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Fritz-­Bau­e­r-­Preis für pazifis­ti­schen Einsatz

Mitteilungen03/2001Seite 10

HU ehrt Erstunterzeichner des „Aufrufs zur Fahnenflucht“

Mitteilung Nr. 173, S. 10

Zum 25. Mal verleiht die HU im 40. Jahr ihres Bestehens den Fritz-Bauer-Preis für herausragendes Engagement um Demokratie und Bürgerrechte. Der ideelle Bürgerrechtspreis wird im Gedenken an das HU-Gründungsmitglied Dr. Fritz Bauer, den 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalt, verliehen. Termin und Ort der Preisverleihung stehen noch nicht fest (Anm. T.B.: Möglicher Termin ist der 10. Juni, evtl. in Berlin)
Die Reihe der prominenten Preisträger, darunter Gustav Heinemann (1970), Lieselotte Funcke (1990), Günter Grass (1997) oder Regine Hildebrandt (2000), wird nun erstmals um eine ganze Personengruppe erweitert: Den Fritz-Bauer-Preis für das Jahr 2001 erhalten die 28 Erstunterzeichenenden des Aufrufs, der sich zum Beginn des Kosovo-Krieges an deutsche Soldaten im Rahmen des NATO-Kriegseinsatzes richtete. Der „Aufruf an alle Soldaten der Bundeswehr, die am Jugoslawien-Krieg beteiligt sind“ erschien als halbseitige Anzeige in der taz vom 21. April 1999. Die Aufforderung an deutsche Soldaten, sich nicht weiter am militärischen Vorgehen zu beteiligen wurde darin u.a. damit begründet, daß es sich bei diesem ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ohne Mandat des Weltsicherheitsrates handele und massive Gefahren für Zivilpersonen durch Bombardierung und Vertreibungen abzusehen sind.
Die einhellige Entscheidung des Bundesvorstandes erklärte der HU-Bundesvorsitzende Dr. Till Müller-Heidelberg so: “Mit der Preisver-leihung möchte die HU die Erstunterzeichnenden der Anzeige in der taz vom 21. April 1999 ehren, die hiermit ihrem Gewissen gefolgt und gegen die allgemeine Kriegseuphorie aufgetreten sind, die das Eintreten für ihre Überzeugung und für Völker- und Verfassungsrecht für wichtiger hielten als persönliche Nachteile, die voraussehbar waren: Anklagen und Strafverfahren.“
Friedensforscher, Pazifisten und Menschenrechtsgruppen – darunter die HU – hatten frühzeitig davor gewarnt, geltendes Völkerrecht zu mißachten und statt dessen frühzeitige Konfliktschlichtungs- und friedenserhaltende Maßnahmen eingefordert – leider unerhört.
Die Warnungen wurden in den letzten Monaten dadurch unter-mauert, dass sich viele Angaben zu vermeintlichen Greueltaten wie auch andere Begründungen des Angriffskrieges – beispielsweise der sogenannte „Hufeisenplan“ – als Unwahrheit herausgestellt haben (z.B. der Monitor-Beitrag vom 8.2. „Neue Zweifel am Massaker von Racak“ oder die WDR-Sendung „Alles begann mit einer Lüge“ vom selben Tage).
„Handlungen, die geeignet sind … das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen“, steht in Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes. Doch nicht gegen die verantwortlichen Militärs oder Politiker, sondern gegen die Unterzeichner rollt seit Ende 1999 eine Prozeßwelle. In erster Instanz wurden – alleine in Berlin – sieben Personen verurteilt. Dem gegenüber standen über 30 Freisprüche, zumeist mit der Meinungs-freiheit der Aufrufer begründet. Ein Urteil erkannte ausdrücklich die völkerrechtliche Begründung des Aufrufs an. Gegen sämtliche Urteile und Freisprüche wurde Berufung eingelegt, auch gegen die ersten Urteile der zweiten Instanz – vorwiegend Freisprüche – hat die Staatsanwaltschaft inzwischen Revision eingelegt.
Unter den Erstunterzeichnern des Aufrufs sind namhafte Pazifistinnen und Pazifisten. Einige Persönlichkeiten verkörpern den bundesdeutschen Pazifismus seit der Diskussion um die Wiederbe-waffnung der Bundeswehr über die Ostermarsch- und Friedensbe-wegung der 80-er Jahre bis heute. Dieser praktizierte Verfassungs-schutz und die dabei gezeigte unbeirrte Haltung ist nach Ansicht der HU besonders hervorzuheben.

Namensliste der 28 Erstunterzeichnenden des „Aufruf an alle Soldaten der Bundeswehr, die am Jugoslawien-Krieg beteiligt sind“, erschienen in taz v. 21. April 1999

Dr. Volker Böge, Hamburg
Dr. Aris Christidis, Gießen
Alois Finke, Bonn
Brigitte Gärtner-Coulibaly, Herford
Dr. Wolfgang Hertle, Quickborn
Pfarrer Hubertus Janssen, Limburg
Wolfgang Kaleck, Berlin
Dr. Wilfried Kerntke, Offenbach
Brigitte Klaß, Frankfurt/ M.
Ekkehart Krippendorf, Berlin
Armin Lauven, Bonn
Volker Mergner, Frankfurt/ M.
Stephan Nagel, Greifswald
Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin
Ingrid Röseler, Steinbach-Hallenberg
Clemens Ronnefeldt, Krastel
Prof. Dr. Roland Roth, Bonn
Martin Singe, Bonn
Mani Stenner, Bonn
Dr. Elke Steven, Köln
Volker Strom, Bonn
Helga und Konrad Tempel, Ahrensburg
Sonja Tesch, Hamburg
Hermann Theisen, Heidelberg
Hanne und Klaus Vack, Sensbachtal
Dirk Vogelskamp, Düren

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