Die Vielfalt der Möglichkeiten ist bestechend - Chancen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen
Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein arbeitsmarkt- und sozialpolitisches Instrument, sondern eines zur Stärkung der Freiheit. Als jedem Staatsbürger bedingungslos gewährte Einkommensgarantie von der Wiege bis zur Bahre, anrechnungs- sowie besteuerungsfrei, erlaubte es eine vollkommene Umgestaltung unseres Transfersystems und noch viel mehr. Diese vielfältigen Möglichkeiten anzudeuten, ist der Gegenstand der folgenden Thesen von Sascha Liebermann.[1]
Die Macht des Arguments und der Geist der Zeit
Wer vor fünf Jahren eine Prognose darüber gewagt hätte, ob die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf irgendwelche öffentliche Resonanz stoßen würde, hätte dem sicher eine geringe Wahrscheinlichkeit eingeräumt – selbst diejenigen, die der Idee zwar wohl gesonnen waren, die Chancen für eine öffentliche Diskussion aber für gering, wenn nicht gar für abwegig hielten. Eine solche Einschätzung konnte sich zugute halten, realistisch zu sein, denn die Agenda 2010 hatte breiten Rückhalt – sei es durch schlichte Hinnahme der Entwicklung, sei es durch die Behauptung sie sei unabänderlich – in allen politischen Lagern, bei allen großen Interessenverbänden und letztlich auch bei den Bürgern. Man schaue sich nur an, wer alles in der Hartz-Kommission mitgewirkt hat. Manche würden ihre Beteiligung wohl gern aus der Geschichte tilgen wollen, da sie sich heute wieder als Streiter für diejenigen verstehen, die sie in die ‚Aktivierung‘ zu schicken bereit waren.
Angesichts einer solchen Lage also musste der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) wie eine Fabel vom guten Menschen erscheinen, und dieser Vorwurf wird den Vertretern durchaus bis heute gemacht. Wer behauptete, es biete eine Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart, machte sich lächerlich. In allen öffentlichen Veranstaltungen, die ich bestritten habe, bekam ich den breiten Rückhalt für eine aktivierende Sozialpolitik, besser: Arbeitshauspolitik, zu spüren. Kritisiert wurde allenfalls, dass die Falschen aktiviert werden. Eine Abkehr davon insgesamt schien unvorstellbar. Woran lag das, woran liegt es noch immer, dass die Diskussion – bei aller Ausbreitung – nur langsam vorankommt?
Der entscheidende Haken an der Idee des BGEs war und ist die Maxime, auf der es ruht: dem Bürger zu vertrauen. Wer dieses Vertrauen wie selbstverständlich hatte und deswegen die Chancen des BGEs ausmalte, der sah sich mit allen möglichen Anwürfen konfrontiert: Idealist, Ideologe, Demagoge, er wurde als Neoliberaler und als Kommunist bezeichnet oder auch – wie sinngemäß von Daniel Kreutz im Workshop – als Prediger einer Heilslehre. Für die Linke, bei zaghafter Befürwortung mancher Auswirkungen auf das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital, stießen Sympathien für das BGE dort an ihre Grenze, wo die Stellung der Bürger in der Demokratie seine Einführung rechtfertigen sollte. Denn der Bürger, das ist doch der Bourgeois, so schlug es einem entgegen. Er vertritt die Interessen des Kapitals, wie kann man ihm da vertrauen?
Keinesfalls, so ein noch heute stets vorgebrachter Einwand, könne die Verrichtung „gesellschaftlich notwendiger“ Arbeit, die mit Plackerei, Ausbeutung und Entfremdung gleichgesetzt wird, dem Einzelnen überlassen werden – das ist widersprüchlich genug, denn gerade deswegen spräche alles für ein BGE. Ihm hier eine Wahl, gar den „Ausstieg“ aus der Erwerbsarbeit einzuräumen, wie es das BGE (angeblich) vorschlägt, sei unsolidarisch, würden sich dadurch manche aus der Pflicht stehlen und sich ein schönes Leben machen.[2] Dieses Misstrauen nährt sich aus der Vorstellung, der Bürger sei ein nur seinen Eigenvorteil suchendes Wesen, das deswegen durch staatliche Regulierung diszipliniert werden müsse. Ohne diese Regulierung trage er gar nichts zum Gemeinwohl bei. Diese Vorstellung entspricht übrigens ganz der – dann allerdings ins Positive gewendeten – die Marktliberale vertreten. Für sie ist der homo oeconomicus vernünftig, weil er seinen Eigenvorteil suche, dazu müsse man ihn allerdings durch eine Erwerbsverpflichtung schon nötigen, fehle ihm sonst der ‚Anreiz‘ sich anzustrengen. Eine wenig beachtete und interessante Verwandtschaft ist zwischen beiden Denkhaltungen zu erkennen. Sie erklärt auch, weshalb sowohl Linke als auch Marktliberale das Individuum für steuerungsbedürftig – man könnte auch sagen: aufsichtsbedürftig – halten und ein BGE ablehnen.[3] Ihnen geht es nicht um die Freiheit des Bürgers, sondern um die des Erwerbstätigen bzw. Marktteilnehmers, der keinesfalls so frei gelassen werden darf, wie es das BGE vorsieht.[4] ‚Steuerung‘ durch staatliche Andiehandnahme und Steuerung durch den Markt, der nur das als Leistung bewertet, was verkauft werden kann, sind zwei Seiten derselben Medaille. Nicht von ungefähr hat sich die Rede von der Anreizbedürftigkeit des Menschen derart ausgebreitet, dass selbst in Kreisen, die von sozialer Gerechtigkeit in einem fort sprechen, sie zum gutem Ton gehört.
Mit der Rede vom Anreiz wird zum Gesetz erklärt, dass der Mensch nur tue, wofür ihm Belohnung winke. Der Anreiz ist ein Stimulus, der von außen kommt, wie die Karotte, die dem Esel vor sein Maul gehalten wird. Das Leben und alle Entscheidungen bilanziert der Einzelne stets in Soll und Haben, so die Vorstellung – am Ende muss die Habenseite überwiegen. Hat man diese Denkverwandtschaft einmal aufgespürt, verblassen alle programmatischen Kontroversen der vermeintlich so unversöhnlichen Lager von Linken und Neoliberalen. Allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf der einen, angebotsorientierte Arbeitsmarktpolitik auf der anderen: auf jeden Fall muss Erwerbsarbeit geleistet werden. Wo nicht gesteuert und reguliert wird, da läuft das Individuum in die Irre, entfernt sich vom Gemeinwohl, das gilt auch für andere Bereiche. Die Umgestaltung unseres Bildungswesens insbesondere der Hochschulen und Universitäten wird von dieser Deutung ebenso beherrscht. Das Denken in Zahlenkorrelationen und formalen Zielen hat die Oberhand gewonnen – sei dies Wettbewerbsfähigkeit oder soziale Gerechtigkeit. Wo kein Nutzen ausgewiesen oder zu erreichende Zwecke messbar nachgewiesen werden können, da scheinen Leistungen für uns wertlos. Im Unterschied zu all den schwer greifbaren und nicht messbaren Leistungen wie elterliche Sorge für die Kinder, bürgerschaftliches Engagement sowie Wissenschaft und Kunst als Kulturleistungen um ihrer selbst willen, erstrahlt Erwerbsarbeit in um so größerem Glanz. Wird in ihr Leistung erbracht, so lasse sich das doch leicht feststellen, wenigstens in Gestalt eines bezifferbaren Wertschöpfungsbeitrags – eine große, schon lange bekannte und dennoch gut gepflegte Illusion. Was wer wo leistet und beiträgt, ist gar nicht bestimmbar angesichts der hoch differenzierten Arbeitsteilung. Ebenso ist der Umfang an Leistungen, die vorausgegangene Generationen erbracht haben und die wir wie selbstverständlich nutzen, nicht zu beziffern, das Eigene von der Leistung anderer gar nicht wirklich zu unterscheiden. Es ist diese gut gepflegte Illusion, die uns an Erwerbsarbeit um so mehr festhalten lässt, je weniger wir die Leistungsbeiträge beziffern können. Wo alles gemessen und bilanziert, wo Leistung als Resultat von Anreizen betrachtet wird, da ist es ganz konsequent, die Bürger zu aktivieren – sonst lägen sie bloß antriebslos herum oder sorgten sich nur um ihren Vorteil. Eins greift ins andere, wie wir hieran sehen.
Statt einer Öffnung ist auch unter der Großen Koalition der jetzigen Bundesregierung eine noch straffere Ausrichtung der Sozialpolitik am Erwerbsprinzip zu beobachten, man beachte nur das Elterngeld. Nicht nur hat diese Sozialpolitik zwei Klassen von Eltern geschaffen, in ihr obsiegt auch das Prinzip, nicht Veränderungen durch Handlungsräume zu ermöglichen, nein, sie sollen durch Sanktion und Definition von Lebenszielen den Bürgern verordnet werden. Dieser Drang, dieses Bedürfnis nach Steuerung und Planung, nach Aufsicht und Anleitung hilft auch zu verstehen, weshalb eine unbändige Furcht davor besteht, jemand könne falsche Entscheidungen treffen und sie revidieren müssen – ein Studienabbruch z.B. ist durchaus eine vernünftige Revision einer zuvor getroffenen Entscheidung. Gegen die Quote der Studienabbrecher müsste nicht gekämpft werden, wenn wir uns fragten, weshalb sie denn abbrechen. Dabei wird ausgeschlossen, dass ein großer Anteil der Abbrecher auch mit Illusionen und zu wenig Sachinteresse an die Universität geht, einige weichen auch nur der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt aus, das ist ihnen nicht zu verdenken. Vernünftige Entscheidungen nun dadurch zu verhindern oder zu erschweren, dass man die Zügel anzieht, zeugt von einer Bildungspolitik, die zwar ständig von Bildung spricht, sich aber nicht mehr fragt, worin Bildung besteht. Auch hier herrscht der Glaube, Bildung könne in den Einzelnen mit Eimern hineingegossen werden, nicht ist er selbst es, der sich bilden wollen muss, er wird zum Gefäß, in das die Trichterpädagogik den Stoff einleitet.
Bildung und individuelles Wollen hingegen sind nicht voneinander zu trennen. Statt, wie gegenwärtig, der Erwerbspflicht beinahe eine Bildungspflicht an die Seite zu stellen, wäre eine Lösung dort zu suchen, wo der Einzelne im Zentrum steht und sich einem Bildungsprozess öffnen kann. Dazu müssten wir allerdings aufhören, steuern zu wollen. Auch müssten wir die Vorstellung aufgeben, den Bürgern zu sagen, was sie mit ihrem Leben anzufangen haben, nichts anderes aber bewirkt die Erwerbsverpflichtung. Auch in diesen Fragen also sind sich die vermeintlich unversöhnlichen Lager, die allerorten aufeinander treffen, viel näher, als ihnen lieb ist.
Erstaunlich ist bei all dieser Entwicklung, dass diese Kontroll- und Regulierungsplage kaum unserem täglichen Leben als Bürger, ja nicht einmal den Grundlagen unserer politischen Ordnung entspricht. Jedes Gemeinwesen muss in die Loyalität seiner Bürger im Allgemeinen vertrauen, selbst für totalitäre Regime gilt das. Die Loyalität seiner Bürger, die ein Gemeinwesen benötigt, ist nicht erzwingbar. Demokratie kann nicht von dauerhaftem Bestand sein, wenn die Bürger nicht loyal handeln – Loyalität heißt auch, Engagement für Veränderung. Sie geht aber noch weiter, denn die Demokratie erhebt dieses unerlässliche Vertrauen zum Herrschaftsprinzip, in dem sie die ‚Macht vom Volke‘ ausgehen lässt. Geschützt wird dieses Fundament, indem das Gemeinwesen seinen Angehörigen leistungslos die Bürgerrechte verleiht und ihre Stellung als Bürger bedingungslos anerkennt. Die Bürgerrechte schützen nicht nur vor Übergriffen des Staates, sie heben sicht- und erfahrbar heraus, welches die Ordnungsprinzipien unseres Gemeinwesens sind. Wenn wir nun den Kontroll-, Mess- und Beaufsichtigungswahn, der sich in den vergangenen Jahren all zu deutlich gezeigt hat, zu dem gerade Beschriebenen ins Verhältnis setzen, müssen wir uns fragen, wie sich beides miteinander vereinen lassen soll, ohne unser Gemeinwesen zu schädigen. Denn diese Entwicklung widerspricht den Prinzipien unserer politischen Verfasstheit.
Wie es um unser Gemeinwesen steht, lässt sich an der auch im Workshop alsbald gestellten Frage ablesen, wer denn die sogenannte Drecksarbeit mache, wenn er das Einkommen nicht benötige, da er ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehe? Nehmen wir diese Bedenken als Ausdruck dessen, was wir in unserem Gemeinwesen von den Bürgern halten – dann leben wir mitten im Arbeitshaus statt in einer politischen Gemeinschaft von Bürgern. Zweierlei fragt man sich unwillkürlich: Wird denn heute jemand zu einer bestimmten Tätigkeit gezwungen? Keineswegs – am ehesten noch die ALG II-Bezieher. Sollte sich also zukünftig niemand dafür bereit erklären, freiwillig solche Tätigkeiten zu ergreifen, wollen wir dann etwa Zwang anwenden? Arbeitsdienste einrichten? Nur so ist die Frage zu verstehen. – Dabei sind wir bislang tatsächlich anders verfahren: wir haben höhere Löhne gezahlt, automatisiert oder Dinge selber erledigt.
Wie kommt es dann überhaupt so weit?
Offenbar leben wir in zwei Welten, der unseres Denkens und der unseres Handelns. In unserem Denken herrscht Misstrauen, wir deuten den gemeinschaftlichen Zusammenhalt als Resultat von Druck und Zwang. Die Bürger begreifen sich als dem Staat ausgeliefert, fühlen sich an der Nase herumgeführt. Sie verlangen aber stets von ihm auch nach Lösungen. In unserem Handeln hingegen sind wir viel freiheitlicher, als wir denken. Niemand nimmt uns wesentliche Lebensentscheidungen ab. Wir müssen entscheiden, wie und wo wir Verantwortung wahrnehmen, sei es für den Lebenspartner und die Kinder, sei es für das Gemeinwesen. Ob wir eine Ausbildung machen oder studieren wollen, ganz unabhängig davon, ob wir eine entsprechende Stelle finden, die Entscheidung selbst nimmt uns niemand ab. Keine Behörde teilt uns einen Beruf zu, es besteht auch kein Zwang, einen bestimmten zu ergreifen.
Sicher, Entscheidungen werden nicht voraussetzungslos getroffen. Persönliche Fähigkeiten und Interessen, die sich in einem langen Bildungsprozess vor allem in der Herkunftsfamilie und dann auch in Bildungseinrichtungen ausformen, haben hier großes Gewicht. Ebenso wichtig ist, welche Möglichkeiten sich überhaupt bieten, welche werden durch ein Gemeinwesen eröffnet. Doch selbst unter den schwierigen Bedingungen heute, gibt es immer noch Alternativen. Der Entscheidungsfähigkeit und -willigkeit des Einzelnen vertrauen wir in unserem Handeln sehr wohl, nicht aber im Denken.
Genau hieran, am Vertrauen in den Einzelnen und in seine Gemeinwohlbindung, setzt der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens an. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Bürgereinkommen, denn die einzige Bezugsbedingung ist ein Status, nicht aber eine zu erbringende Leistung.[5] Dieser Status ist der einzige, in dem die Stellung der Bürger zum Gemeinwesen zum Ausdruck kommt, er ist deswegen zugleich der einzige, an den ein BGE gebunden werden sollte. Damit macht es mit den Grundlagen unseres Gemeinwesens ernst.
Wir sehen hieran auf einfache Weise, dass der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommen nichts Fabulöses hat, weder widerspricht er unserer politischen Ordnung noch verlangt er Voraussetzungen, die nicht gegeben sind. Woran es hakt, ist einzig unser Denken über unser Handeln, die Kluft zwischen beiden ist die einzige Barriere, die wir zu überwinden haben. Die Neigung in der politischen Debatte, statt offen mit Argumenten zu streiten, Feindbilder aufzubauen, ist ein weiteres Hindernis für unser Vorankommen ebenso wie die notorische Rede von den Machtverhältnissen, der Kräftekonstellation von Arbeit und Kapital und dergleichen, die uns angeblich daran hindern, die Dinge zum Besseren zu wenden. Wer so redet, auch wer schweigt, befestigt jedoch ebenso die Machtverhältnisse, die er beklagt und an denen er mitwirkt, auch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Andere verantwortlich zu machen entlastet – von der eigenen Verantwortung.
Wie weitreichend die Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens sein könnten, ist in der öffentlichen Diskussion kaum sichtbar. Allenfalls dort scheinen die Chancen auf, wo Kritiker Befürwortern vorhalten, es als Wunderwaffe oder Allheilmittel zu feiern. Beides ist das BGE nicht. Wie entsteht aber der Eindruck, es könnte so verstanden werden? Eine Antwort hierauf ist einfach: das BGE hebt den Zweck auf, der gegenwärtig politischen Entscheidungen den Weg weist, der das gesamte Sozialsystem bestimmt und das Bildungswesen prägt: die Ausrichtung an Erwerbsarbeit, ganz gleich wer sie wie definiert. Es ist also nicht überraschend, dass dann, wenn diese Verknüpfung aufgehoben wird, sich vieles in einem anderen Licht zeigt und wo zuvor Probleme gesehen wurden, keine mehr bestehen.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein arbeitsmarkt- und sozialpolitisches Instrument, sondern eines zur Stärkung der Freiheit. Als jedem Staatsbürger bedingungslos gewährte Einkommensgarantie von der Wiege bis zur Bahre, anrechnungs- sowie besteuerungsfrei, erlaubte es eine vollkommene Umgestaltung unseres Transfersystems und noch viel mehr. Diese vielfältigen Möglichkeiten anzudeuten, ist der Gegenstand der folgenden Thesen.
Chancen eines bedingungslosen Grundeinkommens – Thesen und Kommentare
Zugespitzt soll nun in Gestalt von Thesen und Kommentaren einige Beispiele[6] dargelegt werden, wo überall ein BGE Möglichkeiten des Wandels eröffnet. Ob diese Möglichkeiten ergriffen werden, das hängt davon ab, ob die Bürger sie ergreifen wollen.
Das BGE anerkennt die Bürger als Fundament des Gemeinwesens, fördert den gemeinschaftlichen Zusammenhalt und stärkt die Demokratie.[7]
Die Bürger werden um ihrer selbst willen anerkannt. Was für unser demokratisches Gemeinwesen unerlässlich ist, wird damit ausdrücklich hervorgehoben: Vertrauen in die Bürger und ihre Bereitschaft, sich dort einzubringen, wo sie es für wichtig und richtig erachten. Indem die Bürger sich durch das BGE in ihrer Stellung als Bürger anerkennen, bringt es ihre Gleichheit zum Ausdruck, ganz wie es für eine Demokratie notwendig ist.
Das BGE stellt jegliches Engagement gleich, hebt die Bewertungshierarchie zwischen Erwerbsarbeit und anderen Tätigkeiten auf und fördert damit vielfältiges Engagement.
Das BGE ermöglicht vielfältiges Engagement. Ob Fürsorge für die Kinder, ob Ehrenamt oder was auch immer – das BGE macht sie gleichermaßen möglich. Berufliches Engagement wird dadurch zu einem unter anderen und ist nicht mehr dasjenige, dem jeder – gleich ob er will, gleich ob er kann – nachzugehen hat. Von einer Spaltung der Bürger in Erwerbstätige und BGE-Bezieher, wie häufig eingewandt wird, kann deswegen gar keine Rede sein, weil alle durch das BGE die Möglichkeit erhalten, initiativ zu werden – sie müssen es aber nicht.
Der Einwand ist jedoch aufschlussreich, er gibt zu erkennen, wie sehr wir in Deutschland glauben, dass der Zusammenhalt des Gemeinwesens über den Erwerbs- und damit den Einkommensstatus erfolgt, was allerdings mit unserer politischen Ordnung nicht übereinstimmt. Der Einwand ist somit ein Beleg für einen Mangel, wir könnten auch sagen für ein Selbstmissverständnis, das das BGE aufhebt.
Wer krank ist und therapeutischer Hilfe[8], wer besonderer Förderung und Unterstützung bedarf, ist endlich davon befreit, wenn auch nur einen mittelbaren Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten. Einrichtungen z.B. für körperlich und geistig behinderte Bürger können sich ganz darauf konzentrieren, Förderliches zu unternehmen, statt auch noch Güter für den Markt zu erzeugen. Eine von uns geschaffene Behinderung ist dann von ihnen genommen.
Eingewandt wird gegen das BGE oft, dass die Menschen arbeiten wollen, so auch von Daniel Kreutz, und wir deswegen das Streben nach Vollbeschäftigung nicht aufgeben dürfen. Ein Einwand allerdings gegen das BGE ist das gar nicht, vielmehr eine Bestätigung. Wenn das Bedürfnis nach Engagement stark ist, und davon können wir ausgehen, dann werden die meisten sich engagieren, sei es erwerbsförmig, sei es ehrenamtlich, sei es in neuen Formen, die zu entwickeln sie frei wären. Sie werden damit voll beschäftigt sein, ihren Interessen und Neigungen nachzugehen – ohne dass wir nach Vollbeschäftigung streben.
Für ein „Recht auf Arbeit“ gilt dasselbe. Es ist der Forderung nach Vollbeschäftigung ähnlich. Nimmt man es beim Wort, denn ein Recht muss einklagbar sein, dann bedarf es gewaltiger Beschäftigungsprogramme mit planwirtschaftlichen Ausmaßen oder einer drastischen Umverteilung von Arbeitsstunden durch Arbeitszeitverkürzung, um all die Arbeitsplätze zu schaffen, damit ein „Recht auf Arbeit“ verwirklicht werden kann. Doch, wozu? Soll etwa der Einzelne sich bei einem Unternehmen in eine Anstellung einklagen können? Das könnte eine Konsequenz sein. Damit wären nicht nur nach wie vor Leistung und Engagement auf Erwerbsarbeit verengt, sondern sogar der freie Vertragsschluss aufgehoben. Statt von dieser Fixierung abzurücken, würden wir sie verschärfen. Das Arbeitshaus heutigen Zuschnitts wäre noch überboten. Ein BGE hingegen verschafft die Freiräume, sich mit dem zu beschäftigen, das man für wichtig und richtig erachtet. Jeder entscheidet selbst darüber – und er ist der einzige, der es seinen Neigungen gemäß kann -, was er für gute Arbeit hält und was nicht. Die Definitionsmacht dazu liegt dann in seinen Händen und nicht in denen von Interessenverbänden.
Wir würden uns endlich davon befreien, uns an Konzepten zu orientieren, die die Vielfältigkeit des Lebens nicht zulassen. „Arbeitslosigkeit“ ist ein Kunstprodukt, weil nur Erwerbsarbeit als vollgültiges Engagement und damit als wichtige Leistung für unser Gemeinwesen gilt.[9] Mit einem BGE gibt es Arbeitslosigkeit in diesem Sinne gar nicht mehr, allenfalls findet der Einzelne niemanden, der seine Leistung in Anspruch nehmen will, für ein Angebot besteht im schlimmsten Fall also keine Nachfrage. Dann kann er sich überlegen, weshalb das so ist und eine andere Leistung anbieten oder sich andere Wirkungsmöglichkeiten schaffen. Das Konzept von Arbeitslosigkeit und der ihm innewohnende Arbeitsbegriff lässt uns heute übersehen, was jedem ins Auge stechen müsste: Dass all die Leistungen, die außerhalb dieses engen Verständnisses erbracht werden, für unser Gemeinwesen genauso wichtig sind, ja sogar seine Grundlage bilden. Wir anerkennen sie aber nicht, diesen Missstand beendet das BGE.
Das BGE stellt die Bürger gleich, sichert ihre Handlungsfähigkeit ab, nicht aber ihren Lebensstandard. Damit unterscheidet es klar zwischen öffentlicher und privater Verantwortung.
Bis heute halten wir es für selbstverständlich, dass die Systeme sozialer Sicherung den Lebensstandard absichern sollen, wenn Erwerbseinkommen ausfällt. Ist das tatsächlich eine Aufgabe von öffentlichem Interesse? Aus welchem Grund sollte das Gemeinwesen für die Erhaltung eines Lebensstandards verantwortlich sein, der über den Status einer allgemeinen Absicherung hinaus geht? Dass es eine Absicherung geben muss, die nicht nur die Existenz sichert, sondern auch erlaubt, sich zu bilden und am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, muss hingegen für uns selbstverständlich werden. Ein BGE in welcher Höhe erlaubt das? Das ist im vorhinein nicht zu sagen, weswegen eine stetige Beobachtung der Entwicklung nach Einführung und eine entsprechende Anpassung notwendig ist. Denn unser Gemeinwesen lebt davon, dass die Bürger selbstbestimmt ihren Lebensweg gestalten können. Die Höhe des BGEs dient also der Selbstbestimmung – daran, ob es sie erlaubt, muss es sich messen lassen.
Wer über diese Einkommensgarantie hinaus in besonderem Maße Güter konsumieren will, kann nicht erwarten, dass das Gemeinwesen ihm dies ermöglicht. Die Mittel dazu muss er zusätzlich erwerben. Eine freiwillige Zusatzabsicherung ist denkbar, vergleichbar einer freiwilligen Rentenversicherung heute.
Das BGE stärkt Familien, eröffnet ihnen Freiräume und beendet damit jede Form bevormundender Familienpolitik.
Ein BGE pro Kopf erlaubt eine Familienpolitik, von der wir heute allenfalls träumen können. Eine Familie mit zwei Kindern verfügt über vier BGEs und ist versorgt. Nicht mehr drängen wir den Eltern bestimmte Lebensweisen auf, wie es mit dem heutigen Elterngeld und der Überhöhung beruflichen Erfolgs geschieht – mit dem BGE ist es den Eltern überlassen, wie sie ihr Leben und das ihrer Kinder gestalten wollen. Mit einem BGE im Rücken liegt es in ihren Händen, ob sie sich aus dem Berufsleben vorübergehend oder auf Dauer zurückziehen, ob sie sich weiter mit weniger oder mehr Einsatz beruflich engagieren.
Auch alleinerziehenden Eltern ist so geholfen, so verfügt eine solche Familie (ein Erwachsener, zwei Kinder) über drei BGEs und ist gleichermaßen abgesichert. Gerade heute sind die Bedingungen für alleinerziehende Eltern besonders schlecht, da sie nur für eine begrenzte Zeit eine sanktionsfreie Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erhalten (Sozialhilfe). Ab einem bestimmten Alter des Kindes bzw. der Kinder, sind alleinerziehende Eltern verpflichtet, erwerbstätig zu werden. Damit werden gerade sie, die ohnehin in einer schwierigen Lage sind, besonders unter Druck gesetzt, ihre Kinder einer Betreuungseinrichtung zu überlassen. Auch hier schränken wir die Selbstbestimmungsmöglichkeiten ein, das BGE hingegen erweitert sie.
Damit ersetzt das BGE keineswegs eine öffentliche Infrastruktur wie oft behauptet wird – es gehört zu ihr dazu. Auch in Zukunft müssen wir uns fragen, wie viel wir in sie zu investieren bereit sind. Mit dem BGE jedoch werden mehr Möglichkeiten in die Hände der Eltern gelegt und wird ihnen mehr Verantwortung übertragen.
Das BGE ermutigt Jugendliche dazu, ihren Neigungen zu folgen und herauszufinden, wofür sie sich interessieren. Herauszufinden, was der Einzelne will, wird zur Maxime.
Jugendliche werden heute von vielen Seiten unter Druck gesetzt. Die öffentliche Diskussion fordert sie auf, bei der Entscheidung für einen Ausbildungsplatz nicht zaghaft zu sein. Hauptsache, sie haben überhaupt einen. Wer studiert, dem wird keine Phase des Erkundens mehr zugestanden, um herauszufinden, ob das Studium überhaupt das richtige ist. Ausbildungs- oder Studienabbruch werden nicht mehr als mögliche vernünftige Entscheidung erachtet, er wird zum Problem stilisiert – wer abbricht, so die Botschaft, versagt. Ein Abbruch darf nicht sein. Damit sagen wir den Jugendlichen und jungen Erwachsenen eines mit voller Wucht: Sucht nicht euren Weg, findet nicht heraus, was euch interessiert, denn das benötigt Zeit und verlangt unter Umständen, Entscheidungen zu revidieren. Auf diese Weise fördern wir Anpassung und Konformismus, Unterwerfung unter Bestehendes statt Ermutigung dahingehen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Verstärkt wird dieser Druck noch durch die verständliche Sorge der Eltern um die Zukunft ihrer Kinder.
Wer der Überzeugung ist, dass nur Erfolg haben kann, wer dem nachgeht, wovon er selbst überzeugt ist, der gilt heute als romantisch oder gar idealistisch. Eltern, die ihren Kindern nahebringen wollen, ihren Weg zu suchen, sehen sich vehementer Kritik ausgesetzt. Unabhängigkeit stört. Gerade in einer Zeit, da traditionell verlässliche Wege unsicher geworden sind, da das Leben größere Autonomieherausforderungen an den Einzelnen stellt als je zuvor, sind wir offenbar der Überzeugung, dass wir Jugendlichen gerade nichts zutrauen können – und Anpassung vor Autonomie gehen müsse.
Mit einem BGE kehrt sich diese Situation um. Herauszufinden, was einen interessiert, wird zur Maxime, einer Maxime, die Freiräume eröffnet, aber jedem überlässt, sie nach seinem Dafürhalten zu füllen. Die Chance, ein selbst- und nicht ein fremdbestimmtes Leben zu führen, wird dadurch größer.
Bildung ist Persönlichkeitsbildung, sie resultiert aus der Auseinandersetzung mit einer Sache – das BGE verschafft die notwendige Muße dazu.
Mit einem BGE wird der Einzelne gestärkt. Bildung ist nicht, wie man allerorten hört, das Ergebnis von Wissens- oder Stoffvermittlung. Bildung kann nicht in das Individuum hineingeschaufelt oder durch Trichterpädagogik hineingeleitet werden, sie ergibt sich durch die Auseinandersetzung mit einer Sache, mit einer Problemlage. Genau das Gegenteil davon haben wir in den letzten Jahren angestrebt. Die Fähigkeiten des Einzelnen werden auf Wissensverwaltung reduziert. Nur aber wo eine echte Auseinandersetzung gewollt ist, wo also die Bereitschaft besteht, sich auf Unbekanntes einzulassen, und diese Bereitschaft auch gefördert wird, ist Bildung möglich.
Ein BGE wirkt mittelbar auch auf eine Veränderung unseres Bildungswesens ein. Ein permanentes Bildungswettrennen à la PISA, in dem wir uns von internationalen Organisationen sagen lassen, wo wir hinzustreben haben (z.B. die OECD), wird dann der Vergangenheit angehören. Bildung erhält wieder den Zweck Selbstzweck, Bildung an einer Sache und dadurch auch Persönlichkeitsbildung zu sein.
Persönlichkeitsbildung, dies sei hier ergänzend angemerkt, vollzieht sich in verschiedenen Lebensphasen auf unterschiedliche Weise. Ihr Verlauf hängt wesentlich von der Familie ab, sowohl von einer stabilen Bindungserfahrung zu den Eltern als auch davon, welche Möglichkeiten zur Erfahrung der Welt den Kindern eröffnet werden. Der Kindergarten bildet eine sehr frühe Stufe und ergänzt die familiale Erziehung. Er hat keinen eigenständigen Bildungsauftrag und somit auch keinen Lehrplan. Er fördert eine gewisse Ablösung von den Eltern und erlaubt ein spielerisches Erkunden der Welt um ihrer selbst willen. In der Grundschule hingegen, wenn auch noch immer stark spielerisch geprägt, werden elementare Kulturtechniken angeeignet (Schreiben, Lesen, Rechnen usw.). Mit der Sekundarstufe I (5.-10. Klasse) tritt die Auseinandersetzung mit einer Sache ins Zentrum, wobei das Aneignen von Erkenntnissen in den verschiedenen Fächern das Ziel ist. Erst in der Sekundarstufe II (11.-13. Schuljahr, Oberstufe) greift die Schule der methodischen Auseinandersetzung mit einer Sache um ihrer selbst willen, wie sie dann für die Universität ausschlaggebend ist (sein soll), vor. Während in der Schule die Aneignung und Auseinandersetzung immer davon bestimmt bleibt, um ihrer selbst willen zu geschehen[10], gilt es in der Lehre, Berufsnormen und Techniken zur Lösung praktischer Probleme anzueignen. In Lehre und Studium findet die Auseinandersetzung mit einer Sache dann bezogen auf eine entweder berufliche Anforderung zur Lösung praktischer Probleme (Lehre) oder als Vorbereitung auf eine wissenschaftliche Tätigkeit statt (Studium).
Mit einem BGE – einem lebenslangen ‚Bafög‘ – im Rücken kann jeder sich bilden, der dazu bereit ist. Finanzielle Sorgen halten ihn davon nicht mehr ab.
Das BGE ermöglicht Vielfalt im Bildungswesen und schafft Freiräume für Bildungsprozesse. Wissenschaft und Kunst werden gefördert, sie auch außerhalb von Einrichtungen zu betreiben, ist viel besser möglich.
Das BGE fördert mittelbar ein Verständnis von Bildung, das auf Vielfalt und nicht auf Einheit setzt. Bildung um ihrer selbst willen wird als eigenständiger Zweck anerkannt. Dann müssen wir auch unser Bildungswesen so umgestalten, dass es diesem Zweck gerecht wird und es dafür einen Schonraum bietet.
Wissenschaft und Kunst, die heute eng an Anstalten und Organisationen gebunden sind, die vom Gemeinwesen alimentiert werden (Universitäten, Hochschulen, Forschungsinstitute usw.), können dort stattfinden, wo Wissenschaftler und Künstler sie praktizieren wollen. Sie sind nicht mehr von einer Anstellung abhängig (man führe sich nur vor Augen, dass an deutschen Hochschulen in Forschung und Lehre nur ca. 13% Professoren in Daueranstellung tätig sind, während ca. 80% der Mitarbeiter befristet angestellt werden). Wer hingegen heute jenseits solcher Anstellungen wissenschaftlich oder künstlerisch tätig sein will, kann dies nur selten in vollem Umfang. Er ist entweder auf Drittmittel oder Stipendien angewiesen, die nur befristet vergeben werden (1 bis 5 Jahre). Manche versuchen, durch Brotberufe ihren Unterhalt zu sichern, um darüber hinaus dem nachzugehen, was sie eigentlich interessiert. Das BGE befreit von dieser Unsicherheit; es bereitet auch dem ein Ende, dass Talente und Befähigungen verschwendet werden, nur weil sie nicht in Anstellungsverhältnisse Eingang finden und die Betroffenen sich anders verdingen müssen.[11]
Unternehmen und Mitarbeiter treten sich auf gleicher Augenhöhe gegenüber, weil das BGE Verhandlungsmacht verleiht und beiden Entscheidungsmöglichkeiten verschafft.
Unternehmen wie Mitarbeiter sind frei in den Verhandlungen über Arbeitsvertrag, Urlaubsregelungen, Arbeitszeiten und Abfindungsregelungen – es sei denn wir würden all das dennoch regeln wollen. Mit einem BGE im Rücken haben Mitarbeiter Verhandlungsmacht. Zum ersten Mal wäre der Arbeitsmarkt tatsächlich ein Markt, in dem Mitarbeiter niemals aus Existenzgründen einen Vertragspartner wählen, niemals eine Entscheidung defensiv treffen müssen. Unternehmen werden dann viel mehr als heute mit Bewerbern zu tun haben, die mitarbeiten wollen, nicht aber müssen, um Erwerbseinkommen zu erzielen. Sie sind frei in der Entscheidung, ob sie für ein Unternehmen arbeiten, genauso frei sind sie, diese Mitarbeit vertragsgemäß zu beenden. Unternehmen werden also mehr um sie werben müssen.
Annelie Buntenbach hat eingewandt, dass bei einem erheblichen Unterschied zwischen BGE und Erwerbseinkommen, das BGE gar keine Rückendeckung für Verhandlungen verschaffe, es den Mitarbeiter also gar nicht stärke. Der Einkommensverlust sei zu hoch, so dass niemand von sich aus kündigen werde. Gehen wir von einem ausreichend hohen BGE aus, wie oben definiert, dann liegt es an jedem selbst zu entscheiden, was ihm wichtiger ist. Ob jemand Freiräume nutzen wird, ob er also eine Stelle aufzugeben und damit Einschränkungen seines Lebensstandards in Kauf zu nehmen bereit ist, das hängt auch davon ab, wie wichtig ihm Freiheit und Selbstbestimmung sind. Wer Freiheit stärker gewichtet, wird auch bereit sein, einen etwaigen Statusverlust in Kauf zunehmen; wer hingegen Statussicherung für wichtiger erachtet, der wird auch widrige Arbeitsbedingungen akzeptieren, ganz gleich wie viele Freiräume er hat. Wer die Freiräume, die das BGE ihm verschafft, nicht nutzen will, tut dies aus freien Stücken, nicht aber aus existenzieller Sorge.
Das BGE macht, wie man hieran sehen kann, nicht vor den Werkstoren halt, es wirkt in die Unternehmen hinein und wird unsere Arbeitswelt verändern, indem es die Arbeitsbedingungen verändert. Was früher einmal als ‚Humanisierung der Arbeit‘ propagiert wurde, erreicht das BGE auf einfache Weise, indem es den Mitarbeitern Macht verleiht: durch Freiheit. Doch zur Freiheit gehört auch die Möglichkeit, diese Macht nicht einzusetzen – das zu akzeptieren, scheint manchen schwer zu fallen. Wer indes glaubt, zum Glück müsse der Einzelne gezwungen werden und sich deswegen anmaßt, über die Köpfe der Bürger hinweg zu entscheiden, was für sie gut ist, fördert nicht Freiheit, sondern Bevormundung.
Wo bleiben da die Tarifpartner, wird sich manch einer fragen?
Die Frage ist schwer zu beantworten, da das BGE dem Einzelnen ganz andere Möglichkeiten bietet als heute und wir nicht wissen, wie er sie nutzen wird. Nehmen wir den konservativsten Fall an, dann bestehen Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerverbände einfach fort. Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich, weil das BGE der Tarifpartnerschaft ihre herausgehobene Stellung bestreitet. Im Unterschied zu heute können Verhandlungen vollständig auf betrieblicher Ebene stattfinden. Sollten die Tarifpartner noch weiter an Bedeutung verlieren, bleibt noch die Möglichkeit, sich neue Wirkungsfelder zu suchen z.B.: in der Beratung von individuellen und kollektiven Verhandlungen um Arbeitsbedingungen, vielleicht auch in der kollektiven Interessenvertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, wenn es sie zukünftig geben sollte. Wo es sie geben wird, werden die Tarifpartner sicher weniger Befugnisse haben als in der heutigen Tarifpartnerschaft. Sie werden in ihrer heutigen Stellung auch ohne Einführung eines BGE nicht fortbestehen, das ist gewiss, wie sinkende Mitgliederzahlen, Öffnungsklauseln in Tarifverträgen und auch das Aufkündigen der Mitgliedschaft von Unternehmen in Arbeitgeberverbänden bezeugt. Darin sehen manche eine Bedrohung liebgewonnener Machtverhältnisse, es ist tatsächlich aber eine Chance, eine Chance, zu neuen Ufern aufzubrechen. Wenn die Gewerkschaften nicht erkennen, dass ihre heutige Haltung – ganz wie die der Arbeitgeberverbände – unser Fortkommen hemmt, werden sie noch weiter an Bedeutung verlieren. Beide haben keine Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit, halten verzweifelt an alten Antworten fest und glauben, Rezepte von gestern taugen für die Zukunft.
Mit einem BGE wird Wertschöpfung zum ersten Zweck von Unternehmen erhoben. Automatisierung ist dann erstrebenswert. Unternehmen müssen sich vor diesem Zweck, der Wertschöpfung, rechtfertigen und nicht vor solchen, die das Gemeinwesen zu übernehmen hat.
Der Zweck von Unternehmen ist es, Dienste und Güter zu erzeugen und anzubieten. Wo das ohne menschliche Arbeitskraft möglich ist, sollte es geschehen. Automatisierung schafft Freiräume, wir gewinnen Lebenszeit zur freien Verfügung zurück, die wir dort einsetzen können, wo Automaten unbrauchbar sind. Unproduktive Industrien und Wirtschaftszweige müssen dann nicht mehr aus Überlegungen der Sozialverträglichkeit aufrechterhalten werden. Die Aufgaben von Unternehmen und Gemeinwesen werden deutlicher getrennt als heute und sind damit transparenter.[12]
Das BGE fördert strukturschwache Regionen. Niemand muss, um Einkommen zu erwirtschaften, aus seiner Heimat abwandern.
Regionen werden in ihren Eigenheiten anerkannt und gestärkt. Das BGE erlaubt es Bürgern, die heute aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage abwandern, in ihrer Heimat zu bleiben. Sie sind dann in der Lage, dort Möglichkeiten zu erdenken und zu erkunden, wie der Region gemäß Probleme gelöst und neue Wege beschritten werden können. Im Unterschied zu zweckgebundenen Subventionen, die nur dann gezahlt werden, wenn der Empfänger sich auf bestimmte Zwecke und Ziele verpflichtet, überlässt das BGE jedem, den Einzelnen wie den gewählten Verantwortungsträgern, wozu die Freiräume genutzt werden.
Das BGE befreit vom Unsinn, Lebensmittel zu erzeugen, weil sie subventioniert werden.
Seit langem schon wird die unsinnige Landwirtschaftspolitik beklagt, derzufolge aufgrund hoher Subventionen gewaltige Lebensmittelmengen hergestellt werden, um dann, zu Zwecken der Preiserhaltung, große Teile davon wieder zu vernichten oder sie in anderen Ländern, z.B. Afrikas auf den Markt zu werfen. Mit einem BGE im Rücken sind Landwirte, um ihren Unterhalt zu sichern, nicht mehr von zweckgebundenen Subventionen abhängig und können Entscheidungen auf dieser Grundlage anders treffen als heute.
Das BGE gewährt eine Rente auf Lebenszeit und führt dadurch zu Veränderungen im Kapitalmarkt.
Wie uns die Finanzkrise lehrt, ist eine Absicherung durch Investitionen im Kapitalmarkt mit einem großen Risiko für den Einzelnen verbunden. Statistisch betrachtet mag, es gering sein, wenn es aber eintrifft, schlägt es mit voller Wucht zu. Ein BGE in ausreichender Höhe macht jede zusätzliche Altersvorsorge überflüssig. Freiwillig kann in sie selbstverständlich investiert werden, notwendig ist es aber nicht. Geld, das heute aus Sorge um die persönliche Zukunft in Lebensversicherungen, privaten Altersvorsorgeprojekte und Immobilien angelegt wird, wird frei für Investitionen in der Gegenwart. Das reduziert die Mittel, die heute über Versicherungen und Anlagen in den Kapitalmarkt fließen und leitet sie dorthin, wo sie hingehören: in die Hand der Bürger.
Das BGE stellt die Frage nach dem Sinn von Wachstum. Wachstum ist nicht länger Selbstzweck zur Erzeugung von Arbeitsplätzen. Fragen der Ökologie erhalten dadurch mehr Gewicht.
Das BGE macht ernst mit einer Politik, die den ökologischen Fragen unserer Zeit entspricht, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Wenn jeder Bürger jeden Monat ein BGE überwiesen erhält, dann wird transparent, dass seine Freiheit von der Solidarität der Bürger abhängt, von ihrer Bereitschaft sich einzubringen und zur Wertschöpfung nach ihrem Dafürhalten beizutragen. Zugleich ist die Frage aufgeworfen und jedem in die Hand gegeben, wozu Wachstum angestrebt werden, wozu der Wohlstand dienen soll, den wir erreicht haben. Das BGE macht die Handlungsfähigkeit der Bürger in ihrer Vielfalt zum Selbstzweck, wesentliche Fragen erscheinen in einem anderen Licht.
Leicht zu erdenken ist, wie das BGE sich auf den Berufs- und Pendelverkehr auswirken kann. Wer heute weite Pendelwege in Kauf nimmt, um ein Einkommen zu erzielen, wird sich das in Zukunft überlegen. Auch hier wirkt das BGE mittelbar auf die Arbeitsbedingungen. Womöglich wird Heimarbeit attraktiver. Welche Folgen der Pendelverkehr in ökologischer Hinsicht hat, liegt auf der Hand.
Durch das BGE wird, indem es diese Fragen aufwirft, zugleich die Bedeutung ressourcenschonenden Konsums deutlicher erkennbar.
Das BGE ermöglicht Freiheit und mutet sie den Bürgern zu. Die Verantwortung des Einzelnen für das Ganze und des Ganzen für alle wird sicht- und erfahrbar.
Freiheit ist eine Herausforderung. Wer sie fürchtet, traut sich selbst nicht und schon gar nicht den anderen – die Folge: Bevormundung und Kontrolle. Heute legt sich dieses Misstrauen den Mantel der Fürsorglichkeit um. Doch, wer Beschäftigungsprogramme fordert, wer andere beschäftigen will und es nicht ihnen zu überlassen bereit ist, womit sie sich beschäftigen, fordert auch Arbeitsverpflichtung. Das ist der direkte Weg ins Arbeitshaus – in ihm befinden wir uns heute.
Wollen wir nicht das Fundament unseres Gemeinwesens und damit unseren Wohlstand untergraben, müssen wir darauf vertrauen, dass der Einzelne seinen Beitrag leisten will. Unser Gemeinwesen kann nur bestehen, wenn wir Bürger frei sind, uns zu entscheiden, darauf gründet unsere freiheitlich-demokratische Ordnung – das BGE ist bloß ihre Fortentwicklung und hebt diesen Zusammenhang ins Bewusstsein.
Literaturhinweise
Wissenschaftliche Beiträge des Verfassers:
Liebermann, Sascha (2002), Die Krise der Arbeitsgesellschaft im Bewusstsein deutscher Unternehmensführer. Eine Deutungsmusteranalyse, Frankfurt: Humanities Online
Liebermann, Sascha (2005), „Zur Bürgervergessenheit der deutschen Reformdebatte. Eine zeitdiagnostische Betrachtung“, in: sozialersinn, Heft 1/2005, S. 131-143.
Liebermann, Sascha (2006), „Eigenverantwortung oder Selbstbestimmung? Überlegungen zur Bürgervergessenheit in der deutschen Diskussion“, in: Von der Statussicherung zur Eigenverantwortung? Das deutsche Sozialmodell im gesellschaftlichen Umbruch, Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur, Bd. 23/24, 2005/06, hrsg. vom Forschungsinstitut Arbeit und Bildung (FIAB), S. 213-228.
Liebermann, Sascha (2008), „Politische Vergemeinschaftung, Autonomie der Bürger und soziale Sicherung“, in: Jean-Michel Bonvin, Stefan Kutzner, Michael Nollert (Hrsg.): Erwerbsarbeit und Armut, Zürich: Seismo-Verlag.
Verwendete Literatur
Hardorp, Benediktus (2008), Arbeit und Kapital als schöpferische Kräfte. Einkommen und Besteuerung als gesellschaftliches Teilungsverfahren. Schriften des Interfakultativen Instituts für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe (TH), Band 16, Karlsruhe Universitätsverlag 2008 (auch online verfügbar: http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000008461).
Schlecht, Michael (2006), „Die Überflüssigen entsorgt“, taz Nr. 8115 vom 2.11., S. 11.
Siebert, Horst (2007), „Gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Eine abstruse Idee mit starken Fehlanreizen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.6.
Weber, Max (1988), „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“, Gesammelte politische Schriften, Mohr: Tübingen 1988.
Werner, Götz W. (2008), Einkommen für alle, mit aktuellem Nachwort, Lübbe.
Fußnoten
[1] Dieser Beitrag ist veröffentlicht in: Arbeit und Freiheit im Widerspruch? Bedingungsloses Grundeinkommen – ein gesellschaftliches Zukunftsmodell? Hrsg. von Hartmut Neuendorff, Gerd Peter, Frieder Otto Wolf , VSA-Verlag Hamburg 2009. Für Anmerkungen danke ich Ute Fischer und Thomas Loer. Da es sich bei diesem Beitrag nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern um eine Stellungnahme als Mitglied der Initiative und von daher als Bürger handelt, sei für Interessierte auf wissenschaftliche Ausführungen von mir verwiesen, siehe Literaturverzeichnis. Die Initiative, der bei ihrer Gründung Ute Fischer (Unna), Axel Jansen (Frankfurt/M.), Stefan Heckel (Bergisch Gladbach), Thomas Loer (Bergkamen) und der Autor angehörten, ist im Dezember 2003 mit dem Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger an die Öffentlichkeit getreten (http://www.FreiheitStattVollbeschaeftigung.de). Seither hat der Vorschlag erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, wozu besonders der Unternehmer Götz W. Werner mit einer eigenen Initiative (http://www.unternimm-die-zukunft.de) und die 2004 gegründete Plattform für Grundeinkommensinteressierte, das Netzwerk Grundeinkommen (https://www.grundeinkommen.de), beigetragen haben. Für umfangreiche Informationen und Dokumentation der Diskussion siehe auch das Archiv Grundeinkommen (http://www.archiv-grundeinkommen.de).
[2] Vgl. Schlecht 2006, S. 11. Vgl auch meine Diskussion mit Ulrich Busch in utopie kreativ Heft 176 (6/2005), seine Replik in Heft 181 (11/2005) und meine Antwort darauf in Heft 184 (2/2006). Auch die spezifische Verdrehung der Marxschen Lehre zum Zweck der Kritik des BGE ist wiederholt kritisiert worden, z.B. von Karl Reitter, utopie kreativ, Heft 188 (6/2006) und Friedrich Sixel, utopie kreativ, Heft 189-190 (7-8/2006). Alle Beiträge sind online verfügbar.
[3] Es sei hier nur erwähnt, wie sehr das alte Bundessozialhilfegesetz von den Kritikern der Agenda 2010 verklärt wird. Auch sein Zweck war, wie schon in § 1 festgelegt, die Rückkehr in den Arbeitsmarkt, also die Orientierung am Erwerbsideal. Was die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hervorgebracht haben, ist also lediglich eine Verschärfung dessen, was es schon gab.
[4] Vgl. z.B. Siebert 2007, S. 12.
[5] In dieser Verbindung von Staatsbürgerschaft und BGE herrscht keineswegs Einigkeit unter den Befürwortern. Wir halten diese Verbindung für unerlässlich, von ihr abgeleitet kann auch Personen mit dauerhafter Aufenthaltsberechtigung ein BGE gewährt werden, ganz so, wie es heute mit den Transferleistungen geschieht.
[6] Weitere Beispiele u.a. zu Unterhaltsrecht, Kinder- und Jugendhilfe, Mindestlohn, Leiharbeit in unserem Weblog http://freiheitstattvollbeschaeftigung.de/blog/.
[7] Für eine ausführlichere Darlegung siehe den Beitrag von Thomas Loer in diesem Band.
[8] Nicht zu verwechseln mit „aktivierender Hilfe“.
[9] ‚Arbeitslosigkeit‘ ist ein durch gesetzliche Bestimmungen definierter Zustand: „Die Zahl der bei den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen wird im Rahmen der Statistik der Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung der Bundesagentur für Arbeit (BA) seit 1950 monatlich nachgewiesen. Die Zahl basiert auf einer Auszählung von Verwaltungsunterlagen der Arbeitsämter. Man spricht daher von ‚prozessproduzierten Daten‘. Der Begriff des Arbeitslosen ergibt sich aus §§ 16 und 119 des Sozialgesetzbuches III (SGB III). Als arbeitslos gilt, wer
* keine oder nur eine weniger als 15 Stunden pro Woche umfassende Erwerbstätigkeit ausübt,
* eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht,
* sich persönlich bei der Agentur für Arbeit oder einem kommunalen Träger arbeitslos gemeldet hat,
* momentan nicht an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik teilnimmt.“
Vgl. die Interrnetseite des Statistischen Bundesamtes: www.destatis.de. Hieran wird deutlich, wie sehr das Verständnis von Arbeitslosigkeit zum einen davon abhängt, was unter Arbeit verstanden wird, nämlich nur Erwerbsarbeit, zum anderen davon, wie Erwerbstätigkeit definiert wird.
[10] Sie erfolgt allerdings noch in einem Alter, das von sozialisatorischen Prozessen geprägt ist bis zur Adoleszenzkrise, deren Bewältigung zugleich die Ablösung von der Herkunftsfamilie bedeutet.
[11] Es sei hier nur daran erinnert, dass die Einführung einer Zwölf-Jahresregelung für befristete Arbeitsverhältnisse an Universitäten auch eine dieser gut gemeinten Entscheidungen war und Wissenschaftler, die keine Professuren erhalten, vor dauerhafter Unsicherheit bewahren sollte. Um welchen Preis aber? Heute müssen sie nach zwölf Jahren die Universität verlassen und dürfen nur noch in Drittmittelprojekten, nicht aber mehr auf Haushaltsstellen angestellt werden. In die „Beschäftigungszeit“ wird auch die Zeit angerechnet, die für die Verfertigung einer Dissertation samt Begutachtung und Promotion benötigt wurde, aber gar kein Anstellungsverhältnis vorlag. Da wurde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Bislang schert sich keiner – nicht die Universitäten, nicht die Gewerkschaften noch sonst wer – darum, dass diese Regelung wieder aufgehoben wird.
[12] Wenn gefordert wird, Unternehmen sollten an den Lasten für die Sicherungssysteme beteiligt werden, sie müssten weiterhin paritätisch finanziert werden, dann wird eines übersehen: Ganz gleich, wie viel Beteiligung man den Unternehmen aufbürdet, die Lasten trägt immer der Konsument. Denn alle Kosten (Löhne, Sozialabgaben, Steuern) werden in die Preise kalkuliert, da ein Unternehmen keine andere Möglichkeit hat, Kosten zu decken als über den Absatz. Insofern ist es konsequent, die Konsumsteuer als einzige Steuer beizubehalten, wie es Götz W. Werner und Benediktus Hardorp vorschlagen, und sie ist es noch in anderer Hinsicht. Angesichts der Finanzkrise wird wieder viel über sogenannte Steueroasen diskutiert, auch dafür böte die Konsumsteuer eine Lösung: vor ihr kann man nicht weglaufen, da jede Transaktion, jeder Verkauf eines Gutes einen realen Ort hat, ganz gleich wo er stattfindet. Vgl. hierzu die Ausführungen von Benediktus Hardorp (Hardorp 2008) und Götz W. Werner (Werner 2008). Siehe auch den Beitrag von Ute Fischer und Helmut Pelzer in diesem Band.
Axel Gerntke (IG Metall) und Dr. Sascha Liebermann (Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“) diskutieren auf Einladung der Humanistischen Union Frankfurt am 26. Mai 2011 über das bedingungslose Grundeinkommen.