Bremen: Ein neues Polizeigesetz für Bremen, der zweite Versuch
In: Mitteilungen 243 (03/2020), S. 25 – 26
Im Frühjahr 2018 legte der bremische Innensenator Mäurer (SPD) einen Entwurf für eine Novellierung des Bremischen Polizeigesetzes vor. Das Gesetz, ausgerichtet an den schon zuvor in anderen Bundesländern novellierten Polizeigesetzen, stieß nicht nur bei der HU und zahlreichen anderen NGO’s, wie z.B. dem Bremer Bündnis „Brementrojaner“ auf Kritik, sondern auch bei dem Koalitionspartner, Bündnis 90/Die Grünen. Letztendlich verweigerten die Grünen ihre Zustimmung und das Gesetz verschwand von der Tagesordnung.
Jetzt zweieinhalb Jahre später, in Bremen regiert inzwischen eine Rot/Rot/Grüne Koalition, wurde Ende Juni ein sehr umfangreicher neuer Entwurf für ein bremisches Polizeigesetz vorgelegt und in erster Lesung in die politische Debatte eingebracht.
Angesichts des Umfangs des Gesetzentwurfs konnten wir selber noch keine rechtliche Würdigung des Gesetzes vornehmen. Wir veröffentlichen hier aber schon einmal eine kurze Übersicht, die uns Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte) zugeschickt hat. Daraus lässt sich folgern, dass viele Kritikpunkte aufgenommen wurden und der Entwurf mit Vorsicht positiv bewertet werden kann, vergleicht man ihn mit den in anderen Länderpolizeigesetzen, die der Polizei sehr viel weiterreichende Befugnisse zugestehen.
Positiv zu bewerten ist insbesondere, dass in Bremen die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten als Beschwerdestelle eingerichtet werden soll.
Hier die kurze Übersicht von Rolf Gössner: „Wichtig schien mir, dass der Gesetzentwurf jene Regelungen nicht enthält, die wir in Bezug auf die anderen Gesetzesverschärfungen in Bund und Ländern scharf kritisiert hatten. Zu diesen nicht im Bremer Gesetzentwurf aufgenommenen Instrumenten und Befugnissen gehören:
- keine Staatstrojaner, keine Quellen-TKÜ, keine Online-Durchsuchung (entgegen den meisten anderen Polizeigesetzen in Bund und Ländern)
- keine elektronischen Fußfesseln (dto.),
- keine Ausweitung des polizeilichen Gewahrsams (Präventivhaft),
- keine Ausweitung der anlasslosen Videoüberwachung im öffentlichen Raum,
- weitgehende Abschaffung verdachtsunabhängiger Personenkontrollen an sog. Gefahrenorten (eine wichtige Korrektur, da Einfallstor für Racial Profiling)
- und keine neuen Polizeiwaffen (z.B. Taser).
Als neue Regelungen sollen aufgenommen werden: - „Gegenwärtige Gefahr“ statt „drohender Gefahr“ als Auslöser von Polizeibefugnissen, insbesondere der TKÜ
- Verbot von Racial Profiling (bislang m.W.n. bundesweit erstmalig),
- bessere Kontrolle von V-Leuten,
- besonderer Schutz von Berufsgeheimnisträger*innen,
- Kennzeichnungspflicht für die Polizei wird gesetzlich verankert,
- Zuverlässigkeitsüberprüfung von Polizei-Bewerber*innen,
- weitreichende Datenschutzbestimmungen nach EU-Vorgaben,
- Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle/Polizeibeauftrage/r, eine alte Forderung aus Bürgerrechtskreisen
- Darüber hinaus sollen die Auskunftsrechte von Betroffenen gestärkt und
- bessere Kontrollmöglichkeiten der Bürgerschaft und von ihr beauftragter Dritter/Sachverständige/r eingeführt werden (auch zu geheimen Verschlusssachen).
Das klingt zunächst recht positiv und ist im Vergleich zu den meisten anderen Polizeigesetzen in Bund und Ländern streckenweise ohne Beispiel. Selbstverständlich kommt es auf die einzelnen Bestimmungen an, die man noch genauer unter die Lupe nehmen müsste.
* Auch die Einführung/Neufassung der (präventiven) Telekommunikationsüberwachung durch die Polizei (zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben oder kritische Infrastruktur oder bei besonders schweren Straftaten) ist noch genau zu untersuchen und kritisch zu bewerten.
Die Bremer Linksfraktion konnte einiges Sinnvolle aushandeln und etliche hoch problematische Regelungen verhindern, musste allerdings – in einer Regierungskoalition selbstverständlich – auch Kompromisse machen, die man sicherlich kritisieren kann oder muss:
Die Kritik von Seiten der Opposition war zu erwarten: „Das Gesetz ist nicht für die Polizei, sondern für Polizeikritiker“, so die Gewerkschaft der Polizei (GdP); die CDU sieht ein „grundlegend ideologisch und politisch motiviertes Misstrauen gegenüber der Arbeit der Polizei“ und auch nach Auffassung der FDP atme der Gesetzentwurf den „Geist des Misstrauens“ gegenüber der Polizei.“