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Zugriff der Straf­ver­fol­gungs­be­hörden auf Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­-­Ver­bin­dungs­daten soll um drei Jahre verlängert werden

28. September 2004

Humanistische Union verlangt Berichtspflichten und Evaluierung

Die Humanistische Union (HU) hält es für völlig unangemessen, wenn ein Gesetz, das massiv in das Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 Grundgesetz) eingreift, vom Bundestag ohne jede Debatte im Plenum beschlossen würde. Angesichts der tiefen Eingriffe in die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger spricht sie sich gegen eine automatische Verlängerung der bisherigen Gesetzesregelung aus. Die Bürgerrechtsorganisation appelliert in einem Brief an die Mitglieder des Rechtsausschusses, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht zuzustimmen.

Obwohl die Auskunft über Verbindungsdaten bereits vor drei Jahren neu geregelt wurde, gibt es bis heute keinerlei statistisches Zahlenmaterial über Umfang und Wirksamkeit solcher Auskunftserteilungen. So ist weder bekannt, wie oft solche Auskünfte eingeholt wurden, wie viele unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger davon betroffen sind, noch welche Relevanz diese Auskünfte für laufende Ermittlungsverfahren hatten.

Die HU schlägt daher in ihrer Stellungnahme jährliche Berichtspflichten an den Bundestag vor, damit eine Bewertung dieser Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis möglich wird. Nur so sei gewährleistet, dass bei einer künftigen Gesamtnovelle der Telekommunikationsüberwachung eine sinnvolle Abwägung zwischen den Erfordernissen der Strafverfolgung und dem Schutz des Grundrechts auf freie Kommunikation stattfinden könne.

Verfassungsrechtlich außerordentlich bedenklich ist nach Ansicht der Humanistischen Union die sogenannte Zielwahlsuche. Um Rufnummern der ankommenden Gespräche für einen „verdächtigen“ Anschluss zu ermitteln, müssen die abgehenden Gespräche aller Bürgerinnen, Bürger und Institutionen in einem aufwändigen technischen Verfahren abgeglichen werden. Nach einer von dem Strafrechtler Prof. Dr. Jürgen Welp (Münster) im Jahre 2000 veröffentlichten Abhandlung werden bei jeder Zielwahlsuche bis zu 450 Millionen Telekommunikationsdaten abgeglichen. Angesichts dieser Reichweite der Auskunftserteilung sollten Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis nur dann zugelassen werden, wenn nachweisbar ist, dass sie für eine wirksame Strafverfolgung unabdingbar sind.

Zum Hintergrund:
Die Regelungen in § § 100g / 100h der Strafprozessordnung über den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Telekommunikationsverbindungsdaten, die ursprünglich bis zum 31. Dezember 2004 befristet waren, sollen um weitere drei Jahre verlängert werden. Durch die Änderungen der Strafprozessordnung können die Strafverfolgungsbehörden von den Betreibern der Telekommunikationsanlagen (Telekom, Vodafone usw.) Auskunft darüber verlangen, wer, wann wie lange welche Rufnummern angerufen hat. Bei Mobilfunktelefonen können zusätzlich die Standortdaten abgefragt werden. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags wird sich voraussichtlich am kommenden Mittwoch, dem 29. September 2004, mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung befassen. Nach derzeitigem Kenntnisstand soll das Gesetz schon am Donnerstag, dem 30. September 2004 – also einen Tag nach der Sitzung des Rechtsausschusses – im Bundestag ohne Aussprache verabschiedet werden

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