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Texte zur Nostands­ge­setz­ge­bung.Ar­tikel 48 der Weimarer Reichs­-­Ver­fas­sung

vorgängevorgänge 8/6301/1970Seite 295-296
von vg

Aus: vorgänge Heft 9/1963 S.295-296

Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten.

Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.

Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen.

Bei Gefahr im Verzuge kann die Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2 bezeichneten Art treffen. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichspräsidenten oder des Reichstages außer Kraft zu setzen.

Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.

„Artikel 5 Abs. 2 des „Deutschlandvertrages” nach dem Protokoll vom 23.10.1954:

(2) Die von den Drei Mächten bisher innegehabten oder ausgeübten Rechte in bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften, die zeitweilig von den Drei Mächten beibehalten werden, erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte zu treffen, einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen. Soweit diese Rechte weiterhin ausgeübt werden können, werden sie nur nach Konsultation mit der Bundesregierung ausgeübt werden, soweit die militärische Lage eine solche Konsultation nicht ausschließt, und wenn die Bundesregierung darin übereinstimmt, daß die Umstände die Ausübung derartiger Rechte erfordern. Im übrigen bestimmt sich der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte nach den Vorschriften des Vertrags, welcher den Truppenvertrag ersetzt, und nach dem deutschen Recht, soweit nicht in einem anwendbaren Vertrag etwas anderes bestimmt ist.

7 Punkte der SPD zur Notstandsgesetzgebung

1. Es ist eindeutig klarzumachen, in welchen Fällen und unter welchen Umständen von einem Notstand gesprochen werden muß, der nur mit außerordentlichen Mitteln gemeistert werden kann. Dabei ist zwischen innerem Notstand, drohendem Verteidigungsfall (Spannungszeit) und äußerem Notstand zu unterscheiden.

2. Es ist zu gewährleisten, daß in solchen Situationen nicht eine an der Macht befindliche Gruppe oder Partei die Mittel der Exekutive zur Unterdrückung der anderen ausnutzen kann.

3. Es ist zu sichern, daß Notstandsbefugnisse ausschließlich zur Meisterung des Notstandes und nicht zur Drosselung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, vorallem nicht der Freiheit der Presse, des Rundfunks, des Fernsehens und der freien Meinungsäußerung, eingesetzt werden können.

4. Es ist auszuschließen, daß eine Einschränkung oder Drosselung der demokratischen Grundrechte im gewerkschaftlichen und betrieblichen Bereich unter dem Vorwand des Notstandes praktiziert werden kann.

5. Es ist Vorkehrung zu treffen, daß weder die Befugnisse der Länder noch die der gewählten Volksvertretungen unter Berufung auf einen „Notstand” erstickt werden können.

6. Die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts muß gewährleistet sein. Jede Maßnahme muß vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden können.

7. Die Verantwortlichkeit des Parlaments ist in jeder Lage zu erhalten. Die Notstandsregelung darf keine Möglichkeit des Ausweichens des Parlaments aus seiner Verantwortung schaffen.

Hinweise

Adalbert Podlech studierte zunächst Philosophie, Geschichte und im Nebenfach katholische Theologie und promovierte in Philosophie. Er veröffentlichte 1956 eine Arbeit über die Anthropologie Jean Paul Samtres, „Der Leib als Weise des In-der-Welt-Seins”. Nach ergebnislosen Bemühungen um eine phänomenologische Analyse der Gottesbeweise brach er diese Studien ab und begann das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften. Nach rein juristischen Arbeiten ist die Abhandlung „Der Gewissensbegriff im Rechtsstaat” (1963 im Archiv des öffentlichen Rechts) die erste Arbeit auf dem Grenzgebiet zwischen Philosophie und Rechtswissenschaft.

Der in diesem Heft veröffentlichte Kommentar ist ein Vorabdruck aus dem in diesem Herbst im Szczesny-Verlag erscheinenden Jahrbuch für kritische Aufklärung 1 “Club Voltaire“. In dieser Jahrbuch-Veröffentlichung werden auch die zu Podlechs Artikel gehörigen ca. 140 Anmerkungen, die hier gestrichen werden mußten, mitpubliziert. Ebenfalls ein Vorabdruck aus dem genannten Jahrbuch war das Gutachten zum Spur-Prozeß von Werner Hafimann, das wir in Vorgänge 8/63 bekanntmachten.

Johannes Werres ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Konstitutionsbiologie und menschliche Verhaltensforschung, Leitung Dr. W. S. Schlegel, in Hamburg.

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