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Bericht vom DK-Wo­chen­ende

Mitteilungen12/2001Seite 103

Mitteilungen Nr. 176 S.103

Festveranstaltung 40 Jahre HU
Drei Tage nach den Terroranschlägen in den USA blieb unsere Veranstaltung zum vierzigjährigen Bestehen der HU im Senatssaal der Berliner Humboldt-Universität von den Medien weitgehend unbeachtet. Vor dem Hintergrund des welt- und innenpolitischen Geschehens bot die dennoch gut besuchte Versammlung kritische Rück- und Ausblicke und gab Anlaß zum Gedankenaustausch. u.a. mit einer aus aktuellem Anlaß erweiterten Rede der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Dr. Jutta Limbach zum großen Thema der Menschenwürde (siehe Auszüge S. XXX).
Musikalisch umrahmt wurden eine Ansprache des Bürgermeisters und Justizsenators Wolfgang Wieland, eine Rede des Bundesvorsitzenden Dr. Till Müller-Heidelberg sowie des früheren Bundesgeschäftsführenden Leo Derrik. Kurze Ausschnitte dieser Reden haben wir in diesem Heft abgedruckt. Für alle, die nicht dabei sein konnten, sind die vollständigen Redetexte auch über die HU-Geschäftsstelle erhältlich. Den Abschluß des Feier-Abends bildete ein aus dem Stegreif geführtes Interview zwischen einem Neumitglied (Constanze Oehlrich) und zwei Mitgliedern des Gründungsjahrganges (Klaus Scheunemann, Klaus Waterstradt) sowie zum Ausklang ein kleiner Empfang im Foyer des Senatssaales.

Ergebnisse der 17. HU-Delegiertenkonferenz
Zum Auftakt der HU-Mitgliederversammlung am folgenden Tag berichteten nacheinander der Vorsitzende, zwei Vorstandsmitglieder und die Geschäftsführung zu den Arbeitsergebnissen der letzten beiden Jahre: den zahlreichen Beschlüssen und politischen Bündnissen, Tagungen und Veranstaltungen, Musterklagen und Presseerklärungen sowie sonstigen Veröffentlichungen, wie der gerade erschienenen vorgänge-Festschrift, die inzwischen nicht nur bei HU-Mitgliedern für einiges Aufsehen gesorgt hat. Weiter gab es Kurzberichte einiger Arbeitskreise (AK „Sexualstrafrecht“, AK „Demokratie und Internet“ sowie zum bundesweiten Gefangenenbriefkontakt. Nach einem Bericht der Revisoren (Jürgen Gerdes und Hansjörg Siebels-Horst) wurde der Vorstand mit großer Mehrheit entlastet. Das Protokoll zur DK ist in Kürze, der Bericht der Geschäftsführung sofort bei der HU-Bundesgeschäftsstelle erhältlich.

Nachmittags wurde ein hoch interessantes Referat zum aktuellen Thema „Bioethik und Bürgerrechte“ vorgetragen. Dr. Michael Wunder (Dipl.-Psych., Leiter d. Zentrums f. Beratung, Diagnostik u. Psychotherapie in Hamburg und  sachverständiges Mitglied der Enquête-Kommission des Bundestages) stellte die derzeit vertretenen Positionen und Konfliktlinien dar – auch als Grundlage für die anschließende intensive Diskussion und die vorliegenden DK-Anträge zum Thema der Gen-Ethik.

Bei den traditionellerweise abends stattfindenden Wahlen wurde Till Müller-Heidelberg bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme erneut zum Bundesvorsitzenden der HU gewählt. Anschließend bestimmten die Delegierten den dieses Mal neunköpfigen HU-Bundesvorstand (siehe Kasten Seite XXX). Gleich fünf Personen wurden erstmals in den Bundesvorstand der HU gewählt, davon werden drei vorrangig zu bestimmten Themenschwerpunkten arbeiten.

 In die weiteren Satzungsfunktionen gewählt wurden:

Schiedsgericht der HU:
Johannes Glötzner, Hannes Haupt, Heide Hering, Ursula Tjaden und Edith Wessel.

Wahlkommission:
Nina Helm, Roland Otte und Thymian Bussemer sowie als Stellvertretende: Sebastian Schiek, Jürgen Roth und Katharina Ahrendts (alles Berliner Mitglieder zur Vermeidung von Reisekosten).

Revisoren:
Die bisherigen Funktionsinhaber Jürgen Gerdes und Hansjörg Siebels-Horst wurden einstimmig erneut gewählt.

Zum Diskussionsredakteur wurde am Sonntag Franz-Josef Hanke gewählt (Verbindungen siehe Seite XXX bei Diskussionsredaktion)

Beschlüsse
Strukturelles und Satzungsbeschlüsse
Ein Antrag zur Neuregelung des Mitgliedsbeitrags wurde ohne Gegenstimme verabschiedet: Damit folgten die Delegierten dem Vorschlag des Bundesvorstandes, die fällige Euro-Umstellung im (für die Mitglieder günstigen) Verhältnis 2:1 vorzunehmen (s. Kasten Seite: XXX). Der einzige Satzungsantrag, die Verlegung des Vereinssitzes nach Berlin, erreichte nicht die notwendige Mehrheit. Damit bleibt es bei der formalen Zuständigkeit des Münchner Vereinsregisters für künftige Satzungsänderungen.

Thematische Beschlüsse
Nach ausführlicher und guter Debatte beschloss die DK, einen Arbeitskreis einzurichten, der sich mit den Problemen der Genforschung (gesetzliche Voraussetzung, ethische Grundlagen, mögliche Folgen für Menschen- und Bürgerrechte) als Grundlage für eine HU-Stellungnahme befaßt. Als Federführende der Arbeitsgruppe Gentechnik wurden Dietrich Schade und Nils Leopold von den Delegierten einstimmig bestätigt. Zum Verbandstag 2002 soll dann ein weiterer Austausch über Positionen und Standpunkte der HU in dieser Debatte stattfinden. Außerdem verabschiedeten die Delegierten eine Positionsbestimmung der HU zur Gentechnik (Präimplantationsdiagnostik/ PID, Stammzellenforschung, Datenschutz) sowie bürgerrechtlichen und gesellschaftspolitischen Nutzen und Risiken dieser Technologien. Als wesentlich wurden von der DK folgende Punkte angesehen: 1. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch darf nicht angetastet werden 2. Frauen müssen über das Risiko, das beispielsweise PID in sich birgt, aufgeklärt werden 3. Negative Folgen für den gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung und Behinderten müssen geklärt und verhindert werden 4. Die datenschutzrechtlichen Aspekte genetischer Testverfahren sind dringend diskussions- und regelungsbedürftig.

Beschlossen wurde auch eine Aufforderung an die Bundesregierung, unverzüglich die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland umzusetzen und damit dem Beschluss des Bundestages auf Rücknahme aller Vorbehalte zu folgen. Damit unterstützen wir auch andere Kampagnen, z.B. von pro Asyl, zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention – alle HU-Orts-, Regional- und Landesverbände sind aufgerufen, diese Kampagne ebenfalls tatkräftig zu unterstützen.

Weiter beschlossen wurde die Ausrichtung einer Fachtagung unter dem Arbeitstitel „Berliner Gespräche zur Trennung von Staat und Kirche“ in Berlin. Als voraussichtlich zweijährliches Fachtreffen soll dieses geplante Forum kritischer Rechtswissenschaftler einen Kontrast zu bestehenden Fachtagungen setzen. Das Bundesvorstandsmitglied Jürgen Kühling erklärte sich bereit, sich hierfür einsetzen und Kontakte herzustellen.

Die Delegierten unterstützten auch friedliche Proteste gegen Atomwaffen auf deutschem Boden; als positives Beispiel für solche Formen friedlichen Protests wurde die Aktion in Büchel (Atomwaffenlager) gesehen.

Mit großer Mehrheit angenommen wurde der Vorschlag, das bestehende Wahlrecht auf Bundesebene um die Elemente des Kumulierens und Panaschierens zu erweitern.  Die HU setzt sich künftig für eine solche Änderung des Wahlrechts ein, damit Wählerinnen und Wähler einzelnen BewerberInnen auf der Liste einer Partei mehrere Stimmen geben können (Kumulieren) und / oder ihre Stimmen nicht bloß einer Partei, sondern verschiedenen Personen geben können, auch wenn diese aus unterschiedlichen Parteien kommen (Panaschieren).

Der Bundesvorstand wurde auch beauftragt, Initiativen für die Einführung einer „Ersatz-Zweitstimme“ bei Parlamentswahlen zu ergreifen mit der ein Wähler angibt, welcher Partei seine Stimme zufallen soll, falls die mit seiner regulären Zweitstimme gewählte Partei den Einzug in das Parlament wegen der bestehenden 5%-Hürde verfehlt.

Ebenfalls befürwortet wurde von der DK der Vorschlag, die staatliche Parteienfinanzierung zu reduzieren und mit so eingesparten Mitteln stattdessen eine „Demokratie-Stiftung“ einzurichten. Hierzu erging ein Auftrag an den Bundesvorstand, dem Gesetzgeber entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Der Bundesvorstand wurde auch beauftragt, gemeinsam mit  anderen Organisationen eine bildungspolitische Konferenz zu veranstalten. Ein weiterer Auftrag an den Bundesvorstand lautete, eine Erklärung zu den politischen Reaktionen auf die Terroranschläge in den USA zu verbreiten. Der von Till Müller-Heidelberg vor Ort entsprechend der Diskussion überarbeitete Entwurf des Berliner Landesvorstands wurde umgehend vom Bundesvorstand verabschiedet und ist in dieser Ausgabe der Mitteilungen dokumentiert (Erklärung s. S. XXX).

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