Schon wieder mehr Überwachungsbefugnisse für die deutschen Geheimdienste?
In: Mitteilungen 243 (03/2020), S. 9 – 10
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums zur „Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ beschlossen. Zukünftig soll es den Geheimdiensten erlaubt sein, auch verschlüsselte Kommunikation über Messenger-Dienste wie Whats-App mitzulesen. Der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst (MAD) sollen künftig die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) einsetzen dürfen.
Abermals will die Regierungsmehrheit die Befugnisse des Verfassungsschutzes und der anderen deutschen Geheimdienste zur „verdeckten“ Überwachung von Bürgern und Bürgerinnen ausweiten. Dabei lässt sich vielfach belegen, dass gerade die Verfassungsschutzbehörden beim Kampf gegen die manifeste Bedrohung durch neonazistische und rassistische Terroristen bisher auf ganzer Linie versagt haben. Statt die Gründe hierfür konsequent zu analysieren (z. B. die Verquickung des Dienstes mit der Neonaziszene durch den Einsatz zahlreicher V-Leute), sollen die Geheimdienste wieder einmal mehr Überwachungsbefugnisse erhalten.
Im Mittelpunkt der geplanten Gesetzesnovelle steht die Zulassung der sog. Quellen-TKÜ: Um verschlüsselte Telekommunikation ausforschen zu können, soll der berüchtigte „Staatstrojaner“ nunmehr auch durch die Geheimdienste eingesetzt werden dürfen. Auf „informationstechnische Systeme“ wie Handys oder Computer soll heimlich ein Ausforschungsprogramm installiert werden. Zwar wird beteuert, dass dabei nur ganz bestimmte Inhalte erfasst werden sollen – bei der Unsicherheit dieser Methode ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass die Geheimdienste durch dieses Verfahren weit mehr höchstpersönliche Informationen erhalten als von politischer Seite behauptet wird. Dies ist ein weiterer Schritt hin zur Totalüberwachung der Bevölkerung.
Vor allem sei daran erinnert, dass die Gefahrenabwehr und auch die Strafverfolgung von Terroristen nicht zum gesetzlichen Aufgabenspektrum der Geheimdienste gehört. Zuständig hierfür sind ausschließlich das BKA und die Polizeien der Länder. Dabei wendet insbesondere das BKA Instrumente wie die „Online-Durchsuchung“ einschließlich der Quellen-TKÜ von Computern oder Handys längst an. Gegen diese Befugnis für Polizeibehörden der Länder sind schon mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig. Deren Ausgang sollte abgewartet werden können. Denn: Zur „Terrorismusbekämpfung“ ist eine entsprechende Ermächtigung der Geheimdienste völlig unnötig. Es ist vielmehr an der Zeit, den ständigen Zuwachs an Befugnissen und Personal bei den Geheimdiensten endlich zu stoppen. Mehr Geld und Befugnisse helfen nicht bei einem Geheimdienst, der seine schon historische Analyseunfähigkeit fortdauernd unter Beweis stellt.