Kommentierung des Entwurfs für ein Bundes-Informationsfreiheitsgesetz von SPD und Bündnis90/Die Grünen
Statement von Dr. Christoph Bruch anlässlich der gemeinsamen Bundespressekonferenz von Humanistische Union, Deutscher Journalisten-Verband, Deutsche Journalistinnen und Journalisten-Union, Netzwerk Recherche und Transparency International am 17.12.2004 in Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit dem Amtsgeheimnis, d.h. dem Prinzip, Informationen im Besitz der öffentlichen Verwaltungen unabhängig von ihrem spezifischen Schutzbedürfnis als geheim einzustufen, wird ein Staatsverständnis am Leben gehalten, das die Bürger als Untertanen betrachtet.
Demokratie und Amtsgeheimnis stehen aus diesem Grund in einem Spannungsverhältnis.
Es ist deshalb eine alte bürgerrechtliche Forderung, dieses Geheimhaltungs- durch ein Öffentlichkeitsprinzip zu ersetzen. Informationen im Besitz der öffentlichen Verwaltung sollen danach für jeden ohne die Angabe von Gründen möglichst frei zugänglich sein.
Praktisch wird dies durch Informationsfreiheitsgesetze realisiert. In ihnen wird das Öffentlichkeitsgebot durch Schutzklauseln ergänzt. Durch sie werden Informationen, die im öffentlichen oder aus gerechtfertigtem privaten Interesse schutzbedürftig sind, von der allgemeinen Zugänglichkeit ausgeschlossen. Informationsfreiheitsgesetze sollen damit einen Mindeststandard für Verwaltungstransparenz setzen.
Weltweit gelten in über 50 Staaten Informationsfreiheitsgesetze. In ca. der Hälfte dieser Staaten setzen die Informationsfreiheitsgesetze Verfassungsgebote für Verwaltungstransparenz um. Letzteres gilt auch für das Bundesland Brandenburg.
Die Humanistische Union wie auch die weiteren hier auf dem Podium vertretenen Organisationen begrüßen den heute Vormittag beratenen Entwurf der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen und danken den mit diesem Projekt federführend beschäftigten Bundestagsabgeordneten für ihr Engagement.
Die grundsätzlich positive Bewertung des Gesetzentwurfs bedarf jedoch der Qualifikation, da er an zentralen Stellen die gerade skizzierten Anforderungen nicht erfüllt.
Diese Kritik soll an zwei Punkten konkretisiert werden:
- Es wird kein Mindeststandard an Transparenz festgeschrieben In § 1, Abs. 3 wird festgelegt, dass der durch das Bundes-Informationsfreiheitsgesetz festgelegte Transparenzstandard jederzeit durch andere Gesetze unterlaufen werden kann.
- Der umfangreiche und weich formulierte Katalog der Ausnahmeklauseln lässt sich leicht missbrauchen Die in Informationsfreiheitsgesetzen enthaltenen Ausnahmeklauseln müssen präzise formuliert werden, um ihren Missbrauch durch auskunftsunwillige Stellen zu verhindern. Dieser Schutz vor Missbrauch fiel im vorliegenden Entwurf zu wesentlichen Teilen dem durch die Ministerialbürokratie aggressiv vertretenen Interesse an der Bewahrung des Machtinstruments Geheimhaltung zum Opfer.
- Beispiel 1
Im Oktober berichteten die Medien über einen bis heute unveröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofes, in dem die Bundesregierung und das Toll Collect Konsortium angeblich scharf kritisiert werden. Ausgerechnet die Informationen des Bundesrechnungshofes werden durch § 3, Abs. 1, Ziffer 1e der Öffentlichkeit vorenthalten. - Beispiel 2
§ 3, Abs. 1, Ziffer 1b ermöglicht die Geheimhaltung von Informationen, „deren Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr haben könnte“. Es ist fraglich, ob diese Ausnahmeklausel in Deutschland eine Aufdeckung zulassen würde, wie sie gerade der ACLU in den USA gelang. Mit Hilfe des dort geltenden FOIA gelangte die ACLU an neue Informationen über Folterungen Irakischer Kriegsgefangener durch Angehörige der amerikanischen Streitkräfte.
Eine detaillierte Erläuterung unserer Bewertung des Gesetzentwurfs finden Sie in der fachlichen Stellungnahme, die in den ausliegenden Pressemappen enthalten ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.