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Berufs­verbot aufgehoben - Realschul­lehrer darf nach über drei Jahren endlich unter­richten

Grundrechte-Report 2008, Seite 145

Schon zweimal haben wir über den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy berichtet, dem das Land Baden-Württemberg 2004 die Einstellung in den staatlichen Schuldienst verweigerte (Elke Steven, Grundrechte-Report 2005, S. 139 ff.; Rolf Gössner, Grundrechte-Report 2007, S. 112 ff.). Hauptbegründung für das Berufsverbot: Csaszkóczy habe sich in der vom Verfassungsschutz beobachteten „Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ (AIHD) politisch betätigt – einer legalen Initiative, die sich gegen fremdenfeindliche und neonazistische Bestrebungen engagiert. Nachdem das Verwaltungsgericht Karlsruhe 2006 dieses Berufsverbot in erster Instanz mit einem illiberalen, geradezu staatsautoritären Urteil abgesegnet hatte, fand am 13. März 2007 die Berufungsverhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim statt.

Schon einen Tag nach der Hauptverhandlung hob der VGH den Bescheid des Oberschulamtes aus dem Jahre 2004 auf (Urteil des VGH v. 13.03.07, Az. 4 S 1805/06) und damit auch das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe – ein klares Signal gegen regierungsamtliche Versuche, die Berufsverbotspraxis vergangener Jahrzehnte wieder zu beleben.

Der VGH als höchstes Verwaltungsgericht Baden-Württembergs hält dem Oberschulamt in aller Deutlichkeit vor, Csaszkóczy zu Unrecht die Einstellung in den Schuldienst des Landes wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue verweigert zu haben. Das Berufungsgericht wirft der Behörde letztlich Einseitigkeit und Schlampigkeit vor: So habe das Oberschulamt wesentliche Beurteilungselemente, etwa das tadellose und positiv beurteilte Verhalten des Klägers im Vorbereitungsdienst, nicht hinreichend berücksichtigt. Damit sei das Amt „den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers nicht gerecht geworden“. Die dem engagierten Antifaschisten vom Schulamt vorgehaltene „Sündenliste“, die vom Verfassungsschutz zusammengestellt worden war, sei im übrigen „nicht geeignet, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu rechtfertigen“ – schließlich hatte Csaszkóczy ausschließlich verfassungsrechtlich verbriefte Grundrechte wahrgenommen. Die Richter des VGH zeigten sich überaus verwundert darüber, dass die Wahrnehmung der Grundrechte auf Meinungs-, Demonstrations- und Vereinigungsfreiheit zur Begründung für ein Berufsverbot herangezogen worden ist.

Wie notwendig öffentliche Aufmerksamkeit ist

Das Land Baden-Württemberg wurde dazu verurteilt, den Antrag des Klägers auf Einstellung in den öffentlichen Schuldienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Erst nach abermaliger Anhörung und knapp sechs Monate nach diesem klaren Urteilsspruch des VGH rang sich das Kultusministerium Anfang September 2007 endlich dazu durch, den Realschullehrer in den öffentlichen Schuldienst aufzunehmen – mit der Perspektive einer Verbeamtung, wie das Ministerium versichert. Der nunmehr 37jährige Michael Csaszkóczy unterrichtet seitdem – nach über drei Jahren Berufsverbotsverfahren – an einer öffentlichen Realschule unter anderem in den Fächern Deutsch und Geschichte. In Hessen wird ihm der Zugang zum Schuldienst aus Gesinnungsgründen bis heute verwehrt, obwohl auch der dort erlassene Berufsverbotsbescheid inzwischen gerichtlich aufgehoben wurde (rechtskräftiges Urteil des VG Darmstadt vom 2.8.2007, Az. 1 E 1247/06).

An diesem Berufsverbotsfall wird deutlich, wie notwendig öffentliche Aufmerksamkeit ist und bleibt, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon 1995 im Fall der niedersächsischen Gymnasiallehrerin Dorothea Vogt eine eindeutige Entscheidung gegen die deutsche Berufsverbotepraxis getroffen hatte. Die Gerichtsverfahren im Fall Csaskóczy sind u. a. von der GEW, der Internationalen Liga für Menschenrechte, vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein kontinuierlich beobachtet worden. Ein eigens eingerichtetes Solidaritätskomitee hat wichtige Unterstützungs- und Aufklärungsarbeit geleistet (www.gegen-berufsverbote.de), Demonstrationen haben stattgefunden, über 10.000 Menschen – auch viele Prominente darunter – haben sich für den Betroffenen öffentlich eingesetzt.

Michael Csaszkóczys Anwalt Martin Heiming (Heidelberg) will nun prüfen, ob seinem Mandanten Schadensersatzansprüche für die verlorene Berufszeit zustehen.

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