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Geheim­dienst­liche Medien­über­wa­chung

Symbiotische Beziehungen zwischen BND und Journalisten

Grundrechte-Report 2007, Seiten 90 – 94

Im Ringen um Finanzen, Kompetenzen und Einfluss wollen Geheimdienste gelegentlich zeigen, wie wichtig, wie notwendig sie sind. Offenbar zu diesem Zweck fingierte der Bundesnachrichtendienst (BND) nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen Plutoniumschmuggel von Russland nach Deutschland. Die Täuschung der Öffentlichkeit misslang, denn der Spiegel erfuhr davon und berichtete darüber. Der blamierte Geheimdienst begab sich auf die Suche nach dem Informationsleck – und griff zu fragwürdigen Mitteln. Zum Beispiel wurde ein Journalist gewonnen, der bereit war, einen Spiegel-Mitarbeiter auszuhorchen und dann den BND zu informieren. Damit
griff der Geheimdienst eindeutig in die Freiheit der Presse ein. Doch der damalige BND-Abteilungsleiter Volker Foertsch war in dieser Hinsicht wenig penibel. Vielmehr übernahm er persönlich den Kontakt mit diesem Journalisten und benutzte ihn nun auch dazu, »die Quellen anderer Journalisten und weitere Einzelheiten über die Journalistenszene zu erfahren«. So liest man es in dem 179-seitigen Bericht, den der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer im Mai 2006 dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) und der Öffentlichkeit vorlegte. Der ganze Bericht handelt von der dubiosen Symbiose zwischen Geheimdienstlern und Journalisten, also zwischen zwei Berufsgruppen mit gegenteiligen Aufgaben – denn Journalisten sollen Öffentlichkeit herstellen, und für diese Aufgabe haben sie besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

Dem Schäfer-Bericht ist zu entnehmen, dass der BND einen großen Teil seiner Aktivitäten darauf verwendet, für die Geheimhaltung seiner Aktivitäten zu sorgen. Dafür gibt es eine eigene Abteilung, eben die zeitweilig von Foertsch geleitete Abteilung 5. Sie wurde auch tätig, nachdem der Buchautor Erich Schmidt-Eenboom 1993 unter dem Titel »Schnüffler ohne Nase – Der BND, die unheimliche Macht im Staate« etliche Machenschaften dieses eigentlich für Spionage im Ausland zuständigen Geheimdienstes aufgedeckt hatte. Offenbar hatten Mitarbeiter geplaudert. Uni ihnen auf die Spur zu kommen, observierte der BND, wie Schäfer in seinem Bericht mitteilt, einige Monate lang sechs eigene Mitarbeiter – ergebnislos.

Durch­wühlter Müll und Drohungen am Telefon

Fünf Mitarbeiter wurden abgestellt, Schmidt-Eenboom selber zu observieren und die Identität aller seiner Besucher zu klären. Von mehreren Autos und später von einem eigens angemieteten Gebäude aus beobachteten und fotografierten die Geheimdienstler tagaus, tagein von früh bis spät Schmidt-Eenbooms Arbeitsplatz, später auch seine Wohnung. Weil aber all der personelle und materielle Aufwand immer noch nicht ausreichte, wurden auch noch drei Techniker hinzugezogen. Zu zweit belauschte man Gespräche Schmidt-Eenbooms in
einem Restaurant, und man überprüfte Hunderte Autokennzeichen von Besuchern. Das ging nicht nur monate-, sondern jahrelang. Dann verfiel der BND auf die Idee, systematisch das Altpapier Schmidt-Eenbooms sowie eines von ihm geleiteten Instituts einzusammeln und auszuwerten, vor allem die auf Briefumschlägen oder in Textpassagen genannten Namen zu überprüfen, wobei eine 98 Seiten lange Liste mit Namen und Telefonnummern entstand – ergebnislos.

Inzwischen war längst ein direkter Kontakt zwischen Schmidt-Eenboom und dem BND entstanden. Der Autor hatte dem Geheimdienst zum Beispiel Einsicht in Unterlagen eines verstorbenen BND-Vizepräsidenten ermöglicht und war ihm, so der Schäfer-Bericht, auch sonst weit entgegengekommen. Als der BND schließlich glaubte, einen seiner eigenen Mitarbeiter als Informanten Schmidt-Eenbooms enttarnt zu haben, wurden weder straf- noch arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen ihn ergriffen – um den Kontakt zu Schmidt-Eenboom nicht zu gefährden.

Nachdem der Autor erfahren hatte, wie er observiert worden war, wurde er nach eigenen Angaben am Telefon bedroht: »Wenn Sie die Observationskiste öffentlich machen, werden wir Sie schlachten.« Er ließ sich aber nicht einschüchtern, und so kam es zu dem Auftrag an Schäfer, Aktivitäten des Geheimdienstes darauf hin zu untersuchen, ob sie das Grundrecht der Pressefreiheit gefährden.

Einige Details aus dem Bericht: Ausgeschiedene Referatsleiter des BND sollen Unterlagen in den Ruhestand mitgenommen haben – getrieben von dem »Bedürfnis, sich bei Journalisten auszusprechen«, vor allem ihre Erfahrungen mit Foertsch publik zu machen. Ein Kreis ehemaliger Referatsleiter soll Geld für Geheimdienstpapiere verlangt haben. Rache? Geldgier? Jedenfalls nur erklärbar in einem Klima der Käuflichkeit.

Neben­ver­dienste für Journa­listen

Der BND war, wie aus dem Bericht hervorgeht, bereit, einem Journalisten 50000 Mark für die Nennung eines Informanten in der Plutonium-Affäre zu zahlen. Ein für Spiegel, Stern, Focus und andere Zeitschriften arbeitender Journalist erhielt als »reisender Gesprächsaufklärer« in 15 Jahren vom BND mehr als 650000 Mark. Die Zusammenarbeit mit einem Journalisten hatte speziell den Zweck, ihn an der Veröffentlichung »negativer Meldungen« über den BND zu hindern.

Weiter stellte Schäfer u.a. fest, dass der BND prüfen ließ, welche Unterlagen ein Journalist im Bundesarchiv eingesehen hatte, speziell ob Unterlagen dabei waren, die Foertsch belasteten. Der Geheimdienst habe klären lassen, wem Autos gehörten, die in der Tiefgarage des Focus-Gebäudes abgestellt waren. Von einem Gewährsmann habe sich der BND nicht nur über einzelne Journalisten, sondern auch »über Hintergründe und Materialien bevorstehender Veröffentlichungen« berichten lassen. »Die Ausforschung des Medienbereichs« durch einen anderen Gewährsmann sei »außerordentlich intensiv und breit angelegt« gewesen.

Schäfer gelangte zu dem Schluss, dass etliche dieser Aktivitäten – auch angesichts eines berechtigten Interesses des BND an Eigensicherung – rechtswidrig gewesen seien; er wies darauf hin, dass u.a. die Freiheit der Informationsbeschaffung, der Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis tangiert wurden. Das Bundeskanzleramt, dem der BND untersteht, erteilte daraufhin die Anweisung, Journalisten nicht mehr als Quellen zur Erforschung der Medienszene zu führen.

Lizenz zum Lügen?

Ähnliche Dienstvorschriften galten aber schon früher; Kontakte mit inländischen Journalisten waren dem Auslandsspionagedienst verboten, Ausnahmen sollten nur durch Entscheidung des BND-Präsidenten möglich sein. Die Leitung versicherte dem Parlamentarischen Kontrollgremium, sie habe von all den Kontakten mit Journalisten nichts gewusst. Aber kann sich das PKG darauf verlassen? Der Innenstaatssekretär und frühere BND-Präsident August Hanning nährte Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner eigenen Auskünfte, als er sich am 30. November 2006 in anderem Zusammenhang weigerte, die Frage eines Abgeordneten zu beantworten, ob er ein US-amerikanisches Schweigeersuchen als »Lizenz« betrachte, das PKG zu belügen.

Gewissenhafte Journalisten täten gut daran, sich mit Geheimdiensten überhaupt nicht einzulassen. In dem »Pressekodex«, auf den sich die deutschen Journalisten- und Verlegerverbände verständigt haben, ist längst klargestellt: »Nachrichtendienstliche Tätigkeiten von Journalisten und Verlegern sind mit den Pflichten aus dem Berufsgeheimnis und mit dem Ansehen der Presse nicht vereinbar.«

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