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Das Konkordat zwischen dem Vatikan und dem Land Nieder­sachsen

vorgängevorgänge 3-196503/1970Seite 119 - 125
von vg

Aus: vorgänge 3/1965, S. 119 – 125

Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Niedersachsen wurde am 26. Februar in Hannover von dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Georg Diederichs und dem Nuntius des Vatikans in der Bundesrepublik, Erzbischof Corrado Bafile, unterzeichnet. Es bedarf nun noch der Ratifizierung durch die päpstliche Kurie und durch den niedersächsischen Landtag, die jedoch nicht vor April zu erwarten ist. Außerdem muß der Landtag, um verschiedene Vereinbarungen des Konkordats gesetzlich festzulegen, eine Novelle zum Schulgesetz von 1954 verabschieden.

Die Geschichte der Konkor­dats­ver­hand­lungen

Die Verhandlungen über dieses Konkordat dauerten verhältnismäßig lang. 1954 hatte der niedersächsische Landtag das Schulgesetz verabschiedet, das den Weg für eine fortschrittliche Entwicklung des Schulwesens freimachte. Danach ist die allgemeine „christliche Schule” Regelschule in Niedersachsen. Konfessionsschulen können nur auf Antrag einer, im Unterschied zu anderen Bundesländern, relativ hohen Anzahl von Eltern eingerichtet werden. Niedersachsen hatte mit der hohen Meßzahl von vornherein der Bildung von zwergschulen vorgebeugt. Das Schulgesetz wurde andererseits immer so gehandhabt, daß die Anstellung von Lehrern an den Schulen in der Regel nach dem konfessionellen Proporz erfolgte. Da die Katholiken in Niedersachsen., die mit 19 Prozent der Bevölkerung in starker Minderheit gegenüber den 77 Prozent Protestanten sind, meist in geschlossenen Siedlungsgebieten wohnen, waren viele Gemeinschaftsschulen ohnehin de facto katholische Schulen. Im Landesteil Oldenburg hingegen waren die Schulen auch de jure Konfessionsschulen, weil hier der evangelische Landesbischof, im Gegensatz zu den vier anderen Landesbischöfen in Niedersachsen, ebenso wie die Katholiken, die hier zur Diözese Münster gehören, am Prinzip der Konfessionsschule festhielt. Gegen das niedersächsische Schulgesetz, daß von einer sehr großen Mehrheit des Landtags verabschiedet und vom weit überwiegenden Teil der Bevölkerung wie auch von den evangelischen Landeskirchen gutgeheißen wurde, waren katholischerseits im Jahre 1954 heftige Demonstrationen angestrengt worden. Dabei war von vornherein klar, daß es sich, hätte der niedersächsische Landtag der katholischen Forderung nachgegeben, bei fast allen katholischen Schulen außerhalb der geschlossenen katholischen Siedlungsgebiete um ein- bis zweiklassige Zwergschulen gehandelt hätte, ja daß darüber hinaus dann auch nicht voll ausgebaute evangelische Schulen oder Gemeinschaftsschulen in großer zahl hätten eingerichtet werden müssen.

Obwohl die niedersächsische Schulgesetzgebung undoktrinär war —sie vermied ja die festgelegten Begriffe „Gemeinschaftsschule” und „Bekenntnisschule”, richtete sich aber bei der Zusammensetzung der Lehrerschaft nach der konfessionellen Zusammensetzung der Schülerschaft, ermöglichte außerdem bei entsprechendem Bedarf die Einrichtung von Konfessionsschulen —, ihr Prinzip im Kern darauf ausgerichtet war, ein möglichst effektives Schulwesen zu bekommen, wurde ausdrücklich gegen das Land Niedersachsen 1955 die Klage der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht angestrengt, mit dem Antrag festzustellen, daß das niedersächsische Schulgesetz gegen das Reichskonkordat von 1933 verstoße. Das Land Niedersachsen seinerseits bestritt nicht – im Unterschied zu Hessen – die Gültigkeit des Reichskonkordats, berief sich vielmehr darauf, daß sein Schulgesetz mit diesem Konkordat im Einklang stehe. Das Bundesverfassungsgericht kam schließlich in seinem bekannten Konkordatsurteil von 1957 zu der Entscheidung, das Reichskonkordat sei als völkerrechtlicher Vertrag zwar weiterhin gültig, die Schulbestimmungen des Konkordats aber griffen in die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes ein, in der die Kulturhoheit der Länder bestimmt ist, und so bestehe keine Pflicht der Länder gegenüber dem Bund, die Schulbestimmungen des Reichskonkordats zu beachten; der Bund könne seine aus dem Reichskonkordat sich ergebenden Verpflichtungen gegenüber den Ländern nicht auf dem Rechtswege erzwingen.

1955 schließlich schloß das Land Niedersachsen einen Kirchenvertrag mit den evangelischen Landeskirchen, der als sogenannter Loccumer Vertrag zum Modell für eine Reihe anderer Länderverträge mit den evangelischen Kirchen wurde. In diesem Vertrag anerkannten die evangelischen Landeskirchen ausdrücklich die niedersächsische Schulgesetzgebung und noch heute geben die evangelischen Bischöfe mit gewissem Stolz zu erkennen, daß sie damit beigetragen haben zu einer fortschrittlichen Regelung der Schulfrage, in der erstmals das leidige Problem des Konfessionalismus in der Schule überwunden wurde. 1962 noch bezeichnete Landesbischof Lil je diesen Kirchenvertrag als „ein historisches Dokument der Nachkriegszeit”, in dem das Verhältnis von Staat und Kirche erstmals in Deutschland „partnerschaftlich” geregelt wird. Die bekannte Formel vom „Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen” findet sich als staatliche Anerkennung auch erstmals in diesem Vertrag.

Schon bei Abschluß dieses Vertrags hatte der damalige nieder-sächsische Ministerpräsident Hinrich Kopf (SPD) erklärt, das Land sei zu einer entsprechenden Regelung seines Verhältnisses zur katholischen Kirche bereit. Allerdings war damals wohl nicht an einen völkerrechtlichen Vertrag mit dem Heiligen Stuhl gedacht, sondern, parallel zum evangelischen Kirchen-vertrag, an einen Kirchenvertrag mit den katholischen Bischöfen, deren Diözesen sich in das Landesgebiet Niedersachsens erstrecken: Hildesheim, Osnabrück und Münster. Jedoch die ersten Verhandlungen mit den einzelnen Bischöfen unter dem neuen Kabinett Heinrich Hellwege (DP) scheiterten, weil die Interessen der verschiedenen Verhandlungspartner zu sehr divergierten. Erst als 1959 wieder Hinrich Kopf Ministerpräsident geworden war, wurden neue offizielle Verhandlungen begonnen. Die katholische Kirche hatte sich inzwischen dazu entschlossen, nur einen Verhandlungspartner zu benennen. Der Bischof von Münster, Michael Keller, führte bis 1961 die Verhandlungen. Sowohl Keller wie Kopf starben jedoch im Jahre 1961. Der neue Ministerpräsident wurde Georg Diederichs (SPD), der in Koalition mit der FDP regierte. Die Verhandlungen, die seitens der Regierung durch den damaligen Kultusminister Richard V oigt (SPD) geführt wurden, waren vom Auswärtigen Amt in Bonn, weil Bischof Keller als Vertreter des Heiligen Stuhls fungierte, mit Mißtrauen verfolgt worden, da man sie als einen Einbruch in das Recht des Bundes auf Außenpolitik auffaßte. 1961 bestätigte jedoch das Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts den Ländern ihre Kulturhoheit, wodurch indirekt auch die Basis gegeben war für weitere außenpolitische Verhandlungen auf kulturpolitischem Gebiet. Der Vatikan beauftragte 1962 seinen Apostolischen Nuntius in Bonn, Corrado Ba file, mit der Verhandlungsführung.

Bereits im März 1963 wurde mitgeteilt, man habe sich auf einen Konkordatsentwurf geeinigt, es seien nur noch Details zu besprechen. Wegen der Landtagswahlen im Mai 1963 wurde dann aus einem Abschluß der Verhandlungen nichts, sei es, weil die katholische Kirche die SPD und FDP für den Wahlkampf durch ein abgeschlossenes Konkordat nicht aufwerten wollte oder weil sie sich nach der Wahl eine andere Koalition und nachgiebigere Regierung versprach, sei es, daß vor allem der Koalitionspartner FDP sich im Wahlkampf nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, er hätte eine Durchlöcherung des durch seine Initiative 1954 zustandegekommenen Schulgesetzes zugelassen. Nach der Wahl mußte Kultusminister Voigt aus koalitionstaktischen Gründen dem FDP-Minister Hans Miihlenfeld Platz machen, doch wurde Voigt neben Mühlenfeld auch weiterhin mit den Konkordatsver’handlungen betraut (über deren Stand bis zu diesem Zeitpunkt berichteten wir in vg 8/63, 237 ff). Im Januar 1964 war wieder der Punkt erreicht, an dem die Verhandlungen vor dem Abschluß standen. Doch wurde diesmal nichts daraus, weil die deutschen Bischöfe ihren Standpunkt in den Fragen der Schulpolitik und der Lehrerbildung plötzlich verhärteten. Auch die Bonner CDU machte den Einwand, ein Konkordatsabschluß mit einer sozialdemokratisch geführten Regierung würde die SPD vor den Bundestagswahlen in den Augen der Katholiken gefährlich aufwerten. Man verhandelte weiter bis in den Sommer 1964, hatte sich im September in der schwierigen Frage, welchen Status das neue Konkordat in Ablösung des Reichskonkordats haben solle, geeinigt, als Rom in dieser Frage wieder Bedenken vorbrachte: das Reichskonkordat sollte nicht als abgelöst erscheinen, sondern als Basis des Landeskonkordats weitergelten.

Nun scheint man sich in all den strittigen Fragen in einem beiderseitigen Kompromiß geeinigt zu haben, so daß das Konkordat unterzeichnet und dem Landtag hier, dem Papst dort zur Ratifizierung vorgelegt werden kann. Allerdings gibt es auf beiden Seiten noch kleine gegnerische Gruppen. Zwar hat das niedersächsische Kabinett den Entwurf einstimmig gebilligt, so also auch die vier FDP-Minister des Kabinetts. Doch sind diese nicht Mitglieder der 14köpfigen FDP-Fraktion des Landtags und deren Widerstand gegen das Konkordat wegen zu großer schulpolitischer Zugeständnisse scheint noch nicht aufgegeben. Die SPD-Fraktion hat dem Entwurf mit 69 gegen 4 Stimmen zugestimmt. Unter den 62 Abgeordneten der CDU hingegen gibt es einige Gegner, die der Ansicht sind, daß die katholischen Belange vor allem in der Frage der Lehrerbildung nicht genügend berücksichtigt wurden. Ihr Einwand ist offen-bar auch noch der eines Teils des deutschen Epi’skopats. Besonders Bischof Pohlschneider von Aachen, der Schulreferent der Fuldaer Bischofskonferenz, der früher übrigens einmal Of fiziat in Vechta, dem Gebiet der Diözese Münster im Lande Niedersachsen, war, ist der Ansicht, daß Bafile in dieser Frage zuviel Boden preisgegeben habe und durch das Niedersachsen-Konkordat so die angebahnten Verhandlungen mit Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ungünstig präjudiziert werden. Diese Bedenken könnten sich noch bei der römischen Kurie durchsetzen. Im niedersächsischen Landtag allerdings kann Ministerpräsident Diederichs trotz der Einwände mit fast neunzigprozentiger Zustimmung rechnen.

Der Inhalt des Konkordats

Der genaue Text des niedersächsischen Konkordats liegt bei Abfassung dieses Berichts noch nicht vor. Nachdem aber jahrelang die Verhandlungen unter strengster Geheimhaltung geführt wurden, sind in den letzten Wochen eine Reihe Einzelheiten bekannt geworden, so daß man einen Überblick über die wesentlichen Bestimmungen des Konkordats gewinnen kann.

Die lange Zeit umstrittene Präambel soll das Verhältnis des neuen Konkordats zu seinen Vorgängern regeln. Während das erste Kompromiß im September 1964 seitens des Landes Niedersachsen die Bestätigung enthielt, daß das Landeskonkordat formal auf dem Reichskonkordat aufbaue, seitens des Vatikans aber das Zugeständnis, das Reichskonkordat werde für Niedersachsen durch das neue Konkordat material abgelöst, enthält die neue Präambel ein größeres Zugeständnis gegenüber der katholischen Kirche, insofern in ihr das Reichskonkordat ausdrücklich als fortgeltend bezeichnet wird, darüber hinaus auch noch das Konkordat von 1929 mit dem nicht mehr existierenden Freistaat Preußen. So ;ist das neue Konkordat nach den Wünschen der Kirche in eine Rechtskontinuität gestellt, die bezüglich des Reichskonkordats wegen seines Abschlusses mit dem Hitler-Regime, bezüglich des preußischen Konkordats wegen der Auflösung Preußens höchst fragwürdig ist. Laut Vorwärts vorn 17. 2. 65 hat die Präambel folgenden Wortlaut: „Seine Heiligkeit, Papst Paul VI., und der niedersächsische Ministerpräsident, die in dem Wunsche einig sind, das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Lande Niedersachsen in freundschaftlichem Geiste zu festigen und zu fördern, haben beschlossen, eine feierliche Übereinkunft zu treffen, durch die die Rechtslage der katholischen Kirche in Niedersachsen, die sich namentlich aus den fortgeltenden Konkordaten zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Preußen vom 14. Juni 1929 und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 ergibt, fortgebildet und dauernd geregelt wird.”

Im ersten Artikel des Konkordats wird der katholischen Kirche vom Lande Niedersachsen ausdrücklich etwas zugestanden, was sich aus dem Grundrecht auf Religionsfreiheit unserer Verfassungsordnung ganz von selbst versteht. Das Land gewährt „der Freiheit, den katholischen Glauben zu bekennen und auszuüben und der Liebestätigkeit der katholischen Kirche den gesetzlichen Schutz”. Neu ist allerdings die Einbeziehung der „Liebestätigkeit” in den „gesetzlichen Schutz”. Was darunter zu verstehen ist, scheint im Konkordat nur bezüglich der Frage geregelt zu sein, daß die Kirche einmal im Jahr ohne besondere staatliche Genehmigung eine Haussammlung für kirchliche und caritative Zwecke veranstalten darf. Im Zusammenhang des gewährten „gesetzlichen Schutzes” werden außerdem auch noch der Sonntag und die kirchlichen Feiertage vom Land Niedersachsen garantiert.

Üblich in Konkordaten ist die Regelung, die der Kirche das Recht zugesteht, Kirchensteuer zu erheben. Der Staat über-nimmt die Verpflichtung, diese Steuer gegen Entschädigung einzuziehen. Üblich sind ferner Bestimmungen über die Anstaltsseelsorge und -fürsorge der Kirche, über die Neubildung kirchlicher Verbände, über die Besetzung kirchlicher Ämter, über die Besetzung katholischer Lehrstühle an den Pädagogischen Hochschulen, über die vermögensrechtliche Vertretung der Kirche und über die Zirkumskriptian der Bistümer. Innerhalb dieser Bestimmungen werden allerdings einige Fragen staatskirchenrechtlich geregelt, die nach der Verfassung als Fragen der inneren Verwaltung und Organisation der Kirchen diesen ohne staatliche Einmischung freistehen. So werden Vereinbarungen über die Einsetzung sogenannter „nichtresidierender Domkapitulare” und über Grenzfragen der Bistümer getroffen, wonach die Diözese Hildesheim einige Landkreise erhält, die bisher zur Diözese Osnabrück gehörten, der wiederum ein anderer Landkreis zugesprochen wird.

Daß Religionsunterricht nach Maßgabe der katholischen Lehre Pflichtfach an allen öffentlichen Schulen ist, wird konkordatär bestätigt. Darüberhinaus verpflichtet sich das Land, an den Fach- und Berufsschulen, an denen Religionsunterricht nicht auf dem Lehrplan steht, religiöse Arbeitsgemeinschaften auf frei-williger Grundlage zu fördern.

Eine katholisch-theologische Fakultät, die zunächst erst bei der Errichtung einer zweiten Landesuniversität eingerichtet werden sollte, soll nun „zur gegebenen Zeit”, das heißt: wenn dafür genügend Studenten vorhanden sind, an der Universität Göttingen, an der eine evangelische Fakultät seit langem besteht, eingerichtet werden. Sobald sie existiert, werden die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück auf die eigenen Priesterseminare verzichten, die ihnen im Preußen-Konkordat von 1929 zugestanden worden waren.

Die finanziellen Regelungen des Konkordats gehen zugunsten der katholischen Kirche. Die Zuschüsse zur Pf arrerbesoldung und zur kirchlichen Verwaltung werden nun für die katholische Kirche zur Angleichung an die allgemeine Beamtenbesoldung nach demselben Modus geregelt, den der Loccumer Vertrag für die evangelischen Landeskirchen enthält. Während der bisherige Haushalt Niedersachsens für die katholische Kirche Ansätze in Höhe von 1,5 Millionen Mark enthält, wird die Kirche nach dem Konkordat nun, rückwirkend ab 1.1.65, jährlich 3,25 Millionen Mark erhalten. Alle Ansprüche der katholischen Kirche aus der Vergangenheit werden sehr groß-zügig mit einer Nachzahlung von 7,4 Millionen Mark abgegolten. Damit trägt der Staat — wie es im Loccumer Vertrag auch mit den evangelischen Kirchen geregelt wird — keine Baulasten mehr für Kirchen und kirchliche Gebäude, die ihm aus Ansprüchen nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1 803 bisher noch oblagen. (1954 hatte die Diözese Hildesheim noch einen Prozeß gegen die Regierung angestrengt, wonach das Land verpflichtet werden sollte, als Rechtsnachfolger Preußens dessen finanzielle Verbindlichkeiten zu übernehmen. Konkret ging es um den Wiederaufbau des Hildesheimer Domes. Nach dreijährigem Prozeß wurde ein Vergleich geschlossen, in dem die Regierung sich bereiterklärte, den Wiederaufbau des Domes mit einem Betrag bis zu 2,7 Millionen DM. zu unterstützen.) Nach der Abschlußzahlung von 7,4 Millionen DM obliegen nun der Kirche sämtliche Baulasten für kirchliche Gebäude und die Pflicht zu ihrer Erhaltung als Kunstdenkmäler. Wieweit das Denkmalschutzinteresse des Staates konkordatär geregelt ist, ist nicht bekannt.

Der gesamte Hildesheimer Domhof, der 1803 zugunsten der preußischen Krone enteignet worden war, geht mit Ausnahme zweier Gebäude, die heute eine Post und die Bezirksregierung enthalten, wieder in kirchlichen Besitz über. Darunter auch das ehemalige fürstbischöf liche Palais, das bis jetzt als Landgericht gedient hat und nun Generalvikariat werden soll. Alle Gebäude, die wieder in kirchlichen Besitz übergehen, wurden 1945 bis auf die Grundmauern zerstört und wurden inzwischen auf Staatskosten wieder aufgebaut. Zu diesen Gebäuden gehört ferner das Gymnasium Josephinum, das früher Domschule war, dann als staatliches Gymnasium geführt wurde, nun aber an den Bischöflichen Stuhl als Schulträger übergehen soll. Die Baulasten werden mit 1,5 Millionen abgelöst. Die Lehrer bleiben Staatsbeamte, der Direktor wird nur mit Zustimmung des Bischofs bestellt.

Die schul­po­li­ti­schen Zugeständ­nisse

Artikel 6 des Konkordats gewährleistet „die Beibehaltung und Neuerrichtung von katholischen Bekenntnisschulen”. Er legt fest, daß auf Antrag der Eltern im Bereich örtlicher oder über-örtlicher Schulträger Bekenntnisschulen errichtet werden, „wenn eine angemessene Gliederung der beantragten Schule gesichert erscheint und die schulische Versorgung anderer Schüler im Bereich des Schulträgers gewahrt wird”.

Das bedeutet einerseits, daß Konfessionsschulen nicht als Zwergschulen geführt werden können, daß anderseits Konfessionsschulen nur dann eingerichtet werden können, wenn dadurch nicht die bestehende Gemeinschaftsschule in ihrem Ausbau beeinträchtigt wird. (Ob andererseits neben katholischen Schulen Gemeinschaftsschulen auch in evangelische Konfessionsschulen umgewandelt werden können, läßt das Konkordat offen; die Novelle zum Schulgesetz soll da Klärung bringen.) Katholische Konfessionsschulen können aber, das ist die Neuerung, nun auch von „überörtlichen Schulträgern”, das heißt als konfessionelle Mittelpunktschulen, errichtet werden, während bei den örtlichen Schulträgern dann offenbar die Gemeinschaftsschulen bestehen bleiben. Um die Neuerrichtung von Konfessionsschulen zu ermöglichen, soll die Meßzahl der Schüler herabgesetzt werden. Nicht mehr die acht- bzw. neunklassige Schule ist der Maßstab, sondern im Bereich kleinerer Schulträger die vierklassige.

Diese Fragen muß die Novelle zum Schulgesetz regeln, in der nach dem Entwurf laut Vorwärts folgende Bestimmung vorgesehen ist: „Öffentliche Volksschulen für Schüler des gleichen Bekenntnisses werden im Bereich von Schulträgern errichtet, wenn der Besuch einer der Größe des Schulträgers entsprechend ausgebauten Schule für Schüler aller Bekenntnisse innerhalb zu-mutbarer Entfernung möglich bleibt” (Hervorhebungen durch vg). Die Meßzahlen sollen wie folgt festgelegt werden : Bei Schulträgern mit weniger als 5000 Einwohnern müssen die gesetzlichen Vertreter von mindestens 120 Schülern den Antrag stellen; bis zu 7000 Einwohnern sind 180, über 7000 240 Schüler erforderlich.

Zwergschulen sind in Niedersachsen als Neugründung grundsätzlich nicht mehr zugelassen. Bei der Zusammenlegung von Zwergschulen sollen nun aber Schulen mit einem überwiegend großen Anteil an katholischen Schülern nur mit gleichen Schulen zu Mittelpunktschulen verbunden werden. Erst wenn auf diese Weise keine vierklassige Schule entstehen kann, so können überwiegend katholische Schulen auch in gemischt-konfessionelle Mittelpunktschulen überführt werden. Praktisch wer-den dadurch Schulen mit überwiegend katholischem Schüleranteil, die de jure zwar Gemeinschaftsschulen sind, de facto zu Konfessionsschulen. Ein Zusatzprotokoll zum Konkordat regelt nämlich, daß diese Schulen entsprechend dem Anteil katholischer Schüler mit katholischen Lehrern besetzt werden und daß an ihnen Schulbücher benutzt werden, die der Schülermehrheit entsprechend charakterisiert sind, das sind Schulbücher, die von den katholischen Bischöfen als geeignet gebilligt sind.

Diese schulpolitischen Regelungen, auch die in Bezug auf die Bildung von Mittelpunktschulen und die Aufhebung von Zwergschulen gelten im übrigen nicht für den niedersächsischen Landesteil Oldenburg. Für diesen hatte bereits das Schulgesetz von 1954 aufgrund des Widerstandes von seiten beider Konfessionen die Fortgeltung des Artikels der alten oldenburgischen Verfassung zugesichert, der bestimmte: „Die Einteilung der Volks-schulen in evangelische und katholische bleibt bestehen.” In

Oldenburg gibt es daher keine Gemeinschaftsschulen, sondern nur Konfessionsschulen. Im Konkordat wird diese Sonderstellung des Landesteils Oldenburg ausdrücklich garantiert.

Die katholischen Privatschulen sollen im Rahmen der allgemeinen Förderung der Privatschulen finanziell gefördert und staatlich anerkannt werden. Schließlich enthält das Konkordat zu schulpolitischen Fragen als neuartige Bestimmung eine Revisionsklausel für den Fall wesentlicher Änderungen in der Struktur des öffentlichen Schulwesens.

In Sachen Lehrerbildung bestätigte das Konkordat, daß die Pädagogische Hochschule in Vechta, die de facto eine katholische Hochschule ist, erhalten bleibt. (Konfessionelle Lehrerbildung gibt es in Niedersachsen nicht, da die Pädagogischen Hochschulen nach dem Gesetz „in Forschung und Lehre frei” sind; jedoch hat sich im Landesteil Oldenburg in der Praxis die Lehrerbildung so entwickelt, daß die Hochschule Vechta von katholischen Lehrerstudenten besucht und mit katholischen Dozenten besetzt wird, während die Hochschule in Oldenburg entsprechend evangelischen Charakter hat. Dieser Zustand wird durch das Konkordat nun garantiert.) Die Pädagogische Hoch-schule in Alf eld soll nach Hildesheim verlegt werden und in einem besonderen Vertrag mit dem Hildesheimer Bischof soll für diese Hochschule eine ausreichende Zahl katholischer Lehrkräfte garantiert werden, so daß in ihr ein katholischer Lehrerausbildungszweig entsteht. Ebenfalls soll mit dem Bischof von Osnabrück ein Sondervertrag geschlossen werden, wodurch an der Pädagogischen Hochschule Osnabrück ein katholisches Lehrerstudium einschließlich der Missio canonica absolviert werden kann. (Der Bischof von Osnabrück hatte bisher — s. vg 2—3/62, 12 — katholischen Lehrerstudenten an der Hochschule Osnabrück den Erwerb der Missio canonica zur Erteilung von Religionsunterricht verweigert.)

Völlig neu als Regelung in einem Konkordat sind die Artikel 9 und 10. In Artikel 9 wird festgelegt, daß die katholische Kirche mit eigenen Einrichtungen an der Erwachsenenbildung teilnehmen darf und mit diesen Einrichtungen in die staatliche Förderung der Erwachsenenbildung einbezogen wird. Artikel 10 verpflichtet den Staat, die Interessen der katholischen Kirche beim Rundfunk und Fernsehen wahrzunehmen. Durch das Programm darf das religiöse Empfinden der katholischen Bevölkerung nicht verletzt werden. Der katholischen Kirche werden nicht nur angemessene Sendezeiten garantiert, sie kann auch ihre Interessen bei der Gestaltung des gesamten Programms geltend machen. Zwar sind die Kirchen praktisch längst auf ähnliche Weise in die Rundfunkangelegenheiten eingeschaltet, jedoch ist die schriftliche Fixierung dieses Einflusses in einem Konkordat erstmalig. (Niedersachsen ist mit Hamburg und Schleswig-Holstein am Norddeutschen Rundfunk beteiligt.)

Zusatz­ver­trag mit den Evange­li­schen Kirchen

Schon während der Verhandlungen über das Konkordat waren die evangelischen Landeskirchen über den Inhalt auf dem laufenden gehalten worden, und es war ihnen zugesichert worden, daß Vereinbarungen mit der katholischen Kirche, die über den Loccumer Kirchenvertrag hinausgehen, später in einem Zusatz-vertrag auch mit den evangelischen Kirchen vereinbart werden würden. Landesbischof Hanns Lilje von der Landeskirche Hannover hatte öffentlich zum Ausdruck gebracht, daß er mit einer stärkeren Konf essionalisierung im Schulwesen nicht einverstanden sei und der niedersächsischen Regierung vorgeworfen, daß sie bei der katholischen Kirche mit „Preisermäßigungen” arbeite. Er hatte auch angedeutet, daß, wenn der katholischen Kirche Konfessionsschulen zugestanden würden, auch die evangelische Kirche gezwungen sei, in bestimmten Verhältnissen Konfessionsschulen zu fordern (s. vg 7-8/64, 268 und 12/64, 464).

Nach Pressemeldungen vom 6. März wurde ein Zusatzabkommen zu dem Staatsvertrag mit den evangelischen Landeskirchen, das diesen dem Konkordat anpaßt, bereits am 5. März von Ministerpräsident Diederichs und den Bischöfen der fünf evangelischen Landeskirchen unterzeichnet. Genaueres über den In-halt ist noch nicht bekannt. Jedoch wird das Zusatzabkommen die Zugeständnisse an die katholische Kirche, die das Konkordat in Sachen Rundfunkwesen, Erwachsenenbildung und Privatschulwesen enthält, auch für die evangelischen Kirchen machen. Außerdem sind parallel zum Konkordat Fragen der Aufsicht über kirchliche Stiftungen geregelt. In schulpolitischen Fragen scheinen die evangelischen Kirchen keine besonderen Ergänzungen gewünscht zu haben. Jedenfalls erklärte dazu die von Landesbischof Lilje herausgegebene Wochenzeitung Sonntagsblatt schon am 7. Februar: „Ein solcher Vertrag (das Zusatz-abkommen) gibt zugleich die Möglichkeit, eine die nieder-sächsische Schulordnung bejahende Schulpolitik der Landeskirchen festzusetzen und das freundschaftliche Verhältnis zwischen Land und Kirchen, das sich auch in der fortlaufenden Unterrichtung über die Konkordatsverhandlungen gezeigt hat, zu bekräftigen.” Im übrigen begrüßten die evangelischen Landeskirchen in einer gemeinsam mit der Landesregierung herausgegebenen Erklärung das Konkordat als Regelung zwischen dem Land und der katholischen Kirche.

Erste katholische Stellung­nahmen

Die Katholische Nachrichten-Agentur verbreitete am 30.1. 65 einen ersten offiziösen Kommentar zu dem niedersächsischen Konkordat. Darin wird das Konkordat als ein Sonderfall dar-gestellt, es müsse wegen der Minderheitenrolle der Katholiken in Niedersachsen als Minimallösung der katholischen Belange betrachtet werden. Das Konkordat sei notwendig geworden durch den Kampf um das Schulgesetz, durch den Konkordatsprozeß und den Loccumer Kirchenvertrag. Zur Schulregelung heißt es wörtlich: „Von kirchlicher Seite ist darauf verwiesen worden, daß die Schulfrage unter den besonderen niedersächsischen Verhältnissen gesehen werden muß. Einmal befinden sich die Katholiken in diesem Lande eindeutig in der Minderheit, zum anderen haben sich die evangelischen Landeskirchen hinter das Niedersächsische Schulgesetz gestellt und die christliche Gemeinschaftsschule als Normalschule anerkannt … Des-halb konnte die Regelung der Schulfrage für die katholische Kirche nur den Charakter einer Minimallösung, eines Kompromisses, haben, so daß jedenfalls insofern das Niedersachsen-Konkordat keinen ,Modellfall` für etwaige Verträge mit weiteren deutschen Bundesländern darstellen wird.” Großen Wert habe die katholische Kirche auch auf die Anerkennung der Gültigkeit des Reichskonkordats gelegt. Der Heilige Stuhl „konnte kein Konkordat schließen, aus dem Zweifel über die Fortgeltung des Reichskonkordats in Niedersachsen hergeleitet werden können. Derartige Zweifel wird es also in Zukunft nicht geben.” Zu der parteipolitischen Frage, das Konkordat könne eine Aufwertung der SPD bedeuten, meint der Kommentar: „In der Öffentlichkeit wird beachtet, daß das erste Länderkonkordat nach dem Kriege mit einer Landesregierung geschlossen wird, die unter Führung der SPD steht. Man sucht daraus Hinweise auf die Einstellung der Kirche und namentlich des Vatikans zu dieser Partei herzuleiten. Eine solche Betrachtungsweise ist offensichtlich falsch. Die seit vielen Jahren laufenden Gespräche sind unabhängig davon geführt worden, wer in Hannover die Regierung bildete. Konkordatsabschlüsse stehen unter dem Gesetz der Notwendigkeit einer Verständigung mit dem Staat, nicht aber unter Erwägungen parteitaktischer Art.”

Den Minimalcharakter der Schulregelung betont auch die Politisch-Soziale Korrespondenz der CDU: „Die katholische Minderheit hat es in Niedersachsen nicht leicht, etwas von dem zu verwirklichen, was ihr etwa als Elternrecht vorschwebt. Sie muß sich mit einem Mindestmaß an Konzessionen zufrieden-geben, mit einem Mindestmaß, das für künftige Konkordate nicht als Beispiel anzusehen ist.”

Fünf Tage nach dem ersten Kommentar wurde in einem neuen Kommentar von KNA auch ein positiver Zug an dem Konkordat entdeckt. Es heißt am 4. 2. 65: „Der Vertragsentwurf ist in der Schulfrage nur ein Kompromiß, jedoch in seiner Anlage, die ganz auf die zukünftige Entwicklung ausgerichtet ist, und in der bildungspolitisch wichtigen Frage der Massenmedien in gewisser Weise als Modellfall für andere zeitgemäße Konkordate zu bezeichnen. So sehr man also durchaus annehmen kann, daß diese ausgesprochen modernen Züge des Konkordats beispielhaft für andere Länder sein können, so sehr müssen bei etwaigen späteren Länderkonkordaten in der Schulfrage die regionalen Besonderheiten gesehen werden. Das Resultat der langwierigen Verhandlungen zeigt, daß auch unter Wahrung der Prinzipien flexible Lösungen auf der Grundlage der örtlichen Realitäten zu verwirklichen sind.”

Ähnlich äußerte sich später auch die Wochenzeitung Echo der zeit, die vom Bischof von Münster herausgegeben wird: „Mit der Kompromißlösung in der Schulfrage hat die Kirche ihrerseits der föderativen Struktur der Bundesrepublik Rechnung getragen. Unter ausdrücklicher Anerkennung des Reichskonkordates werden hier für ein Bundesland Folgerungen aus der konkreten Situation gezogen, die man nicht auf andere Länder übertragen kann, ohne in einen gerade im kulturellen Bereich schädlichen Schematismus zu verfallen.” Als „beispielhaft für andere Länder” aber werden die „modernen Züge” des Konkordates bezeichnet.

Erklärungen gegen die Schul­be­stim­mungen des Konkordats

Die Humanistische Studenten-Union hat noch vor der Unterzeichnung in gleichlautenden Schreiben an den niedersächsischen Ministerpräsidenten und an die Fraktionsvorsitzenden der SPD und FDP im niedersächsischen Landtag dazu aufgefordert, das Konkordat nicht zu unterzeichnen. In einer Zeit, in der die Beseitigung des nicht zuletzt durch den Konf essionalismus bedingten Bildungsnotstandes eine Lebensfrage unseres Volkes geworden sei, sei es verantwortungslos und nicht gesamtgesellschaftlich gedacht, wenn mit der katholischen Kirche ein unaufkündbarer Vertrag geschlossen würde, durch den die Rückschrittlichkeit des Schulwesens in Niedersachsen verewigt würde. Niedersachsen, das nach den Statistiken schon jetzt das rück-ständigste der SPD-regierten Bundesländer sei, würde dann auf die Stufe der CDU/CSU-regierten Länder zurückfallen. Konf essionalisierung des Schul- und Bildungswesens bedeute unrationelle Aufteilung und Verwendung der Lehrkräfte, Verschwendung von Schulräumen, ungleichmäßige Bildungschancen für die Kinder und eine Lähmung jeder wirklichen Bildungsplanung und -reform. Anachronistisch sei auch die Subventionierung der Kirchen mit Steuergeldern; Seelsorgerbesoldung und Diözesanverwaltung seien nicht Aufgaben eines pluralistischen Staates.

Aus dem Lande Niedersachsen selbst wurden zwei gewichtige Erklärungen zum Konkordat von sachlich betroffener Seite bekannt. Der Lehrkörper der Pädagogischen Hochschule Osnabrück gab noch vor Abschluß des Konkordats eine Erklärung ab, in der auf wichtige Fragen der Freiheit von Forschung und Lehre an den Hochschulen hingewiesen wird. Die Pädagogische Hochschule Osnabrück, zu deren Lehrkörper u. a. der bekannte Pädagoge Professor Horst Wetterling gehört, ist von dem Konkordat speziell betroffen, weil über sie ein Sondervertrag mit dem Bischof von Osnabrück abgeschlossen werden soll. Der Bischof hatte sich bisher geweigert, an dieser Hochschule ausgebildeten Lehrern auch die kirchliche Missio Canonica für die Erteilung des katholischen Religionsunterrichts zu erteilen und verhindert, daß dort ein katholischer religionspädagogischer Lehrstuhl errichtet wird. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

Erklärung des Lehrkörpers der Pädago­gi­schen Hochschule Osnabrück (Adolf-Reich­wein-Hoch­schule)

„Presseberichte über den bevorstehenden Abschluß eines Konkordats zwischen dem Vatikan und dem Lande Niedersachsen wie über den Plan, das geltende Schulgesetz wegen des Konkordats durch eine Novelle zu ändern, geben dem Lehrkörper der Pädagogischen Hochschule Osnabrück (Adolf-Reichwein-Hochschule) Anlaß zur Beunruhigung. Er muß fürchten, daß durch neue gesetzliche Bestimmungen einer Konfessionalisierung der Schulen Niedersachsens der Weg geebnet und auf die Dauer die Unabhängigkeit der Pädagogischen Hochschulen gefährdet wird.

Mit Nachdruck bittet der Lehrkörper der Adolf-Reichwein-Hochschule den niedersächsischen Landtag, jeder Vereinbarung seine Zustimmung zu versagen, die geeignet ist, die weitere Konfessionalisierung des Schulwesens zu ermöglichen.

Mit Entschiedenheit besteht der Lehrkörper auf dem Recht seiner Mitglieder, ihr Sachgebiet in freier geistiger Entscheidung zu vertreten und auf dem Recht, bei seinem Vorschlag zur Besetzung vakanter Lehrstühle ohne konfessionelle Rücksichten ausschließlich die wissenschaftliche Qualifikation in Betracht zu ziehen.

Der Lehrkörper erklärt erneut seine Bereitschaft, an einer Vereinbarung über die Besetzung des Lehrstuhls für katholische Religionslehre mitzuwirken, durch welche so bald als möglich die Voraussetzung für den Erwerb der Fakultas für katholische Religionslehre an der Pädagogischen Hochschule Osnabrück geschaffen würde.

Der Lehrkörper der Adolf-Reichwein-Hochschule ist befremdet darüber, daß er über Vorgänge und Absichten, welche die Schulen des Landes und die Pädagogischen Hochschulen betreffen, nur durch Presseberichte informiert wird. Nicht nur die Pädagogischen Hochschulen als Einrichtungen des Landes Niedersachsen mit den Rechten von Körperschaften öffentlichen Rechts, sondern alle Bürger haben bei Angelegenheiten von solcher Tragweite Anspruch auf rechtzeitige und ausführliche Unterrichtung durch die Landesregierung.”

Brief des Gesamtverbandes Niedersächsischer Lehrer an die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags Am Tage nach der Unterzeichnung des Konkordats hat sich der Gesamtverband Niedersächsischer Lehrer (GNL) in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der die Lehrer Niedersachsens repräsentiert, mit einem Brief an den Landtagspräsidenten, der auch allen Abgeordneten zugänglich gemacht wurde, gewandt. Der Brief weist zunächst auf problematische Bestimmungen des Konkordats hin, wendet sich sodann dem Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes von 1954, die durch das Konkordat notwendig wird, zu. Er stellt in diesem Entwurf Bestimmungen fest, die noch über die schulpolitischen Zugeständnisse des Konkordats hinausgehen. Interessierte Kreise in Hannover stellen den Zusammenhang zwischen dieser Gesetzesnovelle und dem Konkordat so dar, daß der Landtag den Gesetzentwurf, der dem Vernehmen nach auch nicht von der Regierung allein, sondern in ständiger Verbindung mit der Päpstlichen Nuntiatur in Bad Godesberg aus-gearbeitet worden sein soll, als hinge die endgültige Verabschiedung des Konkordats von kirchlicher Seite davon ab, daß der Landtag diesen Gesetzentwurf ohne Änderung annimmt. Das Schreiben des GNL weist dagegen darauf hin, daß der Landtag frei ist bei der Gesetzgebung zur Durchführung des Konkordats. Der Brief an die Landtagsabgeordneten hat folgenden Wortlaut:

„Der Gesamtverband Niedersächsischer Lehrer hat stets eine seiner vornehmsten Aufgaben darin gesehen, sich für die Freiheit des Schulwesens einzusetzen und sie zu fördern. Er betrachtet deshalb den Inhalt des niedersächsischen Konkordats mit größter Sorge. Sein Artikel 6(Katholische Bekenntnisschulen) widerspricht der durch das Schulgesetz vom 14. 9. 1954 gesicherten Vorrangstellung der christlichen Schulen, in denen die Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung erzogen werden. Artikel 7(Katholischer Religionsunterricht) bringt eine erhebliche Verschlechterung gegenüber der heutigen Rechtslage in Niedersachsen und droht, eine geistliche Schulaufsicht in neuen Formen zu gründen.

Mit unmittelbarer Sorge aber erfüllt den Verband der uns bekannt gewordene Entwurf der Novelle zum Niedersächsischen Schulgesetz. Dieser Entwurf geht teilweise noch über die Konkordatsbestimmungen in gefährlichem Maße hinaus.

1. Artikel 6 Abs. 2 des Konkordats ermöglicht die Errichtung katholischer Bekenntnisschulen, wenn die schulische Versorgung der anderen Schüler im Bereich des Schulträgers gewahrt wird. § 9 Abs. 1 des Entwurfs hingegen spricht nur davon, daß der Besuch einer der Größe des Schulträgers entsprechend ausgebauten Schule für Schüler aller Bekenntnisse innerhalb zumutbarer Entfernung möglich bleiben muß. Das kann in einzelnen Fällen dazu führen, daß nichtkatholische Schüler die Schule ihres Wohnortes verlassen und in einem benachbarten Orte — wenn auch in zumutbarer Entfernung  zur Schule gehen müssen. Da wir nicht annehmen können, daß es der Sinn des Konkordats ist, Schüler christlicher Gemeinschaftsschulen zu benachteiligen, halten wir es für erforderlich, daß § 9 Abs. 1 folgende Fassung erhält: ,(1) (Öffentliche Volksschulen für Schüler des gleichen Bekenntnisses werden errichtet, wenn der Besuch einer der Größe des Schulträgers entsprechend aus-gebauten Schule für Schüler aller Bekenntnisse im Bereich des Schulträgers innerhalb zumutbarer Entfernung gesichert bleibt.`

2. Während Artikel 6 Abs. 2 des Konkordats die Errichtung katholischer Bekenntnisschulen davon abhängig macht, daß eine angemessene Gliederung der Bekenntnisschule gesichert erscheint, fehlt in dem Gesetzentwurf eine entsprechende Schutzvorschrift, die der Neugründung von Zwergschulen entgegensteht. § 14 Abs. 3 des Entwurfs gibt hier keine hinreichende Sicherung. Es ist deshalb unverständlich, daß der Entwurf den bisherigen § 9 Abs. 2, der dem Konkordat durchaus entspricht, ersatzlos wegfallen läßt; denn der neue Absatz 2 des Entwurfs hat einen völlig anderen Inhalt. Der Gesamtverband Nieders. Lehrer bittet deshalb dringend, daß der bisherige § 9 Abs. 2 erhalten bleibt.

3. Neben diesen Grundprinzipien des niedersächsischen Schulwesens gefährdenden Bestimmungen enthält der Entwurf einige weitere Vorschriften, die über den Konkordatsinhalt hinaus-gehen. Es sei insbesondere hingewiesen auf § 10 Abs. 1 a und Abs. 2.

Der Niedersächsische Landtag ist, soweit es sich um die Gesetzgebung zur Durchführung des Konkordats handelt, frei. Der Gesetzentwurf, der dem Landtage zugeleitet werden soll, ist nicht Konkordatsbestandteil, wie sich aus Artikel 18 eindeutig ergibt. Der Landtag besitzt die Möglichkeit und hat nach seiner Zustimmung zum Konkordat die Pflicht, bei der Anpassung der Schulgesetzgebung an die Konkordatsbestimmungen die schulischen Gegebenheiten unseres Landes zu berücksichtigen, die Auffassungen des überwiegenden Teils der Bevölkerung zu beachten und die Prinzipien einer freiheitlichen Ordnung des Bildungswesens zu wahren.

Die im Gesamtverband Niedersächsischer Lehrer organisierte Lehrerschaft aller Bekenntnisse würde es nicht verstehen, wenn der Entwurf in seiner jetzigen Fassung Gesetz werden sollte.”

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