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Juristinnen

vorgängevorgänge 59-6012/1982Seite 143-145

Aus: vorgänge Nr. 59/60, Heft 5/6-1982, S. 143-145

Männer und Frauen sind gleichberechtigt, wie jedermann/frau im Grundgesetz nachlesen kann. Wenn Verfassung und Wirklichkeit übereinstimmen würden, wäre das von Margarete Fabricius-Brand, Kristine Sudhölter, Sabine Berghahn im Verlag Elefanten Press herausgegebene Buch „Juristinnen” überflüssig. Die Begeisterung, aber auch die Ablehnung, mit der dieses Buch aufgenommen worden ist, zeigt, dass die Arbeit von Frauen im Beruf des Juristen nicht selbstverständlich ist, sondern auf in der Tiefe des Bewusstseins verwurzelte Widerstände stößt. Sie reichen weit in die Geschichte zurück und haben in der Unvereinbarkeit des traditionellen Bildes der Frau und des traditionellen Bildes des Juristen ihre Ursache. Erst das von dem Reichsjustizminister Gustav Radbruch (SPD) gegen starke Widerstände durchgesetzte Richtergesetz vom 11.7.1922 eröffnete Frauen den Zugang zum Beruf des Richters, Staatsanwalts und Rechtsanwalts. Ein Jahrzehnt später knüpften die Nationalsozialisten an alte Resentiments an und versperrten, ohne erkennbar Widerstand zu finden, Frauen den Zugang in die juristischen Berufe – ein weiterer Beweis für die vielfache Parallelität konservativen und nationalsozialistischen Gedankenguts.

Erst in den letzten Jahren finden wir Frauen in größerer Zahl im Gerichtssaal und in juristischen Berufen außerhalb des Justizbereichs. Immerhin liegt ihr Anteil an der Richterschaft der ersten Instanz jetzt zwischen 20 und 30 %, an der Staatsanwaltschaft und der Anwaltschaft bei 10 %. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede von Bundesland zu Bundesland, die nur mit einer politisch gesteuerten Einstellungspraxis erklärt werden können. Welche sachliche Begründung könnte etwa auch dafür gefunden werden, dass in der Arbeitsgerichtsbarkeit 1980 der Frauenanteil in Niedersachsen 4,44 %, in Bayern 6,66 %, in Hamburg 24 % und in Berlin West 28,36 % betrug. In den Beförderungsämtern ist der Frauenanteil dagegen verschwindend gering; zu dieser Feststellung muss aber bedacht werden, dass Beförderungsämter erst in mittleren Lebensjahren erreicht werden und die Alterspyramide der Frauen in der Justiz nach oben schnell sehr schmal wird.

Die in dem Juristinnenbuch vorgelegten Berichte über Berufserfahrungen sind bunt gemischt nach Lebensalter, Berufsfeldern und politischer Überzeugung der Autorinnen. Aufgefallen sind mir zwei Dinge:

Die lebendigsten Geister haben das Berufsfeld des Juristen aus eigenem Antrieb wieder verlassen und sind – etwa in den Journalismus – abgewandert; kein gutes Zeichen für die Juristen insgesamt.

Und: Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen der älteren und der jüngeren Generation. Während die ältere Generation, die gewiss wesentlich mehr Widerstände hat überwinden müssen, diese weitgehend leugnet, berichtet die jüngere vielfach von männlichem Verhalten, das man nur als empörend bezeichnen kann. Dieser Unterschied mag daran liegen, dass die ältere Generation Diskriminierungen im Alltag als selbstverständlich hingenommen hat und ihnen mit einem dicken Fell begegnet ist, während die jüngere Frauengeneration – zu sehr? – sensibel reagiert. Der Unterschied in den Berichten kann auch daran liegen, dass das Buch im Bereich der älteren Generation nur die Berichte beruflich sehr erfolgreicher Frauen aufgenommen hat, während das Spektrum der jüngeren Frauen sehr viel gemischter ist. Die an den Widerständen zerbrochenen Frauen sind von den Herausgeberinnen wortlos übergangen.

Es würde sicherlich zu weit führen, die einzelnen Beiträge vorzustellen. Eine Frage müssen sich die Beiträge jedoch gefallen lassen: geben sie Anlass zu der Hoffnung, dass Frauen die Justiz gerade in den Brennpunkten des politischen Interesses zu beobachtenden bornierten Enge und Hartherzigkeit herauszuführen vermöchten, dass Frauen sich mehr von Menschlichkeit und dem Bemühen um Verständnis, als von juristischen Prinzipien leiten lassen würden? Ich habe keine Anzeichen hierfür gefunden! Im Gegenteil: auch dies Buch bestätigt, dass Juristinnen eben auch nur Juristen sind; gewiss nicht schlechter, aber eben leider auch nicht besser im Sinne von: offener, verständnisvoller oder gar weitblickender. Vielleicht ist es auch eine Form von Diskriminierung, hier mehr von ihnen zu erwarten, als von ihren männlichen Kollegen. Nur gelegentlich träume ich noch davon!

Margarete Fabricius-Brand, Kristine Sudhölter, Sabine Berghahn: Juristinnen. Verlag: Elefantenpress, Berlin 1982.

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