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Klimaschutz als Menschen­recht

11. April 2024

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat erstmals der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein „Menschenrecht auf Klimaschutz“ entnommen. Der Gerichtshof, der über die Einhaltung der EMRK in den 46 Mitgliedsstaaten in Europa wacht, hat dem Verein „Klimaseniorinnen Schweiz“ Recht gegeben, dass die „Schweizer Klimapolitik unzureichend sei“.

Wenn das Bundesverfassungsgericht 2021 eine „Verletzung der – damals neu geschaffenen – Freiheitsrechte junge Generationen festgestellt hat“, hat der EGMR nunmehr für Menschenrechte einen zweiten Gesichtspunkt rechtlich für gegeben angesehen: „eine Verletzung staatlicher Schutzplichten“.

Mit seiner Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deutlich gemacht, dass jeder Staat dazu verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen – damit in Zukunft Menschenrechte überhaupt noch wahrgenommen werden können.

Der EGMR hat damit allerdings die Tür zu Popularklagen zugeschlagen. Die mehr als 670 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Europaratsstaaten können deshalb nicht einzeln gegen die Folgen des Klimawandels klagen. Der Europäische Gerichtshof hat aber den Schweizer Klima-Seniorinnen eine Klagebefugnis zugesprochen. Deren circa 2.000 Aktivistinnen, ein Drittel davon älter als 75 Jahre, haben sich damit durchgesetzt. Das Gericht hat aus Art. 8 der EMRK eine Verletzung des Rechts auf Privatleben entnommen, weil dieser Artikel auch vor den schädlichen Wirkungen des Klimawandels schützen soll:

„In diesem Zusammenhang ist es die Hauptpflicht der Vertragsstaaten, Vorschriften zu verabschieden und Maßnahmen in der Praxis zu ergreifen, die dazu geeignet sind, die gegenwärtigen und möglicherweise irreversiblen künftigen Effekte für den Klimawandel zu begrenzen.“

Begründet hat der EGMR seine Entscheidung, weil „die Menschenrechte so interpretiert werden müssen, dass ihre Garantien konkret und effektiv seien“.

Durch diese Entscheidung werden die Zentralinstitutionen im Kampf gegen den Klimawandel aufgefordert, die „UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel, das Übereinkommen von Paris, den Weltklimarat“, aufgrund der Vorgaben der Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Wörtlich schreibt das Gericht:

„Eine wirksame Achtung dieser Rechte nötigt die Staaten, Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen zu unternehmen, mit dem Ziel einer Netto-Neutralität, und zwar innerhalb der nächsten drei Dekaden.“

So fordert das Gericht auch Ziele und Zeitpläne ein, dies im Bewusstsein, dass Urteile des EGMR keinen Vollstreckungstitel liefern, „mit dem ein Gerichtsvollzieher losziehen könnte, sondern die Entscheidungen sind an nationale Gesetzgeber und Gerichte adressiert“. Wörtlich schreibt der EGMR: „Der Gerichtshof erachtet es als wesentlich, die Schlüsselrolle der nationalen Gerichte bei den Klimaklagen zu betonen.“

Die Humanistische Union freut sich über den Rückenwind aus Straßburg für den Klimaschutz als Menschenrecht. Die Humanistische Union hat bei ihrer letzten Mitgliederversammlung in Rastatt 2023 die Klägerinnen und Kläger mit dem Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet, die erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt haben.

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, lobte das Straßburger Klimaurteil als „bahnbrechend“. „Das Urteil sollte auch andere Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen erinnern: Wer sich Klimaziele setzt, ist dafür verantwortlich, diese einzuhalten.“

Die Humanistische Union begrüßt vor allem die Festschreibung des „Klimaschutzes als Menschenrecht“, was die Erfolge von Klimaklagen deutlich erhöhen wird und wird die Gesetzgeber in Europe zum Handeln auffordern.

Ernst Fricke für den Bundesvorstand der Humanistischen Union

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