Straßen-Totalüberwachungs-Vertrag mit TollCollect kündigen
Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen fordern die deutsche Bundesregierung auf, die aktuelle Möglichkeit der Kündigung des Vertrages zur Umsetzung der LKW-Maut mit der Firma TollCollect zu nutzen. Grund hierfür ist nicht das bisherige technische und finanzielle Desaster beim Aufbau des Maut-Systems, sondern die drohende totale Verkehrsüberwachung, die mit dem Aufbau der Maut-Infrastruktur verbunden ist.
„Die Firma TollCollect GmbH ist im Jahr 2002 mit dem BigBrotherAward Deutschland in der Kategorie „Technik“ ausgezeichnet worden für die geplante zentrale Verarbeitung von Kraftfahrzeug-Bewegungsdaten. Trotz dieser Kritik wurde das technische Konzept weiterverfolgt und umgesetzt. Nun erweist sich, dass durch die bei dem Verfahren erfolgende Videoüberwachung nicht nur alle Lastkraftwagen (LKW), sondern zumindest kurzzeitig auch sämtliche Personenwagen (PKW) durch die über den Autobahnen installierten Maut-Brücken erfasst werden. Mit Hilfe der in den LKW installierten OnBoardUnits (OBUs) ist außerdem eine jederzeitige Lokalisierung der registrierten Fahrzeuge und damit die Erstellung von präzisen Bewegungsprofilen möglich.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im August 2003 erklärte, das Maut-System von TollCollect sei mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. (Presseerklärung des BfD vom 13.08.2003) Tatsächlich erfolgt mit dem System die radikale Wende vom anonymen zum individualisierten Straßenverkehr. Die Konsequenzen dieses Wandels für die Kfz-Nutzenden, die Automobilindustrie, die Wirtschaft generell sowie für die Datenerhebung durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Zoll und Geheimdienste sind nicht einmal ansatzweise überschaubar und gesellschaftlich noch überhaupt nicht diskutiert. Schon jetzt ist unzweifelhaft, dass das Verfahren die totale elektronische Verkehrsüberwachung ermöglicht und die zum Datenschutz bisher vorgesehenen Sicherungen von Anfang an ungeeignet sind. Wir haben überhaupt keine Einwände dagegen, dass die Nutzenden von Autobahnen für die dabei entstehenden Kosten zur Kasse gebeten werden. Dies lässt sich aber auch mit Mitteln erreichen, die nicht zur elektronischen Totalüberwachung führen.
Es besteht der Verdacht, dass dem Maut-System von TollCollect mit seinem riesigen Überwachungspotenzial gegenüber einfacheren, billigeren und datensparsameren Systemen der Vorzug gegeben wurde, weil nur damit dem Datenbedarf insbesondere der Sicherheitsbehörden umfassend genügt werden kann. Wir fordern die Bundesregierung auf, sowohl alle Unterlagen zu dem System, insbesondere die mit TollCollect abgeschlossenen Verträge und die Überwachungsplanungen für die Öffentlichkeit offen zulegen als auch die Möglichkeit der Vertragskündigung zu nutzen, um die undemokratisch, ja totalitär anmutende Vision eines Verkehrs-Big-Brothers abzuwenden.“
Dies ist eine gemeinsame Erklärung von:
- Frank Rosengart für den Chaos Computer Club (CCC)
- Werner Hülsmann für das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF)
- Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte (ILfM)
- Rena Tangens und padeluun und für den Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD)
- Lutz Donnerhacke für den Fördervein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG)
- Dr. Fredrik Roggan, Vorstand Humanistische Union (HU)
- Vorstand der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD)