Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 184: Der gläserne Mensch

Ein NPD - Verbot schadet mehr, als dass es nützt

aus: Vorgänge 184 ( Heft 4/2008), S.138-140

Die NPD ist eine rechtsextremistische Partei. Sie verficht antidemokratisches Gedankengut, verkörpert Fremdenfeindlichkeit, ist rassistisch und nationalistisch zugleich. Im Vergleich zu den sechziger, siebziger und achtziger Jahren hat die ohnehin schon radikale Partei ihre Radikalisierung weiter getrieben. Die Partei wartet mit aggressiven Parolen gegen den Kapitalismus auf (im Vergleich zu früher weniger gegen den Kommunismus), gegen die Globalisierung, gegen die USA und plädiert im Gegenzug für die „Volksgemeinschaft” und einen „nationalen Sozialismus”. Es gibt ersichtlich eine Nähe zu nationalsozialistischen Topoi.

Die Übernahme des Parteivorsitzes durch Udo Voigt 1996 führte nämlich zu einem fundamentalen Wandel. Mit einem auf dem Parteitag 1998 verabschiedeten Strategiepapier wollte die NPD in die Offensive stürmen. Sie propagierte ein Dreisäulen-Modell: den „Kampf um die Köpfe”, den „Kampf um die Straße”, den „Kampf um die Wähler”.

2004, nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag, kam der „Kampf um den organisierten Willen” hinzu, die Einigung des „nationalen Lagers”. Aus der Feindschaft zur demokratischen Gesellschaft wird kein Hehl gemacht, Mimikry ist nicht angestrebt. Soweit die eine Seite.

Die andere: Die NPD ist gesellschaftlich geächtet. Anders als etwa am Ende der Weimarer Republik erfährt heute jeder, der mit rechtsextremistische Positionen liebäugelt, in der Mehrheitskultur Druck — ob in den Medien oder den Kirchen, ob in den Gewerkschaften oder den Unternehmerverbänden, ob in der Wissenschaft oder in der Schule. Wer etwas auf sich hält, distanziert sich vom Rechtsextremismus und verurteilt ihn scharf.

Das ist sinn- und wirkungsvoll, dennoch nehmen wir die vollmundigen Erfolgsmeldungen der NPD vielfach für bare Münze, um uns nicht des Vorwurfes der Bagatellisierung rechtsextremer Umtriebe auszusetzen. Damit machen wir diese Partei größer als sie wirklich ist. Kaum einer prüft, wie das strategische Konzept der NPD in der politischen Wirklichkeit „ankommt”. Zugleich überschätzen wir ihre organisatorische, ideologische und strategische Geschlossenheit. Damit ist es nicht weit her. Ob Udo Voigt den nächsten Parteitag als Vorsitzen-der überlebt?

Nach dem Attentat auf den Passauer Polizeipräsidenten Alois Mannichl wurde er-neut — reflexartig – ein Verbotsantrag gegen die NPD gefordert, ohne dass ein Täter ermittelt war. Empörungs- und Entrüstungsrituale machten wohlfeil die Runde. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer trat dabei ebenso hervor wie der SPD-Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers Frank-Walter Steinmeier. Das war nach den Vorkommnissen im sächsischen Mügeln nicht anders. Das NPD-Verbot ist ein symbolträchtiges Thema, das immer wieder auf der politischen Agenda erscheint. Die Parteien haben aus dem im Jahre 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht geplatzten Verbotsantrag wenig gelernt, spricht doch Hilflosigkeit aus vielen Aussagen. Das Verfahren scheiterte an der Vielzahl der V- Leute in den Vorständen der NPD (etwa 15 Prozent). Dieser Umstand stellte für drei Verfassungsrichter ein unbehebbares Verfahrenshindernis dar. Ein Urteil in der Sache war damit nicht gesprochen, auch wenn die Partei die-sen Eindruck zu erwecken suchte.

Gewiss, die NPD ließe sich verbieten. Dafür muss nicht der Nachweis geführt werden, sie propagiere oder wende Gewalt an. Diese Partei erfüllt mit ihrer aggressiven Systemkritik die für ein erfolgreiches Parteiverbot nötigen Bedingungen. Der Verfassungsschutz müsste seine V-Leute aus der NPD abziehen. Denn um deren Ziele als offen verfassungsfeindlich auszumachen, bedarf es keiner solch zumeist dubiosen Personen. Hier wird also nicht die These vertreten, ein Verbotsantrag solle deshalb unterbleiben, weil er zum Scheitern verurteilt sei. Andernfalls wäre es ein Armutszeugnis für die Demokratie.

Nur: Aus Gründen der Liberalität und der Effizienz ist ein solches Vorgehen unangemessen. Auch und gerade Anhänger einer streitbaren Demokratie sollten dies beherzigen. Eine offene Gesellschaft ist gut in der Lage, mit einer rechtsextremistischen Partei, die plumpe Parolen predigt, ohne Verbot fertig zu werden. Dies ist der Preisder Freiheit: Auch deren Feinde dürfen agi-(ti)eren, solange sie nicht die demokratische Ordnung gefährden (können). Der etwa von dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann unterbreitete Vorschlag, denjenigen Parteien, welche die parlamentarische Demokratie ablehnen, die staatlichen Finanzmittel zu entziehen, ist kein empfehlenswerter Schritt. Damit würde indirekt das Parteienprivileg des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen.

Und ein Parteiverbot behöbe schwerlich die beabsichtigten Probleme, im Gegenteil. Spricht doch viel für die Vermutung einer Zunahme der Zahl an gewaltsamen Taten. Militante könnten entweder in den Untergrund gehen oder mit Aktionen aufwarten, die den demokratischen Verfassungsstaat herausforderten. Die Radikalisierung der NPD in den neunziger Jahren ist auch erklärbar durch zahlreiche Vereinigungsverbote gegen neonationalsozialistische Gruppierungen. Wäre durch ein Verbot der NPD ein Attentat wie das gegen den Passauer Polizeichef zu verhindern gewesen? Die Frage zu stellen heißt zugleich, sie zu beantworten.

Eine streitbare Demokratie ist nicht durch den oft benutzten, jakobinisch anmutenden Slogan gekennzeichnet: „keine Freiheit für die Feinde der Freiheit”. Denn auch Feinde der Freiheit sind nicht „vogelfrei”. Die Devise hat eher zu lauten: „keine Freiheit zur Abschaffung der Demokratie”. Wer die Prinzipien der Liberalität und der Effizienz ernst nimmt, kommt zu diesem Ergebnis. Die NPD, und in ihr sind Feinde der Freiheit versammelt, findet zuviel plakative Aufmerksamkeit, denn auch Dämonisierung ist für sie Reklame. Eine Auseinandersetzung in der Sache entzieht ihr die Wählerbasis, nicht Alarmismus.

Es sind heute vor allem Politiker aus den Reihen der FDP und der Grünen, die vehement gegen ein Verbot der NPD Stellung beziehen. Wer populistisch deren Verbotpropagiert (es dann aber doch nicht anstrebt, weil er um ihren mangelnden Nutzen weiß), betreibt indirekt das Geschäft von Rechtsextremisten. Und wer sie ohne stichhaltige Beweise krimineller Machenschaften beschuldigt, tut dies ebenso. Dies animiert „Nationale”, in die Rolle von Unschuldslämmern zu schlüpfen. Eine Verbotsmentalität entspricht schwerlich zivilgesellschaftlichen Standards. Wir leben nicht mehr in der Schönwetterdemokratie der fünfziger Jahre.

Ein Verbot kann heute – 60 Jahre nach Gründung der zweiten deutschen Demokratie – nur Ultima Ratio sein. Diese Maxime sollte generell gelten, unabhängig davon, gegen wen sie sich richtet, um jeder politischen Doppelbödigkeit einen Riegel vorzuschieben. Wer die Prinzipien einer freiheitlichen Ordnung mit ihren Werten der Toleranz und der Konfliktbereitschaft offensiv verteidigt, tut mehr für den demokratischen Verfassungsstaat als so mancher Rufer nach einem Verbot dieser Partei.

nach oben