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Beirat Diether Huhn im September gestorben.

Mitteilungen12/1999Seite 98

Mitteilung Nr. 168, S. 98

Diether Huhn ist tot. Ob ich einen Nachruf schreibe? Ja – aber was soll ich nachrufen außer: Ach! Ach! Alle ehrenhaften Daten über Beruf, Karriere, Ämter waren ausführlich in den Gazetten. Sie handelten von dem „offiziellen“ Diether Huhn.– Sie sagten nichts davon, daß er mit großer Freude die jungen Menschen unterrichtete. („Er wird uns immer ein Vorbild bleiben“, sagten drei junge Studentinnen an seinem Grab.)– Sie sagten nichts über den querdenkenden, zweifelnden, ironischen, humorvollen Diether Huhn. Er dachte den Widerspruch mit: „Diese Sätze sind falsch, obwohl sie richtig sind. Manchmal. Vielleicht.“, lese ich in einem seiner Rechtspflege-Beiträge.– Sie sagen nichts von der Leidenschaft mit der er in den letzten Jahren durch „sein“ Berlin spazierte und dies beschrieb. Überhaupt: Er schrieb und schrieb und schrieb. Als er 60 Jahre alt wurde, hatte er zu jedem seiner Jahrzehnte etwas geschrieben. Daraus zitiere ich das letzte: „Als er 60 wurde, hätte er übertrieben, wenn er sagt: Er freue sich, weil er nun weise sei. Er betrachtete eine und die andere Hochschule und verbot sich jeden Gedanken über ihren Nutzen. Gelegentlich betrachtete er das Gerichtswesen und wunderte sich, daß er es jemals nötig gehabt hatte, im Schutze eines schwarzen Kittels zu arbeiten. In Abständen betrachtete er die SPD und fragte sich, ob er notfalls ein soziales Ideal benennen könne, von dem er erwartete, daß diese Partei und er es in Wirklichkeit verwandeln würden. Fast jede Woche betrachtete er ein Institut, das das Soziale in seinem Namen mit dem Pädagogischen vereinte und fragte sich, ob diese Vereinigung Lücken lasse. Jeden Morgen und jeden Abend betrachtete er das Leben und dachte darüber nach, daß das, was er hier das Leben nannte, eine Art Gegenstand für ihn wurde, demgegenüber er sich als ein Subjekt betrachten konnte, und zwar als ein fremdes. Mehrere Stunden an jedem Tag blickte er auf weißes Papier und empfand den Zwang, es mit Zeichen zu bedecken, die sich zu Worten fügten, immer seltener zu juristischen, weil er diese für lächerlich zu halten begann. Täglich betrachtete er Frauen, weil er die Betrachtung der Frauen für erfreulich hielt.“ So hat er unbewußt seinen eigenen Nachruf geschrieben. Darüber hätte er geschmunzelt. Er wird vielen fehlen. Anna Elmiger Weniger dem Funktionsträger als dem Menschen Diether Huhn gilt der vorangestellte Nachruf von Anna Elmiger. Diether Huhn, geb. am 10. April 1935 in Lübeck, starb nach schwerer Krankheit am 23.9.1999 in seiner langjährigen Wahlheimat Berlin. Einige seiner zahlreichen Lebensaufgaben seien hier aufgezählt: Von Beruf war Diether Huhn, u.a. Vorsitzender Richter am Landgericht, Professor für Rechtsdidaktik, Familien- und Sachenrecht und Mitverfasser juristischer Kommentare, daneben Prorektor der FH für Verwaltung und Rechtspflege und Gesamthochschulbeauftragter des Senats. Auch den Medien galt seine Arbeit: Er war Mitglied des Rundfunkrats des SFB, dort Vorsitzender des Programmausschusses, Vorsitzender der Medienkommission der Berliner SPD und deren stellvertretender Bundesvorsitzender. Als Schreibender war er Mitbegründer und -herausgeber des Bezirksjournals Berlin sowie Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen, zuletzt der überaus lesenswerten „Berliner Spaziergänge“, aufschlußreich zur inneren Verfaßtheit der Hauptstadt und des Verfassers selbst (ein vierter Band erscheint im Frühjahr). Der Humanistischen Union war Diether Huhn bis zuletzt als Beirat verbunden. Die Traueransprache am 5.Oktober 1999 wurde von einem weiteren prominenten HU-Mitglied gehalten: Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. T.S.HSU München: Wer weiß was? Ein aktuelles Forschungsprojekt zur neueren Geschichte befaßt sich mit der Münchener Studentenpolitik der 60er Jahre und in diesem Zusammenhang auch mit der Humanistischen Studentenunion (HSU) in München. Bekanntlich gab es enge institutionelle Bezüge und zahlreiche Doppelmitgliedschaften zwischen HU und HSU. Forschungsgegenstand der Arbeit ist die Entfaltung einer bürgerrechtlich-liberalen und radikaldemokratischen „Bewegung“ – auch ein historischer Verdienst unserer HU.Die laufende Promotionsarbeit wurde durch entsprechende Kopien aus unserem Archiv unterstützt, darunter z.T. bisher unbekanntes Material, das dem ersten Anschein nach zum Fortschritt der Arbeit beitragen könnte. Besonders interessant war nach Ansicht des Forschers, daß die HSU offenbar eine Art Sammelbecken für verschiedene hochschulpolitische Gruppen der liberalen und linken Seite (LSD, SHB, SDS…) war, so daß sie wohl eine tragende Rolle bei der Vernetzung der studentischen Linken im Vorfeld der Formierung einer studentischen „Bewegung“ gespielt hat. Auf die Fertigstellung der Arbeit, voraussichtlich im nächsten Jahr darf man in jedem Fall gespannt sein!Und jetzt eine Bitte: Es gibt sicherlich noch etliche frühere HSU-Mitglieder unter den Mitgliedern der HU in und um München, die schon lange nichts mehr von diesem historischen „Ableger“ gehört haben aber noch über Unterlagen verfügen. In diesem Fall wird gebeten, sich direkt mit dem Forschenden Stefan Hemler in Verbindung zu setzen: (Adresse: Boxberger Str. 4, 80939 Muenchen, e-mail: shemler@sun1.cip.fak14.uni-muenchen.de). Von Interesse sind v.a. die Gegebenheiten der Münchner HSU. Eine bundesweite Aufarbeitung der HSU-Geschichte und Ihrer zahlreichen Bezüge zur Demokratisierungsbewegung an den Universitäten wird wohl vorerst noch auf sich warten lassen. Immerhin war die HSU um 1968 in zahlreichen Studierendenvertretungen vertreten und stellte auch etliche Vorsitzende. Wie die HU war auch die HSU offenbar eine Arena des offenen und parteiungebundenen politischen Diskurses. Im Zuge der Hochschulreformgesetze stellte sie schließlich Ihre Arbeit ein…

Tobias Baur

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