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Ungleich­heit zum Nachteil der Kinder - Zum einge­schränkten Adopti­ons­recht der Leben­s­partner

Grundrechte-Report 2012, Seite 69

2002: Ein Deutscher adoptiert in Rumänien einen 2 Jahre alten Jungen. Die Adoption wird im November 2006 nach deutschem Recht anerkannt. Der Mann lebt mit einem anderen Mann zusammen und ist mit ihm eine Lebenspartnerschaft eingegangen. Der Lebenspartner möchte das Kind, das er seit 2002 gemeinsam mit dessen Adoptiv-Vater betreut, ebenfalls adoptieren.  Der Antrag auf Adoption wird unter Hinweis auf  das derzeitige Recht abgelehnt, die Beschwerde bleibt erfolglos.

Wären die beiden miteinander Verbundenen nicht Lebenspartner, sondern Eheleute gewesen, so hätte der eine Ehepartner das adoptierte Kind des anderen Lebenspartners sehr wohl adoptieren können.
Wie ist das zu erklären?  Bringt ein Lebenspartner oder eine Lebenspartnerin ein adoptiertes Kind „mit“ in die Beziehung, so besteht eben ein gravierender Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft:

Gemäß § 1742 BGB kann ein bereits angenommenes (adoptiertes) Kind nur von dem Ehepartner des Annehmenden angenommen werden, solange dieser lebt. Das heißt aber eben auch: Ein von einem Ehegatten adoptiertes Kind kann von dem anderen Ehegatten adoptiert werden. Bei Lebenspartnerschaften ist dies nicht möglich. Zwar kann ein Kind des anderen Lebenspartners nach § 9 Absatz 7 LPartG angenommen werden, nicht jedoch, wenn es ein adoptiertes ist.

Eigentlich sollten die „klassische“ Ehe zwischen Mann und Frau und die (gleichgeschlechtliche) Lebenspartnerschaft  in ihren rechtlichen Wirkungen durch die Reform des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahre 2004/2005 in den meisten relevanten Bereichen angeglichen werden. Adoptionen durch Lebenspartner sollten aber nach dem Willen des Gesetzgebers anders behandelt werden als Adoptionen durch Ehepartner. Bei Adoptionen gibt es nämlich über die oben dargestellte Konstellation  hinaus einen weiteren erheblichen Unterschied: Lebenspartner/innen können zwar ein( leibliches!) Kind ihres Partners/ihrer Partnerin annehmen. Ein „fremdes“ Kind können Lebenspartner dagegen nicht gemeinsam adoptieren. Bei Ehepaaren ist die gemeinsame Annahme eines Kindes dagegen die Regel (§ 1741 II BGB).

Unter­schied­liche Behandlung rechts­widrig ?

Ist eine unterschiedliche Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Adoptionsrecht überhaupt zulässig?

Das Bundesverfassungsgericht wird zu dieser Frage zumindest in einem Punkt im Jahre 2012 eine Entscheidung treffen: Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat als weitere Beschwerdeinstanz am 22.Oktober 2010 dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Verbot der „Sukzessivadoption“, der Adoption eines adoptierten Kindes des einen Lebenspartners durch den andern, verfassungsgemäß ist.

Das OLG Hamburg macht seine Bedenken an dem Gleichheitsgebot des Artikels 3 GG fest. Das Gericht erinnert daran, dass es der ausdrückliche politische Wille des Gesetzgebers im Jahre 2004 war, dass die Lebenspartnerschaften bei Adoptionen gerade nicht vollkommen gleichgestellt werden sollten.

In der Tat ist es offensichtlich fragwürdig, warum es einen Unterschied macht,  ob das Kind ein leibliches oder ein adoptiertes Kind des anderen Lebenspartners ist. Ein Ansatzpunkt für eine Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar, ebenso wenig kann akzeptiert werden, weshalb Ehe und Lebenspartnerschaft in diesem Punkt ungleich behandelt werden.

Das OLG Hamburg bezieht sich darüber hinaus auf Kindeswohlgesichtspunkte. U.a. beruft es sich auf eine Studie, die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens 2004  sogar in den Gesetzesmaterialien zitiert wurde: „Entscheidend für die Entwicklung der Kinder ist nicht die Struktur der Familie, sondern die Qualität der innerfamiliären Beziehungen“  heißt es darin. Das OLG Hamburg wendet sich auch überzeugend gegen die Vorurteile in Gesellschaft und juristischer Literatur, dass Kinder aus eben den genannten Gründen zwingend ein heterosexuelles Elternpaar für ihre gesunde Entwicklung brauchten.

Das wirft natürlich unweigerlich die Frage auf, ob nicht Ehe und Lebenspartnerschaft in jeder Hinsicht gleich behandelt werden müssen.

Am 6.6. 2011 fand im Rechtsausschuss eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/die Grünen statt, nach dem das Adoptionsrecht bei verheirateten und durch Lebenspartnerschaft verbundenen Paaren gleichgestellt werden soll. 
In der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages wurde  von der Mehrzahl der Sachverständigen eben diese Auffassung vertreten.

Das OLG Hamburg hat auf ein besonderes Problem aufmerksam gemacht, dessen Bestehen bei vernünftiger Betrachtung absurd erscheint.  Darüber hinaus hat das OLG Hamburg deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber für die Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft gerade keine nachvollziehbare Begründung abgegeben hat.

Das Recht muss die Realität einholen

Schon deshalb ist dringlich zu fordern, dass der Gesetzgeber die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare  in gleicher Weise wie durch Ehepartner ermöglicht.

Im politischen Raum begründen diejenigen, die gegen ein volles Adoptionsrecht für Lebenspartner sind, dies nicht offen mit schwulen- oder lesbenfeindlichen „Argumenten“  wie sie an Stammtischen hörbar sind, sondern es geht um das „Recht des Kindes auf sowohl Vater und Mutter“ (so die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten Fischbach und Winkelmeier-Beck in der aktuellen Debatte, zit. nach http://de.nachrichten.yahoo.com). Wer so argumentiert, könnte auch Einzeladoptionen verbieten oder gar Zwangsehen für Verwitwete vorschlagen. Es ist ersichtlich ein unschlüssiges Scheinargument.

Wirklich tragisch  dagegen, was passieren kann, wenn  ein Partner stirbt – und die Adoption nicht möglich ist bzw. war: Dann verliert das Kind den einzigen  Sorgeberechtigen und der andere Lebenspartner in Konstellationen wie den hier beschriebenen ist darauf verwiesen, die Vormundschaft für das von ihm/ihr womöglich lange Jahre in häuslicher Gemeinschaft mitbetreute Kind zu beantragen. Geht es den Gegner/innen des gleichen Adoptionsrechts von Verheirateten und Lebenspartnern also tatsächlich um das Kindeswohl?

Die Lebensformen sind einem stetigen Wandel unterworfen – die Ehe von Mann und Frau ist schon lange nicht mehr das einzige Modell eines gemeinschaftlichen Lebens und schon lange nicht mehr das Leitbild für verantwortungsvolles Miteinander. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung zu tragen. Gelebte Lebensformen müssen – gerade im Kindeswohlinteresse – den notwendigen rechtlichen Rahmen erhalten.

Literatur

OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2010, Az. 2 Wx 23/09

http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/11_LebenspartnerschaftsG/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Dethloff.pdf

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