Beitragsbild Bringt der Koalitionsvertrag das Ende der Staatsleistungen? Staatsleistungszahlungen
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Bringt der Koali­ti­ons­ver­trag das Ende der Staats­leis­tun­gen?

Der Koalitionsvertrag kündigt ein Grundsätzegesetz für die Ablösung der Staatsleistungen an.

12. Dezember 2021

Ankündigung im Koali­ti­ons­ver­trag

Die am 24.11.2021 präsentierte Koalitionsvereinbarung verspricht auf S. 111, einen 102 Jahre alten Verfassungsauftrag aus dem Jahre 1919 zu erfüllen: „Wir schaffen in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen.“

Mit einem solchen Gesetz würde der Bundestag  einer seit Jahrzehnten von der Humanistischen Union erhobenen Forderung in einem ersten Schritt jedenfalls im Prinzip endlich Rechnung tragen, nämlich der Forderung, nach zwei Jahrhunderten die Alimentierung der Kirchen durch den säkularen und religionsneutralen Staat zu beenden und so die Trennung von Staat  und die Kirchen auch im finanziellen Bereich der Finanzen voran zu bringen.

Modalitäten bleiben unklar

Die von den Koalitionsparteien geplanten Modalitäten der Ablösung  bleiben allerdings unklar; es steht – nach den Äußerungen aller Parteien im letzten Bundestag bei der Beratung des Gesetzentwurfs von FDP, Grünen und Linken v. 15.5.2020 BT-Drucksache 19/19273 – zu vermuten, dass eine Ablösungsentschädigung in der Größenordnung von mehreren Milliarden Euro und eine stetig größere  Fortzahlung der Staatsleistungen bis zum Zeitpunkt der endgültigen Ablösung geplant ist, Zahlungen, die wie bisher von allen Steuerzahlenden zu tragen sein werden, unabhängig von ihrer Kirchenzugehörigkeit.  Das ist verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Religionsneutralität bedenklich. Der religionsfreie Teil der Bevölkerung, immerhin beinahe die Hälfte der Menschen in Deutschland, soll zudem zu dem Vorhaben auch gar nicht befragt werden, denn den versprochenen „Dialog [will man nur] mit den Ländern und den Kirchen“ führen.

Vorschlag der Humanis­ti­schen Union

Eine gänzlich andere Lösung des Problems hat die Humanistische Union schon vor mehr als einem Jahrzehnt vorgeschlagen: Da die bisherigen staatlichen Zahlungen an die Kirchen – allein seit 1948 rund 19.6 Milliarden Euro –  den Höhe von etwaigen Entschädigungsansprüchen bei weitem übersteigen, sollte das Ablösungsgrundsätzegesetz jetzt die Einstellung der Staatsleistungszahlungen vorsehen.

Späte Annäherung an den Zeitgeist

Gleichwohl ist die Ankündigung in der Koalitionsvereinbarung zu begrüßen. Sie folgt – verspätet – dem Zeitgeist, denn die Politik wird von beiden Kirchen seit einigen Jahren gedrängt, das ihnen in wachsendem Maß unangenehme Thema endlich abzuräumen. Selbst die Staatsrechtslehre hat in jüngster Zeit erkannt, dass die  Verfassung (Artikel 138 Absatz 1 Weimarer Reichsverfassung) tatsächlich bindend die Ablösung der Staatsleistungen verlangt und nicht etwa die Weiterzahlung bis in alle Ewigkeit garantiert, wie das bisher gelehrt wurde. Es ist daher der ebenso erstaunliche wie erfreuliche Zustand zu besichtigen, dass im Jahre 2021 die beidenKirchen, die Staatsrechtlehre und die Politiker einmütig die Ablösung der Staatsleistungen verlangen.  Der genannte Personenkreis erhebt jetzt  also eine Forderung, die er selbst vor gar nicht langer Zeit noch brüsk zurückgewiesen hat und für welche die Humanistische Union und verschiedene säkulare Organisationen belächelt wurden.

Fazit

Die Aufmerksamkeit der HU wie der Öffentlichkeit in der Ablösungsfrage sollte jedoch nicht nur dem angekündigten Grundsätzegesetz des Bundes gelten, sondern später auch den darauf fußenden Aktivitäten der zahlungspflichtigen Länder, welche vermutlich die zu erwartenden Grundsätze in eigenen Gesetzen mit Inhalten zu füllen haben werden.

 

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