Themen / Innere Sicherheit

HU-Stel­lung­nahme zur Bundes­tags­-An­hö­rung "Terro­ris­mus­be­kämp­fungs­ge­setz"

27. November 2001

An das Sekretariat
des Innenausschusses des
Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am Freitag, 30. November 2001, zum Entwurf eines Terrorismusbekämpfungsgesetzes, Drucksache 14/7386

1. Der Unterzeichner dankt in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender der ältesten deutschen Bürgerrechtsorganisation, der HUMANISTISCHEN UNION, für die Einladung als Sachverständiger zur o.g. Anhörung im Innenausschuß. Dies ändert aber nichts an der zu äußernden Kritik am Verfahren und der damit verbundenen Hektik. Der Unterzeichner hat die Einladung mit Telefax am Donnerstag, den 22.11.2001, erhalten, die Original-Einladung mit der Drucksache 14/7386 am Montag, den 26.11.2001. Stellungnahmen wurden erbeten bis zum 27.11.2001 ! Eine sorgfältige und umfassende, etwa gar wissenschaftliche Analyse des Gesetzesentwurfs ist unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Angesichts der Tatsache, daß keine einzige der im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen den Anschlag vom 11. September 2001 in den USA verhindert hätte und darüber hinaus (mit Ausnahme der vorgeschlagenen Änderungen des Luftverkehrsgesetzes) fast keine Maßnahme im Gesetzesentwurf mit Terrorismusbekämpfung etwas zu tun hat, ist dieser Zeitdruck nicht nur unangemessen, sondern auch völlig überflüssig.

In der Begründung im Abschnitt B (Seite 84 des Gesetzesentwurfs) heißt es, der Entwurf beinhalte „die für eine entschlossene, aber auch wirkungsvolle Bekämpfung des internationalen Terrorismus dringend erforderlichen Maßnahmen. Hierzu bedarf es der Anpassung zahlreicher Sicherheitsgesetze, wie des Bundesverfassungsschutzgesetzes, des MAD-Gesetzes, des BNDGesetzes, des Bundesgrenzschutzgesetzes, des Bundeskriminalamtgesetzes, aber auch des Ausländergesetzes und anderer ausländerrechtlicher Vorschriften. Der Schwerpunkt der Gesetzesänderungen liegt darin, den Sicherheitsbehörden wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesgrenzschutz und dem Bundeskriminalamt die nötigen gesetzlichenBefugnisse zu geben.“

Das Bundesjustizministerium hat in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2001 (Seite 3) ausgeführt, im Hinblick auf den Titel Terrorismusbekämpfungsgesetz scheine es „angeraten, den Gesetzentwurf auch tatsächlich auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu beschränken.“ Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat in seiner Stellungnahme vom 23. Oktober 2001 beispielhaft unter Ziffer 5 zu den vorgesehenen Änderungen im Paß- und Personalausweisgesetz bemerkt, „daß es sich in den beiden Gesetzen um Änderungen handelt, die nur schwerlich in einen Zusammenhang mit der mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigten Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu bringen sind. Es handelt sich um Sicherheitsbestrebungen im Bereich der deutschen Ausweisdokumente, die ohne konkrete Darlegung der geplanten Maßnahmen lediglich die Tür für das technisch Mögliche öffnen. Es sind daher keine Gründe zu erkennen, die gegen eine Behandlung dieser Fragen in einem eigenen Gesetzesverfahren ohne den jetzt erkennbaren Zeit- und Beratungsdruck sprechen würden.“

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in einer gemeinsamen Erklärung verkündet:

„Gegenwärtig wird ohne Rücksicht auf das grundrechtliche Übermaßverbot vorgeschlagen, was technisch möglich erscheint, anstatt zu prüfen, was wirklich geeignet und erforderlich ist. Freiheits- und Persönlichkeitsrechte drohen, verloren zu gehen.“

Und ausgerechnet der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) erklärt laut SPIEGEL vom 5.11.2001: „Mit den von Bundesinnenminister Otto Schily vorgeschlagenen Maßnahmen wären die Anschläge vom 11. September niemals verhindert worden …. Wir brauchen eine kritische Fachdiskussion und keine politische Kraftmeierei.“

Für die Gesetzgebungshektik besteht keinerlei Anlaß und die umfangreichen vorgesehenen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung würden eine umfassende, sachgerechte Behandlung in einem ordentlichen, nicht unter Zeitdruck stehenden Gesetzgebungsverfahren nicht nur rechtfertigen, sondern erfordern. Dabei könnten dann auch die vom Bundesjustizministerium zu Recht betonten Zweifel an der Erforderlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Geeignetheit der vorgeschlagenen Maßnahmen erörtert werden – sämtlichst Prüfgesichtspunkte, zu denen die Verfassung zwingt!

Desungeachtet sollen einige Punkte des Gesetzentwurfes (nicht abschließend) erörtert werden.

2. Zu Artikel 1, Änderung des Bundes­ver­fas­sungs­schutz­ge­setzes
(ähnliches gilt für Artikel 2 und 3 Änderung des MADG und BNDG)

Aus der Erfahrung der Vergangenheit (sowohl mit der Gestapo im nationalsozialistischen Staat wie dem Staatssicherheitsdienst in der DDR) gilt in der Bundesrepublik Deutschland von Verfassungs wegen das Trennungsgebot zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten. Dies dient nicht nur der Verhinderung von Gefahren, sondern entspricht auch den unterschiedlichen Aufgaben: Die Polizeibehörden sind zur Strafverfolgung berufen als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sowie zur Gefahrenabwehr; dies ist nicht die Aufgabe von Geheimdiensten. Und obendrein hat der BND nichts in der Bundesrepublik zu ermitteln und der Verfassungsschutz nichts im Ausland. Durch den Gesetzesentwurf soll erklärtermaßen ein Informationsaustausch zwischen Polizeibehörden und Geheimdiensten ermöglicht und damit das Trennungsgebot durchlöchert, wenn nicht beseitigt werden. Dies ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Darüber hinaus dient es nicht der Terrorismusbekämpfung, wie an Einzelbeispielen noch aufgezeigt werden wird: Auch der Austausch der (nicht vorhandenen) Erkenntnisse von deutschen und amerikanischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten hätte bekanntlich den Anschlag vom 11. September 2001 nicht verhindert.

Die Doppel- (oder Dreifach-) Kompetenz verschiedener Behörden für den gleichen Gegenstand ist ein typisches Merkmal totalitärer Regime, weil sie die Kontrolle über die Sicherheitsbehörden und die Verteidigung der Bürgerrechte des etwa in Verdacht geratenen Bürgers erschwert. Die Bundesrepublik Deutschland muß wieder zurückkommen zur klaren Aufgabentrennung (und diese nicht noch weiter vermischen als schon bisher), daß die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zuständig sind für die Strafverfolgung und für die Abwehr konkreter Gefahren, der nachrichtendienstliche Verfassungsschutz für Vorfeldermittlungen über allgemeine den Staat bedrohende Gefährdungen durch verfassungsfeindliche Bestrebungen und der BND zuständig ist für Angriffe der Bundesrepublik von Außen.

Nach dem neu vorgeschlagenen § 8 Abs. 5 – 9 des Bundesverfassungsschutzgesetzes soll der Verfassungsschutz bei Kreditinstituten, Postdienstleistungserbringern, Telekommunikationsdiensten und Luftfahrtunternehmen personenbezogene Informationen einholen dürfen. Dasselbe gilt für den MAD und BND. Ausreichen sollen „tatsächliche Anhaltspunkte“ – diese wird ein Geheimdienst immer behaupten und auch immer haben, denn darunter läßt sich alles verstehen. Die Kontrolle erfolgt nach dem Text des Gesetzesentwurfes nach den „Grundsätzen des § 5 Abs. 1 des Kontrollgremiumgesetzes“, also geheim. Der Betroffene soll nach dem Entwurfstext ausdrücklich nichts davon erfahren.

Solange kein Straftatbestand gegen einen Bürger besteht – und dann wären die Strafverfolgungsorgane und nicht die Geheimdienste zuständig -, geht es den Staat nichts an, ob und wohin der Bürger fliegt, wem er e-mails schreibt, von wem er Post empfängt oder welche Banküberweisungen er tätigt. Diese geheime Informationseinholung z.B. bei Banken wird dazu führen, daß die Bank sich sagt, sie will keine geschäftlichen Beziehungen mit Personen haben, für die sich der Verfassungsschutz interessiert, und z.B. Kreditverbindungen daraufhin kündigt, ohne daß der Bankkunde sich dagegen wehren kann. Die vorgeschlagenen Vorschriften führen, wie Bundestagsvizepräsident Dr. Burkhard Hirsch in der Süddeutschen Zeitung vom 2. November ausgeführt hat, in Richtung Überwachungsstaat, nützen nichts zur Terrorismusbekämpfung und sind abzulehnen. Ich verweise ergänzend auf den Leserbrief von Prof. Dr. Jürgen Seifert, Mitglied der G-10-Kommission, in der FAZ vom 26.11.2001 Seite 11, der ebenfalls diese Informationseinholung ohne richterliche Kontrolle für rechtsstaatswidrig erklärt.

Wieso diese neuen Kompetenzen obendrein nicht gelten sollen für die Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes nach § 3 Abs.1 Nr. 1 – gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen -, sondern nur gegen die anderen und teilweise neuen Aufgaben, ist nicht erkennbar. Dasselbe gilt für die im neuen § 12 Abs. 3 vorgeschlagene Verlängerung der Löschungsfristen von 10 auf 15 Jahre.

3. Artikel 5 Änderung des Sicher­heits­über­prü­fungs­ge­setzes

Zusätzlich zur bisher bereits vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung bei sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten soll nun durch einen neuen § 1 Abs. 4 eine Sicherheitsüberprüfung auch erfolgen bei weiteren Einrichtungen, deren Ausfall oder Zerstörung eine erhebliche Gefährdung für die Gesundheit oder das Leben von großen Teilen der Bevölkerung zu befürchten ist „oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar“ sind. In der politischen Diskussion werden auch hier Banken, Medien, Krankenhäuser und praktisch beliebige weitere Institutionen genannt, da die gesetzliche „Definition“ keine ist. Auch hier gilt, was z.B. das Bundesverfassungsgericht in einem konkreten Fall 1999 und der Verfasser als Richter am Landesarbeitsgericht Niedersachsen seinerzeit zu entscheiden hatte: Bei der Sicherheitsüberprüfung wird mitgeteilt, daß es Erkenntnisse gebe, die zum Arbeitsplatzverlust führen, ohne daß der betroffene Bürger erfährt, um welche angeblichen Erkenntnisse es sich handelt, und er folglich falsche „Erkenntnisse“ nicht widerlegen und sich nicht wehren kann! Und dies soll nun in einem praktisch beliebig erweiterbaren beruflichen Umfeld gelten!

4. Artikel 6 und 7 Änderung des Paß- und Perso­na­l­aus­weis­ge­setzes

Hier sollen in Zukunft biometrische Merkmale in verschlüssselter Form in das Ausweispapier aufgenommen werden; Einzelheiten sollen durch Bundesgesetz geregelt werden. Begründet wird dies mit verbesserter Identifizierung und Fälschungssicherheit. Bereits 1988 wurden fälschungssichere Personalausweise eingeführt. Gerade erst im November dieses Jahres hat der Bundesinnenminister den neuen Personalausweis mit Hologrammen – noch schwieriger fälschbar – vorgestellt. Auch auf Nachfrage in den Vorberatungen hat der Bundesminister des Innern keinerlei Zahlen über angebliche Fälschungen von Personalausweisen und Pässen vorlegen können. Die deutschen Ausweispapiere dürften schon heute zu den fälschungssichersten gehören.

Die vorgesehene Aufnahme von biometrischen Merkmalen greift tief in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, wäre also verfassungsrechtlich allenfalls zulässig, wenn sie erforderlich, verhältnismäßig und geeignet wäre. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Darüber hinaus ist vorgesehen, daß die Einzelheiten durch Bundesgesetz geregelt werden sollen, so daß die jetzige Aufnahme der grundsätzlichen Möglichkeit in § 4 Paßgesetz und § 1 Personalausweisgesetz in einem überhasteten Gesetzgebungsverfahren überhaupt nichts nützt, sondern – worauf der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bereits nachdrücklich hingewiesen hat – dieser Komplex aus dem Terrorismusbekämpfungsgesetz herausgelöst und sorgfältig beraten werden muß, zumal er offensichtlich mit Terrorismusbekämpfung nichts zu tun hat – die Attentäter von New York und Washington hatten bekanntlich keine deutschen Ausweispapiere!

Für die Einzelheiten verweise ich auf das Schreiben der HUMANISTISCHEN UNION vom 27. November 2001 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, welches ich in der Anlage beifüge. Wollte der Gesetzgeber überhaupt trotz der erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken eine solche Maßnahme beschließen, so müßte ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben werden, daß diese biometrischen Merkmale keinesfalls in einer zentralen Datei erfaßt werden dürfen und daß ihre Verwendung zu anderen Zwecken als zur Identitätsfeststellung des Inhabers strafbar ist. Nur so könnte dem bereits politisch diskutierten und auf der Hand liegenden Wunsch der Sicherheitsbehörden nach Nutzung dieser Ausweise zu anderen Zwecken – biometrische Merkmale als eine allgemeine Personenkennziffer (PKZ) – entgegengewirkt werden.

5. Artikel 11 Änderung des Auslän­der­ge­setzes

Nach § 5 Abs. 4 und § 39 Abs. 1 sollen die biometrischen Daten auch in die Aufenthaltsgenehmigung von Ausländern und in den Ausweisersatz aufgenommen werden.
Hier gelten dieselben Bedenken wie beim Paß- und Personalausweisgesetz. Es kommt allerdings hinzu, daß hier entgegen dem Paß- und Personalausweisgesetz (!) die Einzelheiten nicht durch Gesetz, sondern durch Verordnung des Bundesinnenministers festgelegt werden sollen und kein Zweckbindungsgebot vorgesehen ist. Dies bedeutet einen klaren Verfassungsverstoß, da das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vom Bundesverfassungsgericht aus Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes abgeleitet wird und diese Grundrechte nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen gelten, also auch für Ausländer.

Nach § 64 a sollen die Daten sowohl der Visa-Antragsteller wie der einladenden deutschen Personen an die Nachrichtendienste gegeben werden, ebenso bei Aufenthaltsgenehmigungen.
Wenn etwa der Verfassungsschutz als Inlandsgeheimdienst gesetzmäßig arbeitet, darf er gar keine Kenntnisse über ausländische Visa-Antragssteller haben! Und was geht der deutsche Einlader die Nachrichtendienste und das BKA an? Hier werden sowohl der Visa-Antragsteller wie der Einlader von vornherein als potentielle Straftäter behandelt, da ansonsten die Sicherheitsbehörden nichts zu überprüfen hätten. Auch die Vorstellung eines jeden Bürgers als potentielles Sicherheitsrisiko und als potentieller Straftäter (was natürlich von der Logik her richtig ist) widerspricht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem freheitlichen demokratischen Rechtsstaat und der Rechtsordnung des Grundgesetzes!

Völlig unannehmbar ist Artikel 11 Ziff. 14, der für jeden normalen Menschen völlig unverständlich lautet: „In § 72 Abs 1 werden nach dem Wort Aufenthaltsgenehmigung die Wörter „und gegen Entscheidungen nach § 47 Abs. 1 und 2″ eingefügt.“ Hierunter versteckt sich schlicht die Abschaffung der Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (die ebenfalls nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen gilt) bei Ausweisungen von Ausländern!

6. Ich gehe davon aus, daß andere geladene Sachverständige vertieft zu den vorgesehenen Vorschriften für Ausländer und Asylbewerber Stellung nehmen werden. Dies ist im Rahmen der Stellungnahme der HUMANISTISCHEN UNION nicht leistbar. Es sei aber nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die Grundrechte des Grundgesetzes (bis auf wenige hier nicht interessierende Ausnahmen) keine Deutschen, sondern Menschenrechte sind und auch für Ausländer und Asylbewerber gelten. Diesen Personenkreis unter Generalverdacht zu stellen und massiv über die Mitteilung an das Ausländerzentralregister und die Weitergabe der Informationen an sämtliche Sicherheitsbehörden einschließlich Nachrichtendienste eine Datenbeschaffung auf Vorrat zuzulassen, halte ich – insbesondere nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts – für schlicht verfassungswidrig.

Angesichts des Wortlautes von § 130 StGB (Volksverhetzung liegt vor, wenn jemand „die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht …..“) ist der Vorwurf mancher Kommentatoren, dies grenze an staatliche Volksverhetzung, nicht völlig abwegig.

7. Artikel 18 Änderung des SGB X

Von der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbemerkt soll der Datenschutz im Bereich von Sozialdaten weitgehend aufgehoben werden. Gegenwärtig sieht § 68 SGB X die Weitergabe von Daten durch die Sozialversicherungsbehörden in Kenntnis der Sensibilität dieser Daten sehr restriktiv vor an Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte: Nur „im Einzelfall“ und nur relativ unsensible Daten, wie Name, Geburtsdatum, Wohnort. Durch den neuen § 68 Abs. 3 soll die „Übermittlung von Sozialdaten“ zulässig werden, also ohne jede Einschränkung, einschließlich des Berufs- und Arbeitslebens (Arbeitslosigkeit) und einschließlich z.B. sämtlicher Krankheiten (!) und weiter zur Rasterfahndung, also gerade nicht im Einzelfall, sondern generell. Und als „Krone“ der Regelung wird ausdrücklich festgeschrieben, daß die Sozialverwaltung, wenn sie um die Preisgabe dieser Daten (und im Rahmen der Rasterfahndung folglich über sämtlich unverdächtige Bürger) gebeten wird, ausdrücklich die Berechtigung der Anforderung dieser Daten nicht überprüfen darf ! Wenn der Bundestag als Gesetzgeber weiß, was er hier beschließen soll, wird er so nicht beschließen können.

8. Bei aller Kritik im einzelnen bleibt festzuhalten, daß die Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit der vorgesehenen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung nicht dargetan ist, zu einem erheblichen Teil sogar ganz offensichtlich nicht vorliegt.

Demgegenüber hat die Monitor-Sendung vom 18. Oktober aufgezeigt, daß auch fünf Wochen nach dem Anschlag vom 11. September 2001 die wirklich erforderlichen konkreten Maßnahmen zur Verhinderung eines solchen Anschlags nicht ergriffen waren:

Journalisten gelangten mit genau denselben Teppichmessern, die die Terroristen am 11. September als Angriffswaffe benutzt haben, ohne Probleme durch sämtliche Sicherheitskontrollen an den deutschen Großflughäfen in Berlin, Düsseldorf, Köln und Frankfurt und konnten an Bord der in der Luft befindlichen Flugzeuge den Besitz dieser Angriffswaffen problemlos filmen – und hätten sie folglich auch einsetzen können. Straftäter werden nicht mit Gesetzen bekämpft, denn bekanntlich halten Straftäter sich nicht an Gesetze. Straftäter werden bekämpft durch konkrete Maßnahmen wie bessere Kontrollen und eine bessere Ausstattung der Polizei – aber dies kostet im Gegensatz zur Verabschiedung von Gesetzen Geld.

Eine abgewogene Stellungnahme war in der Kürze der Bearbeitungszeit (1 Tag) nicht möglich; dafür bitte ich um Verständnis. Ich hoffe aber, daß der Gesetzgeber diese Überlegung bedenkt und sorgfältig abwägt – es besteht absolut keine Notwendigkeit, über dieses Gesetzespaket im Dezember 2001 zu beschließen.

Dr. Till Müller-Heidelberg
– Bundesvorsitzender –

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