Ingeborg-Drewitz-Preis für Gefangenenliteratur 2015
aus: HU-Mitteilungen Nr. 226 (2/2015), S. 10
Seit 1989 gibt es den Ingeborg-Drewitz-Preis für Gefangenenliteratur, der Strafgefangene darin unterstützen soll, Fenster nach „draußen“ zu öffnen. Initiiert von autonomen Gefangenengruppen, hat der Preis seit langem einen breiten Trägerkreis, u.a. mit Strafvollzugsarchiv, Gefängnisseelsorgern und auch dem HU-Landesverband NRW.
Die jüngste Ausschreibung unter dem Motto „GemEinsam“ hatte erneut eine erfreuliche Resonanz: 300 Menschen sandten mehr als 2.500 Texte ein, die von einer Jury aus Experten und ehemaligen Strafgefangenen beurteilt wurden. Am 19. April 2015 wurden die etwa 30 Preisträger/innen in einer Feierstunde in Dortmund geehrt – die Mehrzahl leider in Abwesenheit, da sie keine „Reiseerlaubnis“ erhielten. Die beachtlichen Texte sind wie in vorherigen Preisrunden zu einer Buchanthologie zusammengefasst worden:
Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene (Hrsg.): Gemeinsam einsam. Literatur aus dem deutschen Strafvollzug, Münster (agenda-Verlag) 2015, ISBN 978-3-89688-537-1, 14.80 €
Das Theaterlabor Schwerte – ein Gefangenenprojekt – präsentierte in Dortmund Teile der ausgezeichneten Texte in einer szenischen Lesung, Auszüge aus dem Film „Beraubung der Zeit“ (von Daniel Poštrak und Jörn Neumann) illustrierten die Gleichförmigkeit und Zerstörung von Individualität, die den Knast bis heute auszeichnen.
In einer Ansprache über „25 Jahre Ingeborg-Drewitz-Literatur-Preis“ wog Helmut Koch, ehemaliger Hochschullehrer für Germanistik und einer der Initiatoren, Erfolge und Misserfolge ab: Strukturelle Veränderungen im Strafvollzug seien nicht erreicht worden, aber „empowerment“ und Anstöße für die Selbst-Resozialisierung Vieler möglich gewesen. Ein sprechendes Beispiel für solche Effekte war persönlich anwesend, der Buch- und Filmautor Peter Zingler, Drewitz-Preis-Träger 1989, später Grimme-Preis-Träger und in diesem Jahr Schirmherr der Veranstaltung.
Norbert Reichling