Schikanöse Befragungen: Humanistische Union will Einsicht in Fragebögen zur Ermittlung von „Scheinehen“ nehmen
Die Humanistische Union (HU) will wissen, welche Fragen die Bremer Ausländerbehörde verwendet, wenn sie sogenannte Scheinehen ermittelt. Gestützt auf das Bremer Informationsfreiheitsgesetz hatte sie deshalb vor dem Verwaltungsgericht Bremen auf Einsicht in den entsprechenden Fragebogen geklagt. Im Juli dieses Jahres wies das Verwaltungsgericht Bremen die Klage ab. Nun hat die HU Antrag auf Zulassung zur Berufung gestellt.
Ausländerbehörden laden in der Regel Ehepartner*innen zur getrennten Befragung ein, wenn sie den Verdacht haben, dass diese die Ehe geschlossen haben, damit eine*r der beiden einen Aufenthaltstitel erhält. Gefragt werden die Ehepartner*innen allerlei Details über die/den jeweils anderen und über das gemeinsame Leben – wann war die Hochzeit, mit wie vielen Gästen, wo war das Fest; welche Zahnpasta benutzt die Ehefrau; auf welcher Seite im Bett schläft der Ehemann…? Die Qualität der Antworten, vor allem die Anzahl der gleich beantworteten Fragen ist der Behörde ein wichtiger Anhaltspunkt für die Erteilung oder Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis. Die Schikane der Befragung kann alle Ehepaare treffen, in denen ein*e Partner*in noch keinen gefestigten Aufenthaltstitel in Deutschland hat und die zum Beispiel durch getrennte Wohnorte die Ausländerbehörde dazu veranlassen, ihr eheliches Zusammenleben in Frage zu stellen. Ähnliche Befragungen führen auch die Visastellen des Auswärtigen Amtes durch, um zu entscheiden, ob sie einer/m nachziehenden Ehepartner*in ein Visum erteilen.
Die HU hat ihren Anspruch auf Einsicht in den Fragebogen auf das Bremer Informationsfreiheitsgesetz gestützt. Nach § 1 Bremer Informationsfreiheitsgesetz hat grundsätzlich jede*r Anspruch gegenüber den Behörden Bremens auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Bremer Innensenator und ihm folgend das Verwaltungsgericht haben aber argumentiert, dass hier der Ablehnungsgrund nach § 4 Bremer Informationsfreiheitsgesetz greife. Danach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden „für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde.“ Aus Sicht der HU bietet diese Vorschrift dagegen keine Grundlage, um die Einsicht in den „Scheinehen“ – Fragebogen zu verwehren. § 4 Bremer Informationsfreiheitsgesetz schützt nämlich nur Dokumente, die in einem konkreten aktuellen Verfahren verwendet werden, nicht jedoch Dokumente, die irgendwann einmal bei Verdachtsfall in einem Verfahren verwendet werden können.
Die HU ist weiterhin von ihrem Recht nach dem Informationsfreiheitsgesetz überzeugt und hat deshalb Antrag auf Zulassung zur Berufung gestellt. Ihr geht es in erster Linie darum, Verwaltungshandeln transparenter zu machen und die Ziele des Informationsfreiheitsgesetzes zu verwirklichen. Laut Begründung des Informationsfreiheitsgesetzes ist Zugang zu Information und die Transparenz behördlicher Entscheidungen eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Die HU will aber auch die Befragungs-Schikane, der Paare mit nicht-deutschem Partner*in ausgesetzt sein können, zumindest erschweren. Sie hält diese Befragungen für einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Um die im Zusammenhang mit der Klage entstehenden Unkosten decken zu können, sammelt die HU derzeit Spenden.
Bei Nachfragen kontaktieren Sie bitte Kirsten Wiese: Tel. 0163 – 2684 615