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50 jähriges Jubiläum der Göring Luftwaffe

Am 28. Juni 1919 verpflichtete das Deutsche Reich förmlich und feierlich in Versailles 27 anderen Staaten gegenüber, unter anderem »Luftstreitkräfte weder zu Lande noch zu Wasser als Teil seines Heerwesens zu unterhalten« (Art. 198). Zwar begannen schon fünf Jahre später, mit dem Ausbau des Flugplatzes Lipezk am Woronesch als »Fliegerschule der Roten Armee für Reichswehroffiziere« die geheimen Vertragsverletzungen; 1933 fing Hitler an eine getarnte Luftwaffe einzurichten; der Anfang 1934 veröffentlichte Reichshaushalt ließ 90% Steigerung des Militäretats einschließlich der vertragswidrigen Luftrüstung erkennen. Aber erst am 26. Februar 1935 gab der Diktator die Aufstellung der Luftwaffe unter seinem zum »General der Flieger« (wenig später zum Generaloberst zum Generalfeldmarschall und endlich zum .»Reichsmarschall« ernannten Kumpan Hermann Göring bekannt. Und ein diesen offiziellen Vertragsbruch tadelndes sowie Gegenrüstung ankündigendes Weißbuch der britischen Regierung vom 4. März 1935 gab den Nazis den Vorwand, den Versailler Vertrag völlig zu zerfetzen und mit der Verkündung der Allgemeinen Wehrpflicht am 16.März die hemmungslose Aufrüstung zu beginnen, die zu 55 Millionen Kriegstoten führen sollte.

Die Luftwaffe laut Göring bestimmt »wie ein Racheengel« aber Gegner des Nazireichs herzufallen, leitete dann bekanntlich im September 1939 mit der Bombardierung Warschaus dem Völkerrecht zuwider den seither in Mode gekommenen Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung (»Weichziele« im NATO-Jargon)ein. Im Zuge jenes Hitlerschen Vertragsbruches entstanden im hannoversch-westfälisch-friesisch-oldenburgischen Raum »E«(Einsatz)Häfen der Luftflotte 2 in Braunschweig unter General Hellmut Felmy, darunter vor 50 Jahren der »Fliegerhorst« Wunstorf. Unter Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner ist das der »Jubiläumstag« der Bundeswehr geworden —ein deutliches Signal in welch unheiliger Tradition die jetzige Bundesregierung die Streitkräfte des demokratischen Rechtsstaates sieht. Unter dem Titel »50 Jahre Fliegerhorst Wunstorf« fand vom 14. bis zum 16. September in offizieller Anwesenheit des Inspekteurs der Luftwaffe ein »Festakt« mit umfangreichem Programm statt.

In der Kette der von der Regierung Kohl zu verantwortenden Skandale zeigt sich hier ein ganz bösartiges Glied. Gewiss Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner hatte schon 1976 ein »Traditionstreffen« am 25. Oktober zwischen Hitlers Lieblingsflieger Hans-Ulrich Rudel und dem Geschwader Immelmann der Bundesluftwaffe herbeigeführt in dessen Verlauf die Generäle Franke und Krupinski entlassen wurden). Wörner hatte das damit begründet, . er habe ungeachtet der politischen Anschauungen »hohen Respekt vor den soldatischen Leistungen« des unbelehrbaren Hitler-Verehrers Rudel. Doch hatte Helmut Schmidt als Kanzler hervorgehoben die Bundeswehr habe ihre eigene Tradition — eine »Tradition des Friedens«. Und Wörners Vorgänger im Ministeramt hatte Richtlinien erlassen, wonach die Bundeswehr sich »endgültig« von Überlieferungen der Hitler-Wehrmacht löse ,denn ein »Unrechtsregime« könne Tradition nicht begründen«.

Jetzt aber zeigt sich, was die geistig-moralische Wende in Bonn auch bedeutet: Das Wiederknüpfen des Traditionsbandes zu Görings »nationalsozialistischer« Luftwaffe (Wir Soldaten unterschieden Ende der dreißiger Jahre zwischen dem »preußischen Herr« »der kaiserlichen Marine« und »der nationalsozialistischen Luftwaffe«).

Es versteht sich dass in Wunstorf am Abend des 15. September 46. Jahrestag von Bombenangriffen auf die Warschauer Vorstadt Praga, auf die polnische Kutno-Armee und den Hafen Heisternest als Traditionssymbol der »Große Zapfenstreich« aufgeführt wurde. Das ist inzwischen Ritual geworden. Doch hat es mit Tradition in Wahrheit nichts zu tun, jedenfalls nichts mit einer ehrlichen Tradition vor der Nazizeit.

»Zapfenstreich ist der Beginn der Nachtruhe in Unterkünften der Wehrmacht« (Standortdienstvorschrift Zlff. 322 also das Signal zum Schlafen gehen. »Großer Zapfenstreich« ist die Zusammenfassung der Signale der Infanterie und der berittenen Truppen zu Bett zu gehen. In der antiaufklärerischen Hochromantik, durch Cabinettsordre vom 9. August 1813, fügte König Friedrich Wilhelm III. unter dem Eindruck der vom Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden erfüllten Nacht bei Groß-Görschen das »Gebet« den von Gerhard Tersteegen gedichteten und von dem russischen Komponisten BortnJanski vertonten Choral hinzu. Es fordert dazu auf, sich »ins Meer der Liebe zu versenken« — grotesk genug, wenn man damit die Erinnerung an Görings Fliegertruppe feiern will! Unter der Ideologie, das Heer sei im 1. Weltkrieg »im Felde unbesiegt« geblieben und nur durch den »Dolchstoß« der Sozialdemokratie niedergemacht worden wurde nach diesem verlorenen Kriege die Nationalhymne angehängt.

Ob eine Bundeswehr überhaupt sinnvoll ist mag hier unerörtert bleiben. Unterstellt man es einmal, so hat es jedenfalls keinerlei Sinn etwas aus den Trümmern der Hitlerei bergen und wieder aufputzen zu wollen. Weder militärisches Gepränge, noch Orden, noch komplizierteste und anfälligste Waffensysteme sind nur annähernd so wichtig wie militärische Fahrer Minister eingeschlossen die sich zum Vorbild eignen wie eine sinnvolle und nicht »vergammelte« Dienstzeit und wie eine menschenwürdige solidarische Behandlung der jungen Soldaten. Aus den militärischen Einrichtungen der vertragsbrecherischenerischen, imperialistischen und menschenschinderischen Tyrannei ist an die Streitkräfte eines unter Friedensgebot stehenden demokratischen Staates nichts

aber auch gar nichts zu überliefern!

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