Publikationen / vorgänge / vorgänge 06/1972

Fritz-­Bau­e­r-­Preis 1972 an Frau Dr. Emmy Diemer-­Ni­co­laus

(vg) Der Fritz-Bauer-Preis für 1972 wurde am 14. August 1972 in Bonn Frau Dr. Emmy Diemer-Nicolaus, Bundestagsabgeordnete der FDP, verliehen.
Der Fritz-Bauer-Preis wurde von der Humanistischen Union 1968 als Gedenken an ihr Gründungsmitglied, den langjährigen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gestiftet, der einer der entschiedensten Kämpfer für eine Reform des Strafrechts und des Strafvollzugs war. Die Humanistische Union verleiht ihn jährlich für besondere Verdienste um die Demokratisierung, Liberalisierung und Humanisierung der Rechtsordnung in der Bundesrepublik.
Seit Stiftung des Preises haben 3 Frauen und 1 Mann den Preis zugesprochen bekommen. 1969 war Frau Dr. Helga Einsele, Leiterin der Hessischen Vollzugsanstalt für Frauen in Frankfurt-Preungesheim und unbeugsame Vorkämpferin für eine Reform des Strafvollzugs, Preisträgerin; 1970 erhielt Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann den Preis, der als Bundesjustizminister durchschlagende Initiativen zur Reform auf zahlreichen Rechtsgebieten gesetzt hat; die Preisträgerin von 1971 war Frau Birgitta Wolf, eine „Einzelkämpferin” für die Strafgefangenen, die mit ihrem unbeirrten Einsatz für einzelne Strafgefangene und für die Änderung des Strafvollzugs überhaupt die öffentliche Meinung über den Strafvollzug nachdrücklich positiv beeinflußt hat; 1972 ist jetzt Frau Dr. Emmy Diemer-Nicolaus, Rechtsexpertin der FDP im Bundestag, Empfänger des Fritz-Bauer-Preises der HU. Die Humanistische Union zollt ihr mit der Preiszusprechung Dank und Respekt für die Intelligenz und Ausdauer, mit denen sich Frau Diemer-Nicolaus allgemein in Sachen der Reform des Strafrechts und des Strafvollzugsrechts im Bundestag eingesetzt hat und einsetzt, mit denen sie sich besonders für eine entschiedene Reform des Ehescheidungsrechts und des Paragraphen 218 StGB verwendet. Nicht vergessen ist auch, wie sie zur Zeit der Großen Koalition als Sprecherin der kleinen FDP-Opposition gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze gekämpft hat, sowie die noble Art ihres Verzichts auf das Amt eines Bundesverfassungsrichters, das ihr angemessen gewesen wäre, was jedoch scheiterte am kleinkarierten parteipolitischen Gerangel um die Besetzung des Amtes.
Frau Dr. Emmy Diemer-Nicolaus, 1910 in Gießen geboren und nach dem Studium der Volkswirtschaft und Rechts- und Staatswissenschaften als Rechtsanwältin in Stuttgart niedergelassen, ist für die FDP seit 1946 politisch tätig: zunächst Stadträtin in Stuttgart, dann Landtagsmitglied in Württemberg-Baden, Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung dortselbst und Landtagsmitglied in Baden-Württemberg, wurde sie 1957 Mitglied des Deutschen Bundestages und blieb es über 15 Jahre. Im Bundestag hat sie vor allem in der Großen Strafrechtskommission und in der Eherechtskommission gearbeitet, und es ist ihr, obwohl nur Mitglied der kleinen FDP-Fraktion, gelungen, mit ihren Argumenten zur Sache der Rechtsreformen immer wieder Gehör zu finden (wenn auch – leider – nicht immer Erfolg zu haben).

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