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Zur Rolle der Verfas­sungs­schut­zämter im demokra­ti­schen Rechtsstaat

Eine Stellungnahme des Bayerischen Innenministeriums

aus: Vorgänge Heft 11/1968, S. 410-412

(vg) Am 31. Mai 1968 hat die Humanistische Union an den Rechts- und den Innenausschuß des Bundestags sowie an die für die Landesverfassungsschutzämter zuständigen Innenminister der Länder eine Petition gerichtet, die dazu auffordert, die Praxis der Verfassungsschutzämter durch eine Änderung der Gesetze über den Verfassungsschutz den Rechtsnormen der Verfassung anzupassen.

Auf diese Petition hat die HU bisher nur von einer der betroffenen Behörden eine Antwort erhalten, diese allerdings in erfreulicher Ausführlichkeit: für das Bayerische Staatsministerium des Innern antwortete Ministerialdirektor Riedl unter dem Aktenzeichen S – 2025/34 – 22. Diese Stellungnahme geben wir hier, weil sie umfassend und gründlich über die Aufgaben des Verfassungsschutzes aus der Sicht der staatlichen Behörde unterrichtet,. in vollem Wortlaut wieder.

Allerdings sind mit dieser Stellungnahme die von der HU vorgetragenen Gesichtspunkte zur Reform des Verfassungsschutzes – siehe den Abdruck der Petition in vg 6/68, S. 218 – nicht generell entkräftet. Die Petition forderte im Kern dreierlei:

„1. das Verbot hinterlistiger und täuschender Maßnahmen, zum Beispiel der Einschleusung sog. ,Vertrauensleute`,
2. das Verbot der Verwertung von Agenten-Aussagen ohne Gegenüberstellung mit dem Betroffenen,
3. einen dem Grundgesetz entsprechenden Rechtsschutz des einzelnen gegen Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt.“

Die Petition bezeichnet den Verfassungsschutz zwar auch als „seit Bestehen des politischen Strafrechts“ überflüssig, stellt aber im Ganzen nicht auf eine Abschaffung der Ämter, sondern auf eine Revision der einschlägigen Gesetze ab. Das Argument des Bayerischen Ministeriums, das Strafrecht könne nur begangenes Unrecht ahnden, aber nicht Gefahren verhüten und unterbinden, trifft für das politische Strafrecht insofern nicht, als dieser in der Bundesrepublik besonders exzessiv ausgestattete Strafrechtsbereich durchaus diverse Normen der Vorbeugung enthält, außerdem sich ja auch die Polizei noch mit der einschlägigen Bekämpfung von Straftaten befaßt.

Auch die Argumentation, der Bundesgerichtshof habe mehrfach den Einsatz von „Vertrauensleuten“ und die Verwendung von anonymen Agentenaussagen für rechtsmäßig erklärt, schlägt insofern nicht durch, weil ja gerade die Rechtsprechung des Politischen Strafsenats des Bundesgerichtshof seit vielen Jahren erheblicher, an der freiheitlichen Verfassung orientierter Kritik ausgesetzt ist (was schließlich auch zu einer Novellierung des Politischen Strafrechts in diesem Jahr geführt hat). Gewiß kann sich die Behörde, in unserem Fall also das Bayerische Innenministerium, auf diese Rechtsprechung berufen, gleichwohl beseitigt diese Rechtsprechung für die Staatsbürger und für die HU, die sich zu ihrem Sprecher machte, nicht erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Praktiken des Verfassungsschutzes mit der freiheitlich demokratischen Verfassung.

Auch dem Argument gegenüber, es bestehe durchaus Rechtsschutz für den Bürger gegenüber Maßnahmen des Verfassungsschutzes, muß insofern ein Vorbehalt angemeldet werden, als der Bürger sich zumindest insoweit nicht an die Gerichte wenden kann, wo der Verfassungsschutz „Nachrichten“ über ihn sammelt, von denen er garnichts erfährt. (Das ist also ein ähnliches Verfahren wie beim Abhören des Telefons und beim Öffnen von Briefen, für welches der Bundestag mit der Notstandsverfassung den Rechtsschutz ausdrücklich abgeschafft hat.)
Schließlich war das Kernargument der HU-Petition, daß ein Staat, der mit demokratisch wachen Bürgern rechnet, soviel Angst um seinen Bestand, wie der Riesenapparat der Verfassungsschutzämter und der politischen Polizeibehörden sie verrät, nicht zu haben braucht. Bekannt sind außerdem die häufig ausgesprochen primitiven und polizeistaatlichen Methoden dieser Behörden und auch ihre im Verhältnis zum Aufwand geringe Effektivität.

Gleichwohl unterrichtet die Stellungnahme des Bayerischen Innenministeriums erfreulich gründlich über die Auffassungen seitens der Behörde über die Rechtsstaatlichkeit des Verfassungsschutzes. Wir geben sie hier darum zunächst ohne weitere Kommentierung wieder, behalten uns eine ausführliche Stellungnahme jedoch vor.

Das Staatsministerium des Innern hat von Ihrem an die Mitglieder des Rechts- und des Innenausschusses des Deutschen Bundestages und an die Innenministerien der Bundesländer gerichteten Schreiben vom 31. Mai 1968 Kenntnis genommen.

1. Soweit uns bekannt ist, hat es sich Ihre Vereinigung unter anderem zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung über bestimmte Geschehnisse im öffentlichen Leben sachlich zu informieren. Das setzt eine genaue Sachkenntnis voraus, um die Sie sich, wie wir annehmen möchten, gewiß sorgfältig bemühen. Um so mehr verwundert es uns, daß Sie offenbar über die Stellung des Verfassungsschutzes innerhalb unserer Verfassungsordnung und über seine Aufgaben recht unvollständig unterrichtet zu sein scheinen. Das ist um so bedauerlicher, als gerade diesen staatlichen Organen in besonderem Maße die Sorge um unsere freiheitlich demokratische Grundordnung anvertraut ist, für die auch Sie sich einsetzen. In der Tat ist die Tätigkeit der in diesem Bereich eingesetzten Bediensteten immer wieder einer überwiegend negativ-abwertenden Kritik in der Öffentlichkeit ausgesetzt. Der Gedanke an die Ablehnung eines staatlich organisierten Verfassungsschutz schlechthin durch Sie muß sich, wie uns scheinen will, zwangsläufig aufdrängen, wenn man Ihre Auffassung liest, das 1950 erlassene Verfassungsschutz-Gesetz sei überflüssig, ohne daß Sie dartun, wie Gefährdungen der verfassungsmäßigen Ordnung begegnet werden soll.

2. Sie meinen, die Entbehrlichkeit des „Verfassungsschutz-Gesetzes“ folge aus der Existenz „politischer Strafrechtsnormen“. Dieser Auffassung liegt offensichtlich ein Mißverständnis über die Funktion des Strafrechts und die Aufgaben der Verwaltungsbehörden zugrunde, zu denen die Verfassungsschutzbehörden gehören. Das Strafrecht (auch das sog. politische Strafrecht) kann bekanntlich nur bereits begangenes Unrecht ahnden, ohne die in der Regel bereits herbeigeführte Gefahr beseitigen zu können. Aufgabe der Verwaltungsbehörden ist es (u. a.), Gefahren zu verhüten und zu unterbinden.

Dementsprechend hat das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBI. I S. 682) in § 3 dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Aufgabe übertragen, Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen über Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder im Land oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes
oder eines Landes zum Ziele haben. Die Länder haben für ihre Verfassungsschutzbehörden entsprechende Gesetze erlassen. Die Tätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz dient der ständigen Unterrichtung der Bundesregierung und der Landesregierungen über die jeweilige innere Sicherheitslage und gibt diesen die Möglichkeit, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Gefahren für den Bestand und die Sicherheit des Staates rechtzeitig abzuwenden.

Das Strafrecht kann niemals vorbeugende Maßnahmen ersetzen, wie es sich umgekehrt kein Staatswesen leisten kann, auf Strafnormen zu verzichten, auch wenn sein System der Vorsorge und Abwehr lückenlos zu sein scheint.

3. Die von Ihnen aufgezeigten Probleme berühren teilweise einen wesentlichen Kern der Tätigkeit unserer für die innere Sicherheit des Staates verantwortlichen Organe, über die man vielleicht unterschiedlicher Auffassung sein kann, wenn man sie losgelöst von ihrer Aufgabenstellung, von der potentiellen Gefahrenlage des Staates, von den Zielen, Methoden und Mitteln der Verfassungsgegner, der Übung in allen sonstigen demokratischen Staaten und natürlich auch in diesem Bereich möglichen individuellen Fehlverhalten betrachtet.

a) Die Erfüllung der den Verfassungsschutzbehörden in dem Gesetz vom 27. September 1950 und in den einzelnen Landesgesetzen (für den bayer. Bereich sei auf das Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz vom 22. November 1950, BayBS I S. 434, hingewiesen) übertragenen Aufgaben wird nur gewährleistet sein, wenn diese vor allem auch die konspirativen und subversiven Arbeitsweisen der Kräfte berücksichtigen, die auf eine Störung, Änderung oder Aufhebung unserer verfassungsmäßigen Ordnung abzielen. Es versteht sich von selbst, daß die Ämter für Verfassungsschutz gleichwohl in ihrer gesamten Tätigkeit die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit insbesondere hinsichtlich der gewählten Methoden und Mittel beachten müssen.

Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, wenn das angewandte Mittel im richtigen Verhältnis zu Zweck und Erfolg steht; es muß notwendig sein und darf zu keinem stärkeren Eingriff führen, als der Zweck es zwingend erfordert. Kann das Ziel mit einem geringeren Mittel erreicht werden, so ist dieses zu wählen. Daraus folgt, daß Nachrichten geheim nur beschafft werden dürfen, wenn sie anders nicht zu erlangen sind. Tatsächlich stammt ein nicht unerheblicher Teil der Nachrichten aus offenen Quellen, z. B. Schriftgut aller Art. Vertrauensleute dürfen also erst eingesetzt werden, wenn mit anderen Mitteln das Ziel, nämlich die Aufdeckung verfassungsfeindlicher Bestrebungen, nicht erreicht werden könnte. Der Grad der Gefährdung des öffentlichen Wohls und nicht zuletzt Angriffsart und -Intensität des Gegners sind zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für die Methoden der Infiltration, Konspiration und Subversion.

b) Nur jene Leute und Vereinigungen unterliegen der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, die in dem auf bestimmten Tatsachen beruhenden Verdacht der verfassungsfeindlichen Betätigung stehen. Daß hierin nichts Verwerfliches gesehen werden kann, sollte eigentlich Gemeingut aller um die Erhaltung unserer Verfassungsordnung besorgten Staatsbürger sein, zumal alle demokratischen Staaten ähnliche Einrichtungen unterhalten.

Sowohl die Verfassung des Freistaates Bayern als auch das Grundgesetz sind von dem Willen getragen, daß die freiheitliche demokratische Grundordnung erhalten bleiben und, wenn notwendig, verteidigt werden muß. Sie kennen insoweit keinen politischen Relativismus, keine Wertneutralität, sondern proklamieren eine wertgebundene, gegenüber ihren Gegnern wachsame Demokratie. Hierauf haben das Bundesverfassungsgericht und andere Gerichte schon mehrfach hingewiesen (vgl. z. B. BVerfGE 2/1/12; 5,85/134 ff).

Wie der Bayer. Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. November 1964 – Vf. – 47 – VI – 64 (DVB1. 1965 S. 446) ausgeführt hat, gehören zu den Mitteln, welche die freiheitliche Grundordnung vor Angriffen ihrer Gegner bewahren sollen, die Einrichtungen des Verfassungsschutzes, wie sie in modernen Staaten zu bestehen pflegen, und zwar gerade auch „in solchen mit demokratischen Verfassungen, die im besonderen Maße der Gefährdung ausgesetzt sind„.

c) Es ist allgemein anerkannt, daß die Staatsverwaltungszweige, in deren Aufgabenkreis die Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen fällt, wegen der häufig konspirativen Arbeitsweise der Gegner die Mitarbeit von Vertrauensleuten nicht entbehren können. (Vgl. Schäfer, Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat; in: Verfassungsschutz – Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Carl Heymanns Verlag KG, Köln-Berlin-Bonn-München 1966 S. 55 mit weiteren Nachweisen.)

Prof. Dr. Evers weist in seiner grundlegenden und kritischen Abhandlung „Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz“ (Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin 1960) auch darauf hin, daß die Verwendung von Vertrauensleuten ein typisches, erfolgversprechendes und praktisch in der Gegenwart unerläßliches Mittel des politischen Nachrichtendienstes ist (a.a.O., 5. 154; vgl. auch ders., Die rechtlichen Grenzen der Nachrichtensammlung, in: Verfassungsschutz – Beiträge … S. 107; ferner sei auf die Zuschrift „Vorwurf gegen den Verfassungsschutz“ des Verlagsdirektors des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, Herrn Hans-Detlev Becker, an die Wochenzeitung „Die Zeit“ – dort abgedruckt in der Nr. 51 vom 22. 12. 1967 – hingewiesen, in der gerade im Zusammenhang mit der Verwendung von Vertrauensleuten grundsätzliche Bemerkungen gemacht wurden, die wir teilen.

Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, daß die Ämter für Verfassungsschutz die ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben ohne Vertrauensleute nicht wirksam erfüllen können (vgl. z. B. Urteile vom 22. Januar 1955 – 2 StE 19/54, vom 9. Januar 1957 – 2 StE 14/56 und vom 1. August 1962 – 3 StR 28/62, letzteres abgedruckt in NJW 1962, S. 1876 f). In der letztgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich erklärt, daß die Verwendung und der Einsatz von Vertrauensleuten in keinem Widerspruch zu den Grundsätzen des Rechtsstaates stehe.

d) Der Einsatz von Vertrauensleuten dient nicht der Aufklärung begangener Straftaten, sondern in erster Linie der Beobachtung und der Verhütung strafbarer Handlungen. Es besteht demnach ein wesentlicher Unterschied zur strafprozessualen Ermittlungstätigkeit (so auch Evers, Privatsphäre … S. 153).

4. Auch die Verwertung von Aussagen unbekannt bleibender Vertrauensmänner in gerichtlichen Verfahren verstößt grundsätzlich nicht gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung, wenn sie sich an die Grenzen hält, die die Rechtsprechung gezogen hat.

Der Bundesgerichtshof hat unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung in der Entscheidung vom 1. 8. 1962 (NJW 1962, S. 1876 f) ausgeführt, daß die Vernehmung eines „Zeugen vom Hörensagen“ nicht den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletze, daß es allerdings eine Frage der Aufklärungspflicht und der Beweiswürdigung sei, ob sich das Gericht mit der Vernehmung eines solchen Zeugen begnügen dürfe. Es bedürfe sorgfältigster Überprüfung der von dem Vernehmungsbeamten wiedergegebenen Aussage solcher Gewährsleute. Auf sie könne regelmäßig eine Feststellung nur dann gestützt werden, wenn diese Bekundungen durch andere wichtige Gesichtspunkte bestätigt würden (ebenso Urteil des BGH vom 22. Juli 1966 – 2 StE 1/65).

Als Ergebnis hat der Bundesgerichtshof in jener Entscheidung festgestellt, daß die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden sei, da sich der Angeklagte zu allem, was die Beweisgründe des Urteils bilden könnte, insbesondere aber zu den Bedenken, die sich aus der Anonymität der Gewährsleute ergebe, und zu den möglicherweise den Beweiswert ihrer Angaben beeinträchtigenden Gesichtspunkten habe äußern können.

Die Einlassung des Angeklagten, die Verwertung der Aussage des unbekannt gebliebenen Vertrauensmannes verstoße gegen die Grundrechte der Art. 1, 2 und 3 GG, insbesondere werde seine Menschenwürde beeinträchtigt, hat der Bundesgerichtshof ebenfalls verworfen.

Es bestehen unseres Erachtens keine Bedenken, diese für das Strafverfahren entwickelten Grundsätze auch bei der sonstigen Verwertung der Angaben von Vertrauensleuten entsprechend anzuwenden (vgl. auch Evers, Privatsphäre … S. 165). Sie können versichert sein, daß die Verfassungsschutzbehörde die Zulässigkeit und den Wahrheitsgehalt vertraulicher Informationen genau überprüft, bevor sie zur Grundlage weiteren staatlichen Handelns gemacht werden.

5. Entgegen Ihrer Meinung besteht gegenüber Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden Rechtsschutz wie gegenüber sonstigen Akten der öffentlichen Gewalt. Das ergibt sich aus der Generalklausel des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offensteht.

a) Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat das mit Urteil vom 11. März 1964 Nr. 217 VIII 62 (DVBl. 1965 S. 447) in einem Fall, in dem es um die Frage der Berechtigung der Verfassungsschutzbehörden ging, vertrauliche Auskünfte über den Kläger an Dritte weiterzugeben, mit voller Klarheit ausgesprochen. Evers hat in seiner Anmerkung zu diesem Urteil (a.a.O., 5. 449) die zutreffende Feststellung angefügt, die Entscheidung dokumentiere, daß der Rechtsstaat nicht vor jenen Einrichtungen halt mache, die seinem polizeilichen Schutz dienen. Die modifizierte Form des Rechtsschutzes, wie sie für Maßnahmen auf Grund des Gesetzes zu Art. 10 GG vorgesehen ist, steht dem nicht entgegen.

b) Darüberhinaus kann der Staatsbürger, der sich durch eine Maßnahme der (bayerischen) Verfassungsschutzbehörden in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, mit Verfassungsbeschwerde den Bayer. Verfassungsgerichtshof anrufen (Art. 120 BV). Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hat der Bayer. Verfassungsgerichtshof in seiner schon zitierten Entscheidung vom 9. November 1964 (DVBI. 1965 S. 446) gerade auch im Hinblick auf an Dritte weitergegebene vertrauliche Auskünfte ausdrücklich bejaht.

c) Schließlich ist noch die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht möglich, wenn die Verletzung der Grundrechte oder Verletzung der in Art. 33 GG enthaltenen Rechte behauptet wird (Art. 93 Abs. 2 GG i.V.m. § 90 Abs. 1 BVerfGG).

Von einem mangelhaften oder gar fehlenden Rechtsschutz gegenüber Akten der Behörden des Verfassungsschutzes zu sprechen, erscheint unter diesen Umständen nicht haltbar zu sein. Wir würden es begrüßen, wenn unsere Stellungnahme und vor allem die in ihr angeführten Äußerungen unserer obersten Gerichte es Ihnen ermöglichen würden, sich zu einer positiveren Betrachtungsweise des Verfassungsschutzes durchzuringen. Die von Ihnen geäußerten Ansichten haben um so mehr verwundert, als Vorstand und Beirat ihrer Vereinigung auch namhafte Vertreter der Rechtspraxis zu Mitgliedern haben, denen die erwähnte Rechtsprechung nicht unbekannt sein dürfte und von denen daher nicht angenommen werden kann, daß sie Ihre Auffassungen, die Sie namens der Humanistischen Union dargelegt haben, teilen.

Gestatten Sie, mit einem Wort des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Senator a. D. Helmut Schmidt aus Hamburg zu schließen, das sich in einem von ihm im Jahre 1966 veröffentlichten Aufsatz mit dem Titel „Verfassungsschutz als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern“ findet (abgedruckt in: Verfassungsschutz – Beiträge … S. 34):

„Wir können nicht auf Behörden verzichten, denen von Amts wegen der Schutz des Staates und seiner Bürger anvertraut ist. Eine dieser Behörden ist der Verfassungsschutz. Seine Arbeit kann nur dauerhaften Erfolg haben, wenn die Bürger ihm das Vertrauen entgegenbringen, daß der Verfassungsschutz sich im Denken und Handeln den Werten verpflichtet fühlt, zu deren Schutz er berufen wurde.“

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