Kirchliche Kriminalgeschichte - Fortsetzung folgt...
Mitteilungen Nr. 179, Nr.66
Wohl kaum ein anderer Autor hat die dunklen Kapitel der
Geschichte des Christentums so ausgeleuchtet wie Karlheinz
Deschner, der sich nicht davor scheut, „Heiligen“ die Aureolen zu lüften und Kirchenführer als „Verbrecher“ zu bezeichnen. Seit vier Jahrzehnten arbeitet er beharrlich an einem Sittengemälde des Christentums und hat dazu über dreißig Bücher verfasst, womit er zu einem der profiliertesten Kirchen- und Religionskritiker wurde. Zudem hat der aus dem Oberfränkischen stammende, mittlerweile 78-jährige Literat sich als Romancier und Aphoristiker einen Namen
gemacht und wurde mit mehreren Auszeichnungen bedacht
(unter anderem International Humanist Award, Alternativer
Büchnerpreis, Erwin-Fischer-Preis).
Seit 1986 erscheint im Rowohlt Verlag sein monumentales Werk über die vergangenen zwei Jahrtausende: „Kriminalgeschichte des Christentums“, das auf zehn Bände mit etwa 6000 Seiten konzipiert ist. Nun liegt der siebte Band (13. und 14. Jahrhundert) vor, der die Zeitspanne von Kaiser Heinrich VI. (1190 bis 1197) bis Ludwig IV. den Bayern (1281 bis 1347) behandelt und abermals ein erschreckendes Panorama von Lug und Trug, Blut und Mord im Zeichen des Kreuzes bietet. In diese Zeit fallen unter anderem der Entscheidungskampf zwischen Kaiser- und Papsttum, der Sturz der Staufer, das Ende der päpstlichen Universalherrschaft sowie die „Babylonische Gefangenschaft“ der Päpste in Avignon.
Sein besonderes Augenmerk richtet Deschner auf die Inquisition und Kreuzzüge („bewaffnete Wallfahrten“) wie auf die Judenmassaker, denen allein 1348/49 etwa zwei Drittel der jüdischen Gemeinden in Deutschland zum Opfer fielen. Wie auch in den früheren Bänden bringt der Kriminalhistoriker besonders das zur Sprache, was die offizielle kirchliche Lesart geflissentlich verharmlost oder gar verschweigt. Und so lesen sich manche Kapitel wie ein Gruselroman, der von Scheiterhaufen berichtet, die nie erlöschen und der den
Leser in modrige Kerker und Folterkammern führt, wo die „Ungläubigen“ im Namen des christlichen Glaubens gevierteilt oder ihnen Zunge und Augen ausgeschnitten werden.
Die zeitgenössischen Theologen wussten derlei Gewalt mit grotesken Kommentaren zu legitimieren,wenn sie etwa von „Liebe in fremder Gestalt“ sprachen oder in Anlehnung an die alttestament-lichen Genozid-Erzählungen die Kreuzzüge als göttliche Taten feierten („Durch Gottes Gnade wurden über 3000 Heiden erschlagen“).
Deschner geht es nicht um eine „ausgewogene“ Darstellung; vielmehr schreibt er, mitunter in sarkastischem Unterton, als aufklärerischer Humanist, der daran Anstoß nimmt, dass das sich als Liebesreligion wähnende Christentum eine Unmenge von Verbrechen begangen hat. Mit seiner in lockerer Sprache verfassten „Kriminalgeschichte“ hat er ein alternatives Standardwerk geschaffen, das den Leser ungeschminkt hinter die Kulissen schauen lässt. Damit hat er den Mythos vom seligmachenden Christentum ersatzlos entzaubert und die herkömmliche Kirchengeschichts-schreibung zugleich entlarvt, die noch immer unter apologetischen Vorzeichen steht.
Für Internet-Kundige hat der Autor übrigens eine umfangreiche
Homepage eingerichtet, die Adresse ist:
http://www.deschner.info
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums,
Band 7: 13. und 14. Jahrhundert, Hamburg-Reinbek: Rowohlt
Verlag 2002, 572 S.