war die Anfrage
an Rita Süssmuth bereits erfolgt. Durchsetzen ließ sich
zu diesem Zeitpunkt nur noch die zusätzliche Einladung von
Claudia Roth, die jedoch gerade eben Bundesvorsitzende
von Bündnis 90/Die Grünen geworden war.
Trotz ihrer Vorbehalte gegenüber Rita Süssmuth, die als Mitglied
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an der Einschränkung
des Grundrechts auf Asyl und der Aufhebung der Unverletzlichkeit
der Wohnung beteiligt war, und gegenüber
Claudia Roth, die als Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die
Grünen für die vielen vom GRR gerügten Verfassungsverstöße
der rot-grünen Regierungskoalition politisch mitverantwortlich
ist, sah die überwiegende Mehrheit der AKJGruppen,
die am 28. und 29.April 2001 auf den BAKJ-Kongreß
nach Hamburg gekommen waren, darin keinen Grund
für die Beendigung der Mitarbeit im GRR. Zu wichtig erschien
ihnen dieses Buchprojekt, das dem Engagement des BAKJ
und seinen rechtspolitischen Zielen eine nicht zu unterschätzende
Außenwirkung verleiht.
Claudia Roth sagte ihre zunächst zugesagte Teilnahme an der
Präsentation des GRR aus terminlichen Gründen kurzfristig
wieder ab.Kurz danach erhielt sie ein E-Mail des AKJ Berlin,
in dem ihr bescheinigt wurde, daß sie nach der BAKJBeschlußlage
für den AKJ Berlin bei der Vorstellung des
GRR untragbar sei. Sie wurde daher darum gebeten, von
der Präsentation des Grundrechte-Reports Abstand zu nehmen.
Rita Süssmuth erhielt per Fax ein ähnlich lautendes
Schreiben und nahm dies zum Anlaß, ihrerseits abzusagen.
Daß Claudia Roth und Rita Süssmuth nach der BAKJBeschlußlage
bei der Vorstellung des Grundrechte-Reports
untragbar seien, sah die überwiegende Mehrheit derjenigen,
die sich in der dann über den BAKJ-Verteiler laufenden
Debatte beteiligten,anders,war doch in Hamburg gerade der
Beschluß gefällt worden, trotz allem an dem Buchprojekt
festzuhalten. Das Verhalten des AKJ Berlin wurde daher überwiegend
verurteilt.Vereinzelt wurde er sogar dazu aufgefordert,
aus dem BAKJ auszutreten, was er dann schließlich
auch tat. An sich ist es bedauerlich, daß der AKJ Berlin aus
dem BAKJ ausgetreten ist, denn so ging dem BAKJ ein Stück
seiner Pluralität verloren. Doch längst nicht alles.