Themen / Datenschutz / Anonymität im Internet

Was kann mir schon passieren, wenn ich keinen Anony­mi­sie­rungs­dienst verwende?

18. März 2008

Welche Webseiten Sie aufrufen, was Sie lesen und wofür Sie sich interessieren wird an vielen Stellen gespeichert. Das kann Ihnen durchaus zum Verhängnis werden, Beispiele dafür gibt es genügend.

Jedes Mal, wenn Sie sich mit dem Internet verbinden, wenn Sie eine E-Mail versenden oder eine Webseite aufrufen, werden auf Ihrem Computer und auf allen Rechnern, mit denen Sie in Verbindung treten, Daten über ihren Kommunikationsvorgang gespeichert. Daraus geht hervor, wann Sie, von wo aus und wie lange mit dem Netz verbunden waren. Viele Webanbieter speichern zudem, wer, wann, welche Webseiten aufgerufen hat.

Für Ermittlungsverfahren dienen derartige Kommunikationsdaten inzwischen als wichtiges Ermittlungsinstrument. Häufig beschlagnahmen die Strafverfolger ganze Computer oder Internetserver und werten die darauf gespeicherten Protokolle aus. Oder sie wenden sich an die Webanbieter (z.B. von Suchmaschinen), um deren gespeicherte Nutzerdaten einzusehen. In solchen Protokolldateien finden sich regelmäßig die IP-Adressen der Besucherinnen und Besucher der Webseiten. Besitzen die Ermittlungsbehörden erst einmal Ihre IP-Adresse, ist es für sie ein Leichtes, durch eine Abfrage der sog. Bestandsdaten beim Internetprovider Ihren Namen und Ihre Anschrift zu erfahren.

Sie glauben nicht, dass auch unbeschol­tene Bürgerinnen und Bürger davon betroffen sein können?

Nehmen wir einmal an, Sie wollen sich im Internet über die Zulässigkeit der Videoüberwachung öffentlicher Plätze informieren. Bei ihren Recherchen stoßen Sie möglicherweise auf eine Musterklage der Humanistischen Union gegen die Firma Dussmann, die bis 2003 an ihrem Kaufhaus in der Berliner Friedrichstraße Kameras angebracht hatte und damit die stark frequentierte Straße filmte. Interessehalber suchen Sie nun im Internet nach weiteren Informationen, was sich hinter dieser Firma verbirgt. Und schon kann es passiert sein! Im Vorfeld des G8-Gipfels von Heiligendamm im Jahre 2007 fanden in Deutschland zahlreiche Hausdurchsuchungen bei mutmaßlichen Kritikern statt. Bei einer der Durchsuchungen in Berlin präsentierten die Ermittler einen Beschluss, wonach der Betroffene verdächtigt wurde, für einen Brandanschlag auf ein Dussmann-Gebäude verantwortlich zu sein. Aus den Ermittlungsakten ergab sich folgendes Indiz für den Verdacht: „Der Beschuldigte hätte im Internet mal nach „Dussmann“ recherchiert.“ (tageszeitung vom 15.5.2007) Eine derartige Überbewertung von Internet-Kommunikationsdaten als Ermittlungsansätze beobachten wir leider immer häufiger. Den damit verbundenen Ärger, etwa die Hausdurchsuchung oder die Beschlagnahmung Ihres Rechners können Sie mit der Nutzung eines Anonymisierungsdienstes verhindern!

Die Bundesregierung und das Bundeskriminalamt (BKA) gehen sogar noch einen Schritt weiter und benutzen ihre Internetseiten als virtuelle Fallen bei der Jagd nach vermeintlichen Terroristen: Im Rahmen seiner Ermittlungen gegen die „militante Gruppe“ (mg) hatte das Bundeskriminalamt (BKA) seit 2004 eine Informationsseite eingerichtet, auf der über den Stand der Ermittlungen in diesem Verfahren berichtet wurde. Für diese spezielle Webseite protokollierte das BKA alle Zugriffe, d.h. es speicherte die IP-Adressen aller Besucherinnen und Besucher der Seite. Anschließend versuchten die Mitarbeiter des BKA, 400 von diesen Zugriffen realen Personen zuzuordnen, was den Ermittlern „nur“ in 120 Fällen gelang. (Hintergrundinformationen bei Heise). Nach dem bekannt werden dieser fragwürdigen Fahndungsmethode verteidigte die Bundesregierung ihr Vorgehen. In einer Antwort an die Abgeordnete Gisela Piltz vom 30.10.2007 verweist sie auf die Generalermittlungsklausel für die Strafverfolgungsbehörden ( § § 161, 163 StPO) als angeblicher Rechtsgrundlage für die Speicherung der IP-Adressen. Außerdem würden ja nicht alle Besucherinnen und Besucher der Webseite identifiziert: „Eine Anschlussinhaberfeststellung über den Provider … erfolgt nur bei IP-Adressen, die eine signifikante Zugriffsfrequenz aufweisen, mithin nicht bei jeder erhobenen IP-Adresse.“ (siehe BT-Drucksache 16/6884)
Die Speicherung aller IP-Adressen der Webseitenbesucher ist leider nicht auf Sonderseiten des BKA begrenzt. Wie die Bundesregierung im Herbst 2007 mitteilte, wird diese Protokollierung bei den meisten Bundesbehörden praktiziert – und das, obwohl das Berliner Landgericht die pauschale Speicherung der IP-Adressen inzwischen als rechtswidrig eingestuft hat! (Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. September 2007 – Az.: 23 S 3/07)

Sie meinen, davon wären nur wenige Menschen betroffen?

Darüber, wie oft Verbindungsdaten für Ermittlungsverfahren genutzt werden und welche Rolle sie in der Strafverfolgung spielen, liegen bisher nur wenige Erkenntnisse vor. Die Humanistische Union hatte die Abgeordneten des Bundestages bereits im Herbst 2004 aufgefordert, für diese Form der Telekommunikationsüberwachung eine Berichtspflicht im Gesetz aufzunehmen. Die Abgeordneten griffen diese Forderung zwar auf und beauftragten die Bundesregierung, bis zum 30. Juni 2007 einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht wurde vom Bundesamt für Justiz auch in Auftrag gegeben, allerdings erst nach der Verabschiedung des Gesetzes im März 2008 veröffentlicht.

Doch bereits jetzt wissen wir aufgrund der wenigen bekannten Zahlen, dass die Abfrage von Bestands- und Verbindungsdaten der Telekommunikation inzwischen zum Massengeschäft der Ermittler gehört: So rechnet die Deutsche Telekom für das Jahr 2007 – in dem die Daten „nur“ 7 Tage gespeichert werden durften – mit ca. 210.000 Abfragen von Internet-Benutzer- und Verbindungsdaten. [Quelle: Vortrag von Dr. Bernd Koebele] Die gesamte Zahl der Verbindungsdaten-Abfragen dürfte deutlich höher liegen, denn der Marktanteil der Telekom im Internetzugangsgeschäft liegt nach eigenen Angaben inzwischen bei 44% (DSL-Anschlüsse). Hinzu kommt, dass die Verbindungsdaten jetzt nicht mehr nur 7 Tage, sondern ganze 6 Monate (182 Tage) aufbewahrt werden müssen.

Wenn Sie Ihre Privatsphäre im Internet wirksam schützen wollen, sollten Sie nicht allein auf Vertrauen setzen. Die Gefahr einer solchen Ausforschung können sie reduzieren, indem Sie einen Anonymisierungsdienst verwenden! Das geht ganz einfach und ist legal.

nach oben