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Dürfen "Atheisten" Lehrer sein?

Aus: vorgänge heft 2-3/ 1962, S. 8- 10

(vg) Im Zusammenhang mit den Vorgängen bei der Besetzung der Direktorenstelle der Helene-Lange-Realschule in Bochum (siehe Vorgänge 1/1962, 8. 6; ‚Glaubensfreiheit für Christen‘) wurde bekannt, daß allen Lehrerkonferenzen an den Höheren Schulen Nordrhein-Westfalens das Manuskript eines Vortrages zugeleitet worden ist, in dem Ministerialdirigent Prof. Dr. Holzapfel, Leiter der Schulabteilung am Kultusministerium von NRW, schon 1959 die Ansicht vertreten hat, daß ‚atheistische‘ Lehrer nicht die gleichen Rechte beanspruchen könnten wir christliche. In seinem Referat heißt es:

„In der Bundesrepublik haben wir ein freies Schulwesen. Im Lande Nordrhein-Westfalen ist die Freiheit des Schulwesens auf Grund der Landesverfassung und des Landesschulgesetzes ganz besonders stark ausgeprägt. Die Freiheitlichkeit unseres Schulwesens wird des häufigeren von den Anhängern des weltanschaulichen Liberalismus bestritten, weil nach deren Auffassung ein Schulwesen nur dann frei ist, wenn es für weltanschauliche oder religiöse Bindungen keinen Raum läßt. In Wahrheit würde ein Schulwesen, das diesen Raum nicht ließe, unfrei sein. Auch der weltanschauliche Liberalismus und ein aus ihm sich ergebendes Bildungsideal dürfte den Schulen vom Staate nicht vorgeschrieben werden..Als Katholiken müssen wir es begrüßen, daß der gegenwärtige Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen sich kürzlich mit größter Entschiedenheit gegen die „liberalistische Zwangstoleranz“ gewandt hat. Der Liberalismus, der nur den „Durchschnitt“ der verschiedenen Religionen, Religionsbekenntnisse und Weltanschauungen gelten läßt, d.h. nur das ihnen Gemeinsame als weltanschaulich belangvoll anerkennt und nur dieses Gemeinsame als Grundlage für das pädagogische Bemühen in den Schulen anerkennen will, ist intolerant. Ein Schulwesen, das auf dieser Anschauung gründete wäre unfrei. Die Freiheitlichkeit unseres Schulwesens besteht darin, daß 1) bekenntnismäßig und weltanschaulich gebundene Schulen – im Bereich des Volksschulwesens sogar als öffentliche Schulen, im Bereich des weiterführenden Schulwesens wenigstens als Privatschulen – zugelassen sind; sie besteht aber auch 2) darin – und dies herauszustellen ist mir besonders wichtig -, daß auch in den nicht bekenntnismäßig oder weltanschaulich gebundenen Schulen, den Gemeinschaftsschulen, Raum gegeben ist für ein Bildungsbemühen auf der Grundlage von Bildungsidealen, die im religiösen Bekenntnis oder in einer Weltanschauung wurzeln. Dieser Raum ist allerdings nicht unendlich groß. Er ist weit, aber doch begrenzt. Die Grenzen sind gesetzt durch die Verfassung und das Schulgesetz, die als höchstes Ziel der Erziehung den Menschen bezeichnen, der Ehrfurcht besitzt vor Gott.

Daraus folgt, daß kein Lehrer und Erzieher das Recht hat, den Atheismus und das gleiche gilt für jede Art von Naturalismus, insbesondere für den Materialismus, da jeder Naturalismus notwendig Atheismus ist – zur Grundlage seiner pädagogischen Arbeit zu machen. Denn Ehrfurcht vor Gott kann nur der haben, der von der Existenz Gottes überzeugt ist. Aus der Feststellung, daß kein Lehrer und Erzieher den Atheismus zur Grundlage seines pädagogischen Wirkens machen darf, folgt nicht, daß dem Atheisten der Zugang zum Lehrerberuf versperrt wäre. Das wäre grundgesetzwidrig. Aber es ist nicht zu verkennen, daß für den atheistischen Lehrer und Erzieher insofern eine Problematik besteht, als er bei -seinem pädagogischen Wirken seine weltanschauliche Grundüberzeugung nicht wirksam werden lassen darf, was für den geborenen Erzieher ein schwer zu ertragender Verlust ist. Andererseits darf wohl gesagt werden, daß der atheistische Erzieher einen solchen Verzicht am ehesten zu leisten vermag, weil für ihn die fundamentalpädagogischen Begriffe – die ethische, wenn nicht religiöse Begriffe sind – insbesondere auch der Begriff des Gewissens, gegenstandslos sind.“

Im Frühjahr dieses Jahres hat Ministerialdirigent Holzapfel in Düsseldorf auf einer Tagung der Philosophielehrer an den Höheren Schulen des Landesteils Nordrhein erneut betont, daß auch der Philosophielehrer nicht die Freiheit habe, sich zu einer atheistischen oder materialistischen Philosophie zu bekennen, da nach der Landesverfassung das. Kind zur Ehrfurcht vor Gott erzogen werden müsse. Im Verlauf der dann folgende; Diskussion schränkte er diese These erheblich ein. Mit dem Gott des erwähnten Artikels der Landesverfassung sei nicht nur der christliche, sondern auch der Gott Goethes und Humboldts gemeint. Und es sei auch christlichen Philosophielehrern nicht gestattet, Proselyten für ihre religiöse Überzeugung zu machen.

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