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Das absolute Folter­verbot gilt auch bei der inter­na­ti­o­nalen Terro­ris­mus­be­kämp­fung

Grundrechte-Report 2007, Seiten 26 – 30

Das Grundgesetz (Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 104 Absatz 1), die Antifolterkonvention (Artikel 2 Absatz 2) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 15) verbieten Folter ohne Einschränkung. Diese menschenrechtliche Selbstverständlichkeit ist in mehreren Fällen missachtet worden.

Der Fall Abdel-Halim Khafagy

Der in Deutschland lebende muslimische Buchverleger Abdel-Halim Khafagy wurde im September 2001 auf einer Geschäftsreise in Sarajevo von Amerikanern verschleppt und in einem geheimen US-Gefängnis nahe Tuzla (Bosnien) verhört, gefoltert und menschenunwürdig behandelt, weil man ihn mit einem Vertrauten Bin Ladens verwechselte. Er sollte in Tuzla von zwei BKA-Beamten vernommen werden. Diese haben sich zu Recht geweigert, ihn zu verhören, weil er – wie andere Gefangene auch – im US-Geheimgefängnis ganz offensichtlich misshandelt worden war, und die Vernehmung unter Bedingungen stattfinden sollte, die gegen Artikel 1 Absatz 1 GG verstoßen hätten. Die BKA-Beamten erstatteten einen ausführlichen Bericht im BKA und an das Bundesinnenministerium.

Die Bundesregierung war seitdem (und über Geheimdienstinformationen) über die amerikanische Missachtung des Folterverbotes heim Kampf gegen den Terrorismus informiert. Trotzdem hat sie in der Folgezeit eine Zusammenarbeit praktiziert, die unter ihrem Schutz stehende Menschen diesen Praktiken auslieferte.

Der Fall Mohammed Heydar Zammar

Das BKA übermittelte dem FBI am 26. November 2001 den Aufenthaltsort des Deutsch-Syrers Zammar und dessen Flugdaten. Daraufhin ließen ihn die Amerikaner in Marokko festnehmen und nach Syrien ausfliegen, wo er bis heute in einem berüchtigten Foltergefängnis einsitzt und ihm die Todesstrafe droht. Im Juni 2002 wurde der deutsche Botschafter im amerikanischen Außenministerium über den Vorgang informiert und gebeten, wegen der Menschenrechtsverletzungen keinen Druck auszuüben. Dieser Bitte haben die deutschen Behörden entsprochen.
Bis heute vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass sie nichts gegen die unmenschliche Behandlung dieses deutschen Staatsbürgers unternehmen müsse, weil er ja auch syrischer Staatsangehöriger sei. Dies meint sie, obgleich sie selbst durch eigene Informationsübermittlung die unmenschliche Behandlung erst ermöglicht hat.
Darüber hinaus fand im November 2002 in Damaskus eine Vernehmung Zammars durch Beamten des BKA statt, deren Durchführung am 29. Oktober 2002 im Kanzleramt durch die Präsidenten der Sicherheitsbehörden und die wichtigsten Staatssekretäre angeordnet wurde. Zammar hat in dieser Vernehmung angegeben, dass er nach seiner Verhaftung in Marokko und in Syrien geschlagen worden sei und in einer Zelle von 1,90 mal 1 Meter vegetiere. Der syrische Fallführer vom militärischen Geheimdienst teilte den deutschen Beamten zudem mit, dass Zammar drei Tage lang auf die Befragung im Interesse einer konstruktiven Haltung »vorbereitet« wurde. Den deutschen Behörden war bekannt oder hätte bekannt sein müssen, dass das syrische Foltergefängnis Far Falestin, aus dem Zammar zum Verhör gebracht wurde, weder dem Roten Kreuz Zugang gewährt .noch die Tatsache der Inhaftierung vor Angehörigen und möglichen Rechtsbeiständen offen legt. Angesicht dessen bedurfte es weiterer Nachweise vorangegangener unmenschlicher Behandlung nicht, um ein Verhörverbot aus dem für deutsche Behörden geltenden Folterverbot zu folgern.
Der Fall Khaled el Masri
Khaled el Masri wurde im Dezember 2003 an der serbisch-mazedonischen Grenze entführt und von CIA-Agenten nach Kabul verschleppt. Vier Monate lang wurde er in einem afghanischen Internierungslager eingesperrt – nach unwidersprochener Aussage -, auch gefoltert und menschenunwürdig behandelt. Einem offiziellen US-Regierungs-Statement zufolge ordnete die US-Außenministerin Condoleezza Rice die Freilassung ei Masris an, nachdem sie im April 2004 erfahren hatte, dass es sich bei dem gefangen gesetzten ei Masri nicht um das gesuchte gleichnamige Al Qaida-Mitglied handelt. El Masri wurde von einem deutsch sprechenden »Sam« abgeholt, der schon zuvor im Gefängnis mit ihm gesprochen hatte, und mit ihm zusammen ausgeflogen. Am 31. Mai 2004 wurde Innenminister Otto Schily von US-Botschafter Daniel Coats von der irrtümlichen Entführung eines Deutschen durch die CIA informiert. Schily ließ, wie von den USA erbeten, darüber nichts verlauten. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft München I erfuhr von der Unterrichtung des Bundesinnenministers Schily durch den US-Botschafter erst 1 1/2 Jahre später. Ob und gegebenenfalls welche Informationen über el Masri bayerische Stellen in der Zeit vor, während und nach der Entführung el Masris an die CIA weitergegeben und von der CIA erhalten haben, wurde bisher nicht aufgeklärt. Bis heute hat man auch nicht herausgefunden, wer die von el Masri als Deutscher identifizierte Person »Sam« war. Die Bundesanwaltschaft prüfte die Angelegenheit nach ei-genen Angaben im Juni 2004 zwei Mal, entschied aber am 29. Juni 2004, die Sache nicht zu übernehmen.

Der Fall Murat Kurnaz

Der in Bremen ansässige Murat Kurnaz wurde auf einer Reise in Pakistan als »feindlicher Kämpfer« festgenommen und dem US-Militär übergeben, das ihn auf den Militärflugplatz in Kandahar verschleppt und dort interniert hat. Die Nachricht von der Internierung erreichte das Auswärtige Amt und das Kanzleramt am 4. Januar 2002. In Deutschland war bekannt, dass die Gefangenen misshandelt werden. Erst nach vielerlei Ausflüchten und unrichtigen Behauptungen wurde zugegeben, dass deutsche Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im Foltergefängnis Wachdienst leisteten. Ob sie sich an der Misshandlung von Kurnaz, wie er behauptet, beteiligt haben, ist ungeklärt. Am 9. Januar 2002 meldete der BND an das Kanzleramt, der angebliche Deutsche sei Kurnaz, in Deutschland geboren mit türkischem Pass, und werde nach Guantánamo überstellt.

Als Bilder aus Guantánamo veröffentlicht wurden, die die menschenunwürdige Behandlung der Gefangenen dokumentierten, verurteilte Außenminister Fischer die Behandlung der Gefangenen in Guantánamo als menschenrechtswidrig. Zeitgleich tauschten deutsche und amerikanische Dienststellen Informationen über Kurnaz aus, ohne dass in Deutschland staatliche Stellen etwas gegen die »Verbringung« von Kurnaz nach Guantánamo unternahmen. Vielmehr wurde in der Präsidentenrunde des Kanzleramtes am 29. Januar 2002 ein Angebot der Amerikaner diskutiert, Kurnaz in Guantánamo zu vernehmen. Die Präsidentenrunde entschied, dass kein Konsularbeamter des AA fahren dürfe, da dieser die Rechte von Kurnaz einfordern müsse. Auch kein Mitarbeiter des BKA dürfe fahren, weil auch das BKA verfassungsrechtlich gebunden sei. Es wurden aber zwei Vertreter des BND und ein Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz beauftragt, Kurnaz in Guantánamo gemeinsam mit den Amerikanern zu vernehmen. Bis heute weisen die Verantwortlichen verfassungsrechtliche Bedenken von sich. Trotz des Wissens um vorangegangene Folter und die durchgreifende menschenunwürdige Behandlung in Guantánamo, soll die geheimdienstliche Kooperation beim Verhör gerechtfertigt gewesen sein.

Die Amerikaner waren zum Zeitpunkt ihrer Anfrage davon überzeugt, dass keine feststellbare Schuld von Kurnaz an terroristischen Ereignissen bestand; auch seine Misshandlungen haben kein anderes Ergebnis erbracht. Die deutschen Geheimdienste hielten Kurnaz von Anfang an nur für jemanden, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Das deutsche Verhör in Guantánamo am 23. September 2002 bestätigte dies. Trotzdem beschloss die Präsidentenrunde im Bundeskanzleramt am 29. Oktober 2002, dass Kurnaz nicht nach Deutschland zurückkommen dürfe. Das Angebot der Amerikaner zur »Rücksendung« des Guantánamo-Häftlings nach Deutschland wurde im November 2002 abgelehnt. Erst am 24. August 2006, vier Jahre später, kam Kurnaz aus Guantánamo frei.

Die geschilderten Fälle zeigen eine Missachtung des Folterverbotes, die weder mit dem Kampf gegen den Terrorismus noch mit dem Hinweis auf fremde Staatsangehörigkeit derjenigen, denen Schutz verweigert wird, zu entschuldigen ist. Die Schutzpflicht aus Artikel 1 Absatz 1 GG besteht nicht nur gegenüber Deutschen, sondern gegenüber allen, deren Schutz deutschen Behörden möglich ist.

Handlungsbedarf

Der Auffassung der Mehrheit des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dass keine Konsequenzen zu ziehen seien, kann nicht gefolgt werden. Deutschen Behörden muss die Weitergabe von Informationen an ausländische oder zwischenstaatliche Stellen untersagt werden, von denen man annehmen muss, dass sie zu Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung führen. Es darf kein Outsourcing von Folter geben. Für Befragungen durch Mitarbeiter deutscher Behörden und Geheimdiensten im Ausland muss das »Ernten der Früchte von Folter« verboten werden. Eigene Befragungen oder Vernehmungen müssen ausgeschlossen sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Inhaftierte der Folter oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind. Als Anhaltspunkte sind die verfügbaren Erkenntnisse von Menschenrechtsorganisationen über die Umstände der Inhaftierung und Behandlung ausreichend. Zudem ist zweierlei klarzustellen:

  • Die Verwertung von Folterinformationen ausländischer Staaten ist auch außerhalb des Strafverfahrens verboten.
  • Staatliche Stellen dürfen ihnen mögliche Hilfe bei der Beendigung oder Verhinderung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung nicht versagen.
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