Fritz-Bauer-Preis 2004 an Dr. Susanne von Paczensky
Datum: | Freitag, 10. September 2004 |
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Mitteilungen Nr. 185, S.1
Die Humanistische Union verleiht den Fritz-Bauer-Preis 2004 an die Publizistin und Soziologin Dr. Susanne von Paczensky. Zum ersten Mal ehrt dieser Preis damit eine Frau für ihre Verdienste im Kampf um die Rechte der Frau.
1923 geboren, war ihr als Halbjüdin während der Nazizeit keine Berufausbildung möglich – erst mit 57 Jahren konnte sie als Soziologin promovieren. Nach dem Krieg wurde sie als Berichterstatterin zu den Nürnberger Prozessen bestellt, als einzige Frau unter den deutschen Korrespondenten. Als Journalistin berichtete Sie aus London und Paris, heiratete den Publizisten Gert von Paczensky und bekam 2 Kinder.
Als SPD-Mitglied engagierte sie sich in Hamburg zunächst im Gefängnisbeirat. Die Missstände im Strafvollzug, allem voran im Jugendvollzug, forderten sie heraus. Sie kämpfte für dringend notwendige Reformen und half mit, ein Übergangsheim und die erste therapeutische Anstalt zu gründen.
Ihr frauenpolitisches Engagement begann mit der Teilnahme an der großen Frauendemo 1969 in New York. Sie gründete mit anderen die Hamburger Frauengruppe F.R.A.U. und später die „Fraueninitiative 6. Oktober“. Gegen den unseligen § 218 trat sie als eine Bekennerin beim Sternaufruf „Ich habe abgetrieben“ in die Öffentlichkeit. Von nun an brachte sie erfolgreich die Entwicklung der Frauenbewegung voran, und damit auch den Kampf um die Frauenrechte in Deutschland. Dabei ist es Susanne von Paczensky gelungen, durch ihre Auftritte in der Öffentlichkeit das Feindbild der zickigen Feministin Lügen zu strafen.
Sie forderte das Recht der Frau auf freie Entscheidung bei einer ungewollten Schwangerschaft. Zu einem solchen Engagement gehörte bei einer damals durchweg feindlichen Öffentlichkeit viel Mut – und diesen Mut hat Susanne von Paczensky in ihrem Leben immer bewiesen. Die Entscheidungsfreiheit propagierte sie in unzähligen Artikeln und vielen Büchern. Und sie machte diese Forderung nicht nur publik, sondern auch menschlich verständlich. Damit hat sie sicher wesentlich zur Änderung der öffentlichen Meinung über den § 218 beigetragen. Als Initiatorin der Taschenbuchreihe rororo-aktuell-frauen gab sie etwa 40 Bücher zu politischen Frauenthemen heraus – die Titel sind ein Abbild der Fragen, die uns Frauen in den 70er und 80er Jahren bewegt haben.
Susanne von Paczensky hat sich nicht nur theoretisch engagiert: sie war eine der Gründerinnen des Hamburger Familienplanungszentrums, einer Einrichtung, in der Schwangerschaftsabbrüche ambulant vorgenommen wurden. Das war etwas, das damals von fast allen Ärzten abgelehnt wurde. Das Anliegen war aber nicht nur der schonendere Eingriff durch die Absaugmethode, sondern vor allem auch der verständnisvolle menschliche Umgang mit den betroffenen Frauen. Unter ihrer Regie wurde in diesem Zentrum „Ein kurzer Film über den Schwangerschaftsabbruch“ gedreht. Bis dahin existierten nur üble Hetzfilme zum Thema. Jetzt berichtete dies frauenfreundliche Dokument darüber, wie so ein Eingriff sein könnte; ein manchmal notwendiges und verständliches Ereignis im Leben einer Frau.
Unternehmenslustig wie immer, machte sie sich noch mit 65 nach Kalifornien auf und berichtete von dort aus über soziale Themen, etwa Missbräuche im Gefängnis. Ihr ganz besonderes Engagement galt in den USA dem Kampf gegen die Todesstrafe. Jetzt, mit 80, ist sie nach Hamburg zurückgekehrt. Es ist der richtige Zeitpunkt, ihr Lebenswerk zu würdigen.
Susanne von Paczensky erhält den Fritz-Bauer-Preis am 10.09.2004 in Lübeck.