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Kreuze in bayerischen Dienst­ge­bäuden hängen weiterhin

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied im Juni 2022, dass die seit 2018 im Eingangsbereich bayerischer Dienstgebäude hängenden Kreuze gegen die staatliche Pflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität verstoßen. Die Kreuze hängen aber weiterhin ...

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied im Juni letzten Jahres, dass die seit 2018 im Eingangsbereich bayerischer Dienstgebäude hängenden Kreuze gegen die staatliche Pflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität verstoßen. Allerdings leitete das Gericht daraus nicht ab, dass Bayern, die Kreuze wieder abhängen müsse; denn die Kläger – der Bund für Geistesfreiheit Bayern und der Bund für Geistesfreiheit München – seien nicht in ihrem Recht auf Weltanschauungsfreiheit und ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt. [1]

Auf Initiative Markus Söders hatte die bayerische Landesregierung im April 2018 verfügt, dass im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen sei. Diese Regelung wurde in die Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern geschrieben. In dieser Allgemeinen Geschäftsordnung wird zugleich empfohlen, dass sich auch Gemeinden und Landkreise an die Kreuz-Regelung halten mögen.

Gegen den Kreuz-Erlass klagten neben dem Bund für Geistesfreiheit München und Bayern weitere 25 Einzelpersonen, unter anderem der Sänger Konstantin Wecker.

Juristisch sind die Verfahren rund um das Kreuz komplex, weil die Klagenden sowohl beantragten, dass die den Kreuzen zugrundeliegende Verwaltungsvorschrift, § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern, aufgehoben werde, als auch, dass die Kreuze abgehängt werden. Für die Entscheidungen spielte eine Rolle, ob die Allgemeine Geschäftsordnung Außenwirkung entfaltet und ob die Klagenden von den hängenden Kreuzen jeweils persönlich in ihren Rechten beeinträchtigt sind.
In der ersten Instanz entschied das Verwaltungsgericht München 2020, dass weder die beiden Weltanschauungsgemeinschaften noch die 25 Einzelkläger*innen einen Anspruch auf Abhängen der Kreuze hätten. Die Berufung gegen dieses Urteil ließ das Verwaltungsgericht nicht zu. Es hielt jedoch einen Normenkontrollantrag gegen die Kreuz-Regelung in der Allgemeinen Geschäftsordnung für zulässig und sah insoweit den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für sachlich zuständig. [2]

2020 lehnte zudem der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen den Kreuz-Erlass als unzulässig ab. [3]

Der Verwaltungsgerichtshof hielt die Klage auf Aufhebung des Kreuz-Erlasses für unzulässig bzw. unbegründet. [4] Hinsichtlich des Klagebegehrens, die Kreuze abzuhängen, wies es den Antrag auf Zulassung zur Berufung der 25 Einzelklagenden ab. [5] Dagegen gab es dem Antrag auf Zulassung zur Berufung der beiden Weltanschauungsgemeinschaften statt, hielt die Berufung jedoch inhaltlich nicht für begründet.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen die Kreuze zwar gegen die staatliche Pflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität. Das Kreuz sei nämlich nicht nur ein Symbol der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns, sondern ein christliches Symbol. Dieses Neutralitätsgebot sei aber subjektiv nicht einklagbar. Zudem wirkten die Kreuze in den Eingangsbereichen der Dienstgebäude nicht missionierend und indoktrinierend; sie verletzten den Bund für Geistesfreiheit deshalb auch nicht in seinem Recht auf Weltanschauungsfreiheit und Gleichbehandlung.

Die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Bayern überzeugt aber nicht. Rechtlich kommt es insbesondere darauf an, wie weit das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Staat sich nicht mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften identifizieren darf, verstanden wird. Unstrittig ist ein solches Identifikations-Verbot Inhalt des religions-weltanschaulichen Neutralitätsgebotes und wird insbesondere aus der Religions- und Weltanschauungsfreiheit aus Artikel 4 und dem Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 Grundgesetz hergeleitet. Kreuze dürfen deshalb jedenfalls nicht in Klassenzimmern [6] und Gerichtssälen [7] hängen, sofern einzelne von dem Kreuz betroffene Schüler*innen, Lehrer*innen, Richter*innen oder Prozessparteien gegen das Kreuz ihre Religions- und Weltanschauungsfreiheit geltend machen. Insoweit sieht das Bundesverfassungsgericht eine persönliche Betroffenheit zum Beispiel der Schüler*innen, weil sie gewissermaßen unter dem Kreuz lernen müssten. Sie befänden sich in einer vom Staat geschaffenen Lage, in der sie ohne Ausweichmöglichkeit dem Glaubenssymbol ausgesetzt seien.

Strittig ist aber, mit welcher Intensität das vom bayerischen Staat verordnete Kreuz auf den*die Einzelne*n einwirken muss, bis der*die verlangen darf, dass das Kreuz abgehängt wird. Der Verwaltungsgerichtshof ging davon aus, dass die Kreuze in den Eingangsbereichen von Dienstgebäuden zu flüchtig auf die Bürger*innen wirkten, als dass sie deren Religions- und Weltanschauungsfreiheit beeinträchtigen könnten. Dagegen lässt sich aber argumentieren, dass allen, die auf dem Weg zur Neuanmeldung oder Führerscheinbeantragung oder zu einer anderen Amtshandlung an dem Kreuz vorbei ins Dienstgebäude gehe, immer deutlich ist, dass jedenfalls die Bayerische Staatsregierung sich dem Christentum verbunden fühlt.

Die Kläger*innen in Bayern wollen in Revision gehen und notfalls auch Verfassungsbeschwerde einlegen. Zunächst wird also das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit haben, aus dem staatlichen Neutralitätsgebot einen subjektiven Anspruch auf Abhängen von deutlich sichtbaren Kreuzen in bayerischen Dienstgebäuden herzuleiten.

[1] VGH Bayern, Urteil vom 1. Juni 2022, 5 B 22.674.
[2] VG München, Entscheidung vom 17. September 2020, Az. M 30 K 20.2325.
[3] Beschluss vom 3.April 2020, Az. Vf. 8-VII-18.
[4] VGH Bayern, Urteil vom 1. Juni 2022, 5 N 20.1331. für den Bund für Geistesfreiheit Bayern und München ließ der VGH die Revision zu.
[5] VGH Bayern, Beschluss vom 23. August 2022, 5 ZB 20.2243.
[6] Siehe Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.5.1995, Az. 1 BvR 1087/91.
[7] Siehe u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17

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