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Ein Vorschlag zur Wieder­her­stel­lung von Gesundheit

31. Januar 1983
Datum: Montag, 03. August 2020

Klaus Waterstradt

aus: vorgänge Nr. 61 (Heft 1/1983), S. 4/5

In der augenblicklichen Situation der unzureichenden Finanzen auf fast allen Gebieten (Rüstung im wesentlichen ausgenommen), hervorgerufen nicht zuletzt durch kritiklose Fortschrittsgläubigkeit und Wissenschaftsgläubigkeit (Motto: Wachstum, Wachstum über alles), bemühen sich kompetente und inkompetente Geister um das Aufzeigen einzuschlagender Schritte, um das Vorbringen von Vorschlägen zu Auswegen aus dieser Sackgasse.

Die meisten von ihnen kurieren wie immer am Symptom und nicht an der Wurzel des Übels, denn dazu wäre ja die ideologisch so berüchtigte „Systemveränderung“ vonnöten.

Allerdings scheinen sich auch hier inzwischen grundlegende Denkveränderungsprozesse einzuleiten. Immerhin ist es heute schon nicht mehr ganz einfach, neue Technologien mit großzügig zukunftsweisenden“ und sogar „arbeitsplatzschaffenden“ Perspektiven einer begeistert konsumbereiten Öffentlichkeit anzudienen. Selbst die publicity-trächtigen Automationen und Rationalisationen der Glasfaserverkabelungen, Teletextprojekte und BIGFON-Manipulationen stoßen auf zunehmende kritische Bewertungen vielfältiger Initiativen.

Geistige Umweltverschmutzung ist hier das Schlagwort in Analogie zu der heute von allen Bürgern bereits als Bedrohung empfundenen Umweltverschmutzung durch Produktionsergebnisse von technischem „Fortschritt“ und von Industrialisierung mit allen ihren krankmachenden Folgen.

Nicht nur die Vielzahl der krebserzeugenden Stoffe, nicht nur die Hautschädigungen, die Beeinträchtigung der Atmungs- und Sinnesorgane, des Herz-Kreislaufsystems oder der Verdauungsorgane, des Knochen- und Gerüstapparates, auch die unübersehbare Gefährdung der Nachkommenschaft, der folgenden Generationen, auch die Aufrüstung mit atomaren, biologischen und chemischen Kriegskampfmitteln (A-B-C Waffen), all dies liegt im Blickfeld einer wachsenden Zahl mehr ökologisch als ökonomisch denkender Menschen und führt zu Gegendruck und zur Forderung, den Frieden zu sichern ohne Rüstung.

Dessen ungeachtet gibt es natürlich eine große Anzahl von Menschen, die einfach den Kopf in den Sand stecken angesichts der massenhaften Einwirkungen, weil sie glauben, doch nichts mehr ändern zu können und es gibt eine beträchtliche Zahl von unaufgeklärten Mitmenschen, die mangels einschlägiger Informationen meinen, die da oben machen trotz einiger Fehler schließlich doch alles zum besten.

Die sogenannten denkenden Menschen finden sich zu öffentlichen Anhörungen und Diskussionen zusammen. Sie üben zum Teil auch positive Kritik und machen dabei Vorschläge, wie schon gesagt, zur Minderung der Übel und zur Verbesserung der Fehler.

Auf einer solchen Veranstaltung hörte ich gerade wieder die bekannten Empfehlungen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, nämlich die sogenannte „Selbstbeteiligung“ im System der kassenärztlichen Versorgung. Dies werde schon – und eigentümlicherweise nicht das ärztliche Handeln – dazu beitragen, daß nicht über das Maß des Notwendigen hinaus die Mittel der Versicherungsgemeinschaft in Anspruch genommen werden. Daß dabei manchmal auch das Notwendige außeracht gelassen wird, ist nur ein Aspekt. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, daß auch dort die Kostenausweitung im Gesundheitswesen durch „Selbstbeteiligung“ nicht verhindert wird. Und ist bei uns etwa neben den Kosten für Arbeitslosen- und Rentenversicherung eine 13% vom Lohn betragende Beitragssumme zur Kränkenversicherung noch nicht Selbstbeteiligung genug?

Die Monopolmittel etwa, die der Staat einnimmt aus der systematischen Vergiftung der Bevölkerung durch den Konsum von Alkohol und Nikotin, der mit meterhohen Reklametafeln angeheizt wird, reichen bei weitem nicht aus, um die Entziehungs- und Rehabilitationsfolgen der dadurch entstandenen Körper- und Geistesschäden zu finanzieren.

1976 habe ich in vorgänge 21 geschrieben: „Wir müssen einsehen lernen, daß das Anreizen zum Konsum bestimmter Güter, die zum Teil als Statussymbole anzusehen sind, die primären menschlichen Bedürfnisse verdrängt und eine gesundheitsschädigende Lebensweise herbeiführt, die im Zusammenwirken mit anderen Schädigungen und Umwelteinflüssen eine krankmachende Wirkung ausübt.“

Und an anderer Stelle: „Im übrigen sollte in einem Sozialstaat auch nicht mit dem Versuch gespielt werden, den Versicherten, der durch eine mit Milliarden steuerbegünstigte Werbung für gesundheitsschädigende Produkte, durch raffinierte psychologische Konsumanreize zu gesundheitswidrigen Verhalten veranlaßt wurde, danach zu disziplinieren, indem die eintretenden Folgen durch Selbstbeteiligung mit Strafen belegt werden.“

Nun, heute, nach sechs Jahren, kann man lange suchen, um in unserer Umwelt noch Dinge auszumachen, die wir zu uns nehmen oder mit denen wir umgehen, und die keine krankmachenden Auswirkungen haben.

Und so kam ich in der genannten Veranstaltung auf eine Idee, die ich hier wiederholen möchte.

Wie wäre es denn, wenn man den Gedanken der Selbstbeteiligung so nachdrücklich, wie er immer verfochten wird, auf das Verursacherprinzip anwenden würde. Wenn der Gesetzgeber also jedem Hersteller von Stoffen, die sich in irgendeiner Form umwelt- und damit gesundheitsschädigend auswirken können, die Auflage verordnen würde, (natürlich unter angemessener Strafandrohung bei Nichtbeachtung), in seinem Etat einzuplanen, bzw. von seinem Umsatz abzuführen einen gewissen auszuhandelnden Prozentsatz an Finanzvolumen, der zweckgebunden dem Gesundheitswesen zur Aufklärung, Verhütung, Behandlung und Rehabilitation zur Verfügung steht.

Ich werde diesen Vorschlag den zuständigen Gremien, den Parlamentariern und den Bürgerinitiativen zur Diskussion zugänglich machen und bin der festen Überzeugung, daß so nicht allein eine deutliche Verminderung der Ausgaben der bisherigen sogenannten Kostenträger eintritt, sondern langfristig auch eine Verminderung der Ausbreitung umwelt- und gesundheitsschädigender Produkte.

Kategorie: vorgänge: Artikel

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