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Berliner Staats­kir­chen­ver­trag verstößt gegen das Gebot staatlicher Neutralität in religi­ös-welt­an­schau­li­chen Fragen

26. Juni 2006

Humanistische Union warnt vor unwägbaren finanziellen Risiken für das Land Berlin

Am Mittwoch (28. Juni) berät der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses über das „Gesetz zum Vertrag des Landes Berlin mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“ (Drs. 15/4764). Der Gesetzentwurf weist nach Einschätzung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) erhebliche Mängel hinsichtlich der staatlichen Gleichbehandlung verschiedener Religionen und Weltanschauungen auf. In einer ausführlichen Stellungnahme macht HU die Parlamentarier auf die verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Risiken des vorliegenden Entwurfs aufmerksam. Sie fordert die Abgeordneten zu einem Verzicht auf den Kirchenvertrag und die Erarbeitung eines Rechtsstellungsgesetzes auf. [1]

Die ständige Rechtsprechung verweist immer wieder darauf, dass sich aus dem Gebot staatlicher Neutralität in religiös-weltanschaulichen Fragen eine formale Gleichbehandlung aller Bekenntnisgemeinschaften ergebe. Vor diesem Hintergrund stellen vertraglich festgeschriebene Leistungen an die evangelische Kirche ein finanzielles Risiko dar.

Dazu erklärt Prof. Dr. Rosemarie Will, Bundesvorsitzende der Humanistischen Union: „Verweigert das Land Berlin einer Gemeinschaft ein Recht oder eine Subvention, die es einer anderen Gemeinschaft vertraglich zugesichert hat, muss es begründen, warum es Gleiches ungleich behandelt.“ Die Professorin für öffentliches Recht geht davon aus, dass weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vergleichbare Leistungen einfordern werden. „Angesichts akuter Haushaltsprobleme des Landes Berlin ist es unverständlich und unverantwortlich, wenn das Land der hiesigen evangelischen Kirche finanzielle Versprechungen macht, ohne mögliche Folgekosten in Betracht zu ziehen.“ Die im Kirchenvertrag zugesagten Finanzleistungen an die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg sollten mindestens mit einem Haushaltsvorbehalt versehen werden.

Die Humanistische Union hält einen großen Teil des Gesetzentwurfs schlicht für überflüssig; zahlreiche Inhalte des vorliegenden Vertrags ergeben sich unmittelbar aus der grundgesetzlichen Verpflichtung des Staates zur Gewährung der Religionsfreiheit. „Es bedarf keines Vertrages und keines besonderen Gesetzes, um den Staat auf die Selbstverständlichkeit zu verpflichten, dass er seine eigene Verfassungs- und Rechtsordnung auch gegenüber den Kirchen einhalten muss“ so Rosemarie Will weiter.

Überdies werden einige Inhalte des Kirchenvertrages bereits spezialgesetzlich geregelt, etwa die Weitergabe von Meldedaten an die Kirche, die Gestaltung des Ethik-Unterrichts an Berliner Schulen oder die Besetzung der Rundfunkräte. Die erneute Festschreibung ihres Status quo im Kirchenvertrag führe lediglich dazu, dass Landesregierung und Landesparlament ihre zukünftigen Handlungsoptionen einschränken.

Die Humanistische Union empfiehlt den Abgeordneten, gegen den vorliegenden Gesetzentwurf zum Kirchenvertrages zu stimmen und stattdessen in Beratungen über ein Rechtsstellungsgesetz einzutreten. Mit einem solchen Gesetz könnte das Land Berlin sein Verhältnis zu allen Bekenntnisgemeinschaften gleichermaßen regeln.

[1] Die ausführliche Stellungnahme der HU zum Vertragstext können Sie hier herunterladen:

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