Beitragsbild Zwischen Terror und Vergeltung: Warum wir uns weder von der Hamas noch Netanjahu vereinnahmen lassen dürfen
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Zwischen Terror und Vergeltung: Warum wir uns weder von der Hamas noch Netanjahu verein­nahmen lassen dürfen

07. April 2025

Seit Ausbruch des jüngsten Konflikts zwischen Israel und der Hamas, ausgelöst durch das Massaker vom 7. Oktober 2023 (das nach dem Kriegsvölkerecht ein Kriegsverbrechen darstellt), sind wir mit unmenschlichen Situationen konfrontiert. Wir, als deutsche Bürgerrechtsorganisation, sind dabei wie alle anderen NGOs machtloser Zuschauer der Schrecken, die sich dort abspielen.

Gewalt wird mit einer Vielzahl von Gewalttaten zurückgezahlt. Der Blick auf den einzelnen Menschen ist fast unmöglich, denn wenn ein Land – wie aktuell Gaza – in großem Umfang bombardiert wird oder – wie Israel über Jahrzehnte – mit Boden-Boden-Raketen beschossen wurde und die Familie oder Bekannte vergewaltigt, ermordet oder in Bussen in die Luft gesprengt wurden, dann unterliegt der Verstand zu oft der Emotion.

Als ich davon hörte, dass Soldaten der IDF sich Kriegsverbrechen in Wort und Bild rühmten, musste ich spontan an die widerlichen Videos der Hamas etc. vom 7. Oktober denken, die tagelang auf den Straßen dieser Welt von sogenannten pro-palästinensischen Aktivistinnen und Aktivisten bejubelt wurden.

Viele, in Gaza, aber auch in Israel, verspüren nichts mehr außer Hass und der Wut auf alle, die die andere Flagge tragen. Insgesamt zu wenige gehen gegen diese Emotionen, die die Gewalt nur verstärken, vor. Zu viele haben nur noch das Bedürfnis, dem anderen noch mehr Schaden zuzufügen, als es der eigenen Seite angetan wurde.

Fast jeder Staat ist einem der beiden Lager zugeneigt –  einige aus Freundschaft, andere aus Scham, viele aus Angst oder Wut. Begründungen dafür werden in Ereignissen und Rationalisierungen von Ideologien, Rechten und moralischen Werten gesucht. Aber egal, wie man denkt: Am Ende sind es alle Menschen, die aus Verzweiflung ihr eigenes Leben, das ihrer Lieben und Unbekannten opfern. Genau das wird von den Machthabenden beider Seiten missbraucht.

Aus meiner Sicht dürfen wir als deutsche Bürgerrechtsorganisation uns hier nicht vor den Karren einer der Seiten spannen lassen – weder, indem wir das Framing der arabischen Bevölkerung in Gaza und dem Westjordanland unterstützen, die „ihr Land befreien wollen“, noch indem wir der reaktionären israelischen Siedlerbewegung folgen und das gesamte „Heilige Land“ als Ihnen gehörend zugestehen. Beide Seiten haben unrecht, und eine wünschenswerte, friedliche Ein-Staaten-Lösung ist leider kein realistischer Weg bei all der Gewalt und dem Hass in den Menschen. Deswegen bin ich weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung.

Bis heute herrscht in großen Teilen der arabischen Welt und bei nicht wenigen Aktivistinnen und Aktivisten die Überzeugung vor, dass das Land, das den arabischen Einwohnern gehört habe, enteignet wurde. Diese Sichtweise basiert jedoch auf einer historischen Interpretation der Folgen des Ersten Weltkrieges, die nicht die gesamten Zusammenhänge berücksichtigt. Infolgedessen finden sich auch in aktuellen Diskussionen häufig Darstellungen, die die historischen Ereignisse unvollständig oder verzerrt wiedergeben. Insbesondere dann, wenn Organisationen, die der Hamas oder anderen Terrororganisationen nahestehen, als sogenannte objektive Gesprächspartner angesehen werden.

Ich stehe für das Recht aller Menschen, in Frieden in ihrer angestammten Heimat zu leben – seien sie jüdisch, arabisch, ukrainisch, syrisch etc. Gewalt, sei sie verbal, strukturell oder physisch, löst keine Probleme, sondern verlagert diese nur. Sie kann nur dann legitim sein, wenn sie als Notwehr maßvoll gebraucht wird – dies ist im aktuellen Konflikt um Gaza nicht mehr so.

Ich glaube, dass wir einen Frieden nur dann erreichen, wenn wir die andern als Menschen anerkennen und den Unmenschen auf beiden Seiten weder Gehör, noch Unterstützung gewähren.

Thomas Schindelbeck

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