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Verfas­sungs­klage der HU gegen Schulgebet, Bekennt­nis­schule und christliche Gemein­schafts­schule

von vg

vorgänge 12/1967, S. 444

(vg) Den staatskirchlichen Relikten im Schulwesen der Bundesrepublik versucht die Humanistische Union zur Zeit mit zwei Musterprozessen zu Leibe zu rücken. Die HU will damit der bekenntnisneutralen Gemeinschaftsschule zum Durchbruch verhelfen, die sie als öffentliche Schule allein mit unserer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung für vereinbar hält.
Die erzwungene Einschulung eines konfessionslosen Kindes in eine Aachener Konfessionsschule ist Gegenstand des einen Gerichtsverfahrens. Die betroffenen Eltern hatten Klassenlehrer und Schulamt vergeblich ersucht, auf religiöse Kulthandlungen der Klassengemeinschaft außerhalb des Religionsunterrichts mit Rücksicht auf den andersgläubigen Außenseiter zu verzichten.
53 bayerische Elternpaare, die als Christen ihr Kind in einer Konfessionsschule des anderen Bekenntnisses oder als Nichtchristen in einer christlichen Gemeinschaftsschule erziehen lassen müssen, erhoben am 8.11.1967 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Die Klage richtet sich gegen die Art. 7 bis 10 des geltenden CSU-Volksschulgesetzes vom Herbst 1966.

Der Experte für das Rechtsverhältnis von Staat und Kirche, Rechtsanwalt Erwin Fischer, der 1965 bereits den Kirchensteuerstreit vor dem Bundesverfassungsgericht gewann, vertritt im Auftrag der HU die beschwerdeführenden Eltern. Er verweist in seinen Klagebegründungen darauf, daß nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts „dem Staat als Heimstatt aller Staatsbürger weltanschaulich-religiöse Neutralität auferlegt ist”. Für das staatliche Schulwesen ergebe sich daraus zwingend, daß bei der Anstellung der Lehrer und der Aufnahme der Schüler deren Religionsbekenntnis keine Rolle spielen darf. Das aber sei nur in der Gemeinschaftsschule möglich. Die Klage ist nicht nur für Bayern aktuell, sondern für alle Länder, in denen Konfessions- und „christliche” Schulen Staatsschulen sind.

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