Pressemeldungen / Innere Sicherheit

Neues von der Spätz­le-­Stasi

11. August 1999

Humanistische Union begrüßt Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg, wonach das LKA Stuttgart einem Betroffenen Auskunft zur Überwachung durch Verdeckte Ermittler der Polizei geben muss

Das Landeskriminalamt Stuttgart muß einem Betroffenen Auskunft geben, ob es ihn durch Verdeckte Ermittler überwacht hat. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat in einer soeben bekannt gewordenen Entscheidung (Az.:1K 1478/99) das LKA in Stuttgart verurteilt, einem Betroffenen Auskunft darüber zu geben, ob er vor 8 Jahren Gegenstand polizeilicher Überwachung durch Verdeckte Ermittler gewesen ist.

Über 7 Jahre hat sich das LKA geweigert, auch nur die Tatsache der Überwachung zu bestätigen oder zu verneinen, so daß der Kläger im Wege der Untätigkeitsklage hat vorgehen müssen. Der Kläger, der sich damals zur linken Szene zugehörig sah und sich in der Gefangenen-Ausländerarbeit engagiert hatte, wollte endlich wissen, ob der über ein halbes Jahr in der Wohngemeinschaft verkehrende „Hans-Joachim Carl“ tatsächlich im polizeilichen Auftrag auf ihn bzw. seine Umgebung angesetzt gewesen ist. Hierzu hatte der Kläger allen Grund: „Hans-Joachim“ hat an vielen politischen Diskussionen teilgenommen. Im Laufe der Zeit war die Beziehung zwischen dem Kläger, seiner Freundin und „Hans-Joachim“ so eng geworden, daß man sogar beschlossen hatte, gemeinsam nach Südfrankreich in den Urlaub zu fahren.

Als aus dem Freundeskreis der Verdacht geäußert wurde, daß „Hans-Joachim“ möglicherweise seine Freundschaft und linkes politisches Engagement nur vorgebe und deshalb zur Rede gestellt werden sollte, ist dieser untergetaucht übrigens zeitgleich mit den Ereignissen in Tübingen, wo ein ebenfalls auf die linke Szene angesetzter Verdeckter Ermittler aus Liebe zu seinem weiblichen Überwachungsobjekt sich diesem gegenüber offenbart hatte (u.a. DER SPIEGEL berichtete hierüber unter dem Titel: „Spätzle-Stasi“).

Durch das jetzt gefällte Urteil des Verwaltungsgerichtes Freiburg wird erstmals ein LKA gerichtlich gezwungen, einem Bürger Auskunft über die Überwachung durch Verdeckte Ermittler zu geben und dadurch seiner gesetzlichen Informationspflicht ( 22 Abs. 8 Polizeigesetz BW) nachzukommen. Die Länderparlamente haben der Polizei die Befugnis zum Einsatz Verdeckter Ermittler zum Zwecke der Observation nur unter der Bedingung zugestanden, daß die hiervon Betroffenen nach Abschluß der Maßnahme unterrichtet würden.
Das Gericht wies im konkreten Fall die Auffassung des LKA zurück, daß die Polizei, werde sie gezwungen, die Tatsache des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers in einem sachlich umgrenzten Bereich zu bestätigen, dann durch ein abgestimmtes Verhalten von mutmaßlich Betroffenen solcher Einsätze lokalisiert und die Polizei ihrerseits ausgeforscht werden könnte und eingesetzte Beamten nachträglich gefährdet würden. Wörtlich führt hierzu das Verwaltungsgericht aus: „Würde man diesen Umstand für ein Unterbleiben einer Unterrichtung genügen lassen, gäbe es für die Fallgruppe des 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG grundsätzlich nie einen Unterrichtungsanspruch.“

Auch hat das Verwaltungsgericht die von der Polizei hartnäckig immer wieder artikulierten Ängste nicht gelten lassen: „Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger und/oder ein ihm möglicherweise zugehöriges „linkes“ Umfeld gewissermaßen nur noch den Ausgang dieses gerichtlichen Verfahrens abwarten, um dann mittels Einsatz von EDV, einer Gesamtschau oder Rastern die Polizeitaktik nachträglich zu analysieren oder künftig zu unterlaufen.“

Nach Ansicht der die Klage unterstützenden ältesten deutschen Bürgerrechtsorganisation, der Humanistischen Union und ihres Freiburger Rechtsanwalts Dr. Kauß, stellt das Urteil eine wichtige Etappe beim Schutz der Bürgerrechte vor polizeilicher Allmacht dar: Nur wenn polizeiliches Handeln überhaupt bekannt wird, ist es auch gerichtlich überprüfbar. Das tut besonders not, wenn die Polizei plötzlich wie ein Geheimdienst verdeckt zu arbeiten beginnt.

Mit dem Urteil erhält das LKA Baden-Württemberg Nachhilfeunterricht in Sachen Rechtsstaat. Erst wenn das LKA Auskunft gegeben haben wird, ob eine Überwachung erfolgt ist oder nicht, wird es ggf. darum gehen, ob der Einsatz des Verdeckten Ermittlers rechtswidrig gewesen ist. Seitens des Landesbeauftragten für den Datenschutz und auch von Seiten des Verwaltungsgerichtshofes liegen für den insoweit gleich gelagerten Tübinger Fall bereits Äußerungen vor, wonach der Einsatz von Verdeckten Ermittlern in Fällen wie diesen rechtswidrig war. Bleibt die Polizei bei Ihrer Auffassung, sie habe rechtmäßig gehandelt, ist weiterer jahrelanger Rechtsstreit programmiert. Die Lehre daraus: Nur mit langem Atem können die Grundrechte gegenüber der Polizei verteidigt werden.
Freilich wird der Kläger nie erfahren, was die Polizei alles über ihn sammelnswert gefunden hatte. Die Polizei hatte vorsorglich nach Erhebung der ersten Auskunftsklage im Jahr 1993 nach eigenen Angaben alle erhobenen Daten sofort gelöscht, weil sie nicht mehr gebraucht würden und hat damit die Klage auf Auskunft leerlaufen lassen.

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